Arschermittwochsfreuden

Ich stehe vor dem aktuellen Hausmeister und schimpfe wie eine Kanalratte.

Anders als abgesprochen hat er nämlich nach der Karnevalsfeier die Bestuhlung im Musikraum nicht wiederhergestellt, sondern einfach wild durcheinander stehen lassen. Dies bot für sich genommen bereits ein Chaos größeren Ausmaßes, ließ jedoch die zuckerbedingte Brauchtumshyperaktivität zweier 1. Schuljahre, die gleichzeitig zu unterrichten ich an diesem Morgen die Freude hatte, geradezu explodieren. Welche Wonne, nichts Böses ahnend zur Schule zu kommen, dort zu erfahren, dass zwei Kolleginnen ausfallen und dann mit einem ganzen Rudel Erstklässler Musik zu machen, denn „das gehe ja immer!“.

Entgegen anderslautender Meinungen möchte ich an dieser Stelle einmal deutlich klarstellen: Nein, das geht NICHT immer! Auch wir Musiklehrer haben ein Recht auf gute – oder wenigstens nicht ganz so schlechte – Rahmenbedingungen.

Zwei Klassen gleichzeitig unterrichten – schlecht!

Vollgestellter Musikraum – schlechter!

Platzwunder Erstklässlerkopf, weil gegen Stuhllehne gelaufen – am schlechtesten!

Da rettete es auch nicht den Tag, dass mein Tafeldienst Arschermittwoch an die Tafel schrieb. Und ich schwöre, hätte sich der Hausmeister nicht in meinem Beisein über eben diesen für sich genommen sehr possierlichen Schreibfehler lauthals amüsiert, dann hätte ich ihn wohl auch nicht so angefaucht, wie ich das nun seit einigen Minuten tue und wie es eigentlich so gar nicht meine Art ist. Ich rede mich in Rage (was ich in einer solchen Stimmung gut kann) und lasse Phrasen um Phrasen aufsteigen: Bin ich denn die einzige, die hier mitdenkt? Ist das so schwer, sich an eine einfache Absprache zu halten? Blablabla. Dabei kreist mein pädagogischer Zeigefinger im Gesichtsfeld des Mannes. Aber Tanzabstand ist heute nicht! Nicht mit mir, ich bin geladen!

Da sehe ich, dass der Hausmeister – das Grinsen mühsam beherrschend – auf meinen Finger starrt und halte in meinem gewalt(ät)igen Wortschwall inne. Auf meiner Fingerspitze prangt ein grabbeliges, hellgrünes Pflaster, darauf… tanzende Bärchen. Ach ja, gestern, Schnitt am Papier, Miniweh, kindliche Sofortmaßnahme. Toll.

„Hmm“, grummle ich, den Blick auf meinen Zeigefinger gerichtet, „das käm jetzt ohne Pflaster irgendwie besser, oder?“

Wir müssen beide lachen. Der Hausmeister entschuldigt sich, ich tue es ebenfalls. Im Büro spendiert er mir einen Kaffee und ein neues Pflaster. „Eins für Erwachsene“, sagt er. „Für ernste Gespräche.“

Wenn die Stimme versagt…

…weil der Hals rau ist, ist das nicht immer ein Fall für ein Halsbonbon.

In einem Beruf, in dem aller neuen Medien zum Trotz immer noch die Stimme das Hauptarbeitsmittel darstellt, sind immer wiederkehrende Heiserkeit oder Halskratzen nicht nur nervig, sondern können zum echten Problem werden. Viele Kollegen klagen über Probleme mit der Stimme, sei es, dass sie kratzt, zu leise ist oder schlichtweg wegbleibt. Dabei muss die Ursache nicht immer im Hals stecken. Unser ganzer Körper dient der Stimme als Resonanzraum; ein verspannter Nacken, eine ungerade Haltung wirken sich genau so darauf aus wie eine angeknackste Psyche oder schlechte Stimmung. Was kann man also tun, um die Stimme zu pflegen und zu kräftigen?

