Sind wir nicht alle ein bisschen Bridget?

It starts in my toes, makes me crinkle my nose…

Es ist Ferienzeit und obgleich auf meiner Nase ein vorwitziger Pickel prangt, befinde ich mich in einem Zustand heiterer Gelöstheit. Vielleicht liegt es daran, dass das Miniweh ganz normal in den Kindergarten geht und das größere Wehwehchen ein paar Tage außerhäusig ist, was bedeutet, dass ich ganz wirklich und wahrhaftig FREI habe. Hah, das fühlt sich gut an.

Dennoch flüchte ich am frühen Morgen vor der plötzlichen Stille im Haus zum Einkaufen, um zwischen Süßkartoffeln und Currypaste erste, zarte Pläne zu schmieden. Neben den Dingen, die unbedingt sein müssen, will ich ein paar Bücher lesen, den Inhalt des Gefrierschranks verkochen und mindestens 3 verschiedene Coleslaw-Rezepte ausprobieren bis ich das ultimative gefunden habe (Tipps werden gerne entgegen genommen!). Ich möchte Freunde treffen und Kürbissuppe essen, zum Friseur gehen und endlich für Herbstbepflanzung im Garten sorgen.

Inmitten dieser erfreulichen Gedanken, bemerke ich plötzlich, dass die von uns bevorzugten Nudeln im Angebot sind und greife mir 5 Kilo. Hätte ich mal bloß einen Einkaufswagen genommen. Geradeso erblicke ich über die oberste Packung hinweg eine Etage tiefer einen Ständer mit bordeauxfarbenen Tops. Glückstag, denke ich, danach suche ich schon eine ganze Weile, habe ich da doch ein paar Kleider, deren Ausschnitte rattenscharf nicht wirklich schulangemessen ausfallen. Zufrieden fummele ich mir die passende Größe vom Haken und balanciere meine Errungenschaften zur Kasse. Zuhause angekommen stelle ich fest, dass es sich bei dem Hemdchen um sogenannte Shapewear handelt. (Und ich habe mich schon gewundert, dass es so klein ausfällt. Diese Shapewear ist offensichtlich so gut, dass sie