Das Wichtigste: Man sollte sich bewusst machen, dass man tatsächlich etwas tun sollte! Kein Sportler würde in einen Sechsstundenlauf gehen ohne sich vorher ordentlich aufzuwärmen. Warum muten wir unserem Stimmorgan dies zu? Natürlich fehlt den meisten von uns die Zeit, um sich täglich intensiv mit der eigenen Stimme auseinanderzusetzen. Daher möchte ich euch ein paar kleine Ideen geben, die sich ohne Aufwand in den Alltag integrieren lassen und die auch ohne professionelle Ausbildung greifen. Aber auch hier lassen sich wieder Parallelen zur sportlichen Leibesertüchtigung ziehen: Ohne regelmäßige Übung wird das nichts 😉

Wie beim Sport geht man auch bei der Stimmbildung vom Großen ins Kleine. Erste Übungen dienen der Lockerung des Körpers und fördern eine aufrechte Haltung. Hervorragend lässt sich das übrigens bereits morgens beim Duschen umsetzen. Versucht folgendes:

  • Strecken und recken
  • Schulterkreisen vor- und rückwärts
  • Nackenkreisen
  • Vorbeugen und Wirbel für Wirbel aufrichten
  • Kräftiges Ausstreichen von Armen, Beinen, Ober- und Unterkörper
  • abwechselndes Anspannen und Entspannen einzelner Muskelregionen

Beim Abtrocknen und Eincremen könnt ihr euch nun dem zweiten Baustein unseres kleinen Stimmtrainings widmen, der Atmung. Praktischerweise funktioniert die ja bereits von alleine. Also dienen die nächsten Übungen zunächst der Bewusstmachung des Atems. Langsames Einatmen und Nachspüren, wo der Atemstrom hingeht. Schickt ihn mal testweise in die Flanken, seitlich in die Rippen oder ganz bewusst nach unten, Richtung Bauchnabel. Dabei wechselt ihr automatisch von der Brust- zur Zwerchfellatmung. Wusstet ihr, dass das Zwerchfell unser größter Atemmuskel ist? Wo das Zwerchfell sitzt, merkt man übrigens am allerbesten beim Schluckauf, da kontraktiert es fröhlichvor sich hin. Wenn ihr nun bewusst (nicht übertrieben tief!) vor euch hin atmet (ein durch die Nase, aus durch den Mund), versucht mal die Ausatmung zu verlängern. Dies dient der Atemkontrolle. Vielleicht schafft ihr es sogar im Verhältnis 1:4, das wäre schon richtig großes Kino! Sprechen und Singen erfolgt bei der Ausatmung, von daher ist es gut, wenn man sich die Atemmenge anständig einteilen kann, um nicht plötzlich „auf dem letzten Loch zu pfeifen“. Schafft Resonanz in eurem Körper und gähnt! Gähnt kräftig und herzzerreißend, fällt gar nicht so schwer, stimmt’s?

Mittlerweile seid ihr abgetrocknet, eingecremt und wahrscheinlich auch schon angezogen. Zeit, die Kinder zu wecken und das Frühstück vorzubereiten. Die folgenden Übungen könnt ihr fröhlich in eure morgendliche Tischkonversation einfließen lassen („gibbbbbbbb mirrrrrr bbbbbitttteeeee die Marrrrrrrmmmmmelaaaaaadeeee, mein Schschschschatzzzzzz!“) oder ihr macht es wie ich und verschiebt die Artikulationsübungen auf den Weg zur Arbeit. Praktisch, wenn ihr mit dem Auto unterwegs seid, unterhaltsam für die Sitznachbarn, wenn ihr Bahn fahrt. Fühlt euch völlig frei und versucht folgende Übungen:

  • brrrrrrrr (über die Lippen, nicht im Hals)
  • blablablablablablablabla
  • b b b b b b b b b b b b
  • spielt Topmodel und gebt Küsschen wie Heidi Klum: mmmmja mmmmja!
  • mit deutlichem Impuls aus dem Bauchraum heraus: ppp ttt kkk ppp … startet langsam und steigert das Tempo.
  • lasst alle Hemmungen fallen und bewegt eure Zunge hin und her, hoch und runter, rein und raus. (Vielleicht nicht unbedingt an der Ampel.)
  • lasst gewollt den Unterkiefer fallen – ja, das wirkt nicht intelligent, aber das muss so!
  • stellt euch vor, ihr seid eine Kuh beim Weidegang und lasst euren Kiefer gemuhtlich kreisen. Jede(r), die schon einmal in das Vergnügen eines Geburtsvorbereitungskurses kam, weiß, dass Hebammen auf die Verbindung zwischen entspanntem Unterkiefer und entspanntem Unterleib schwören. Also los!

Für diese Übungen könnt ihr auch Musik eurer Wahl hören, je fröhlicher, um so besser! Stimmt euch ein, im wahrsten Sinne des Wortes! Danach direkt weiter und summen. Startet in einer euch angenehmen Mittellage und dann testet euch mal rauf, mal runter. Keine Sorge, niemand hört euch. Lasst die Stimme einfach laufen, ganz automatisch passiert ihr dann Kopf- und Bruststimme – beide sollen aktiviert werden. Dieser sogenannte Lagenwechsel sollte ohne besonderen Kraftaufwand oder gar Druck stattfinden. Das Gefühl von Weite in Mund- und Rachenraum muss bleiben, denn diese Weite ist es, die später einen erhöhten Luftstrom und damit mehr Stimmvolumen zulässt – Lautstärke wird durch mehr Atemfluss erreicht, niemals durch Druck!

 

Von Konsumlust, Käuflichkeit und Klopapier

Ich will überhaupt kein iPad! Was soll ich denn mit einem iPad in der Schule anfangen? (Sebastian, weißt du da was zu?) Und warum wird auf einmal bei allen Fortbildungen, die Chefin besucht, damit geworben, dass die vorgestellten Produkte so wahnsinnig toll für den Musikunterricht wären?

Je mehr ich darüber nachdenke, umso verstimmter werde ich. Wieso ist eigentlich Geld für sowas da, aber keins für Seife in den Klassenräumen? (Von dem fiesen grauen IchwareinmaleinBaumundmusstesterben-Klopapier ganz zu schweigen.) Ich würde mich über das Planetenmodell freuen oder über einen kompletten Drum Circle. Wenns was mehr persönliches sein soll, dann gäb es da diesen einen entzückenden Mantel von Ewa i Walla oder endlich ein Paar nudefarbener Lackpumps in 37,5, die ich allerdings niemals anziehen werde, weil es in meinem Leben derzeit wenig Gelegenheiten dafür gibt. (Ich habe ein Faible für schöne, nutzlose Dinge.)

Ja, ich fürchte, ich bin bestechlich. Wenn ich mal im Kopf überschlage, was auf mein Bitten hin in den letzten Jahren für den Musikbereich angeschafft wurde, dann komme ich auf circa 100 Posten und eine recht stattliche Summe. Kleinpercussion, Effekte, verschiedene Trommeln, Keyboards, Roland, der Kasten, ein Mischpult, Boomwhackers, ein ordentlich großer Fernseher, neue CD- und DVD-Player, neue Boxen, neue Bühne, neuer Fußboden, letzte Woche der Satz Cajons. Fürs nächste Jahr füge ich der Liste ein paar eigene Funkmikros (also, wenn das morgen klappt, wenn nicht, wünsche ich mir ein Marimbaphon und ein Schlagzeug). Chefin macht es möglich. Wen interessiert die Haushaltssperre, wenn die Schule dringend einen Satz Sambainstrumente braucht? Dafür hat Chefin meinen größten Respekt.

Herr Weh bemängelt immer, dass bei Lehrern der persönliche (Mehr-)Einsatz nicht extra honoriert wird. Aber das stimmt so nicht. Vom Computerbereich einmal abgesehen, hat wohl kein Fachbereich unserer Schule in den letzten Jahren so aufgestockt wie meiner. Aber Chefin macht es nicht nur mir zuliebe. Vielmehr weiß sie, dass ich seit einiger Zeit mit dem Gedanken spiele, die Schule zu wechseln. Aber mit jeder Juju-Bohnen-Kette, die in meine Instrumentenschatzkammer einzieht, weiß sie, dass sie mir die Entscheidung schwerer macht. Denn mal ehrlich, wer gibt so eine Fülle auf, wenn er nicht weiß, wie die nächste Schule ausgestattet ist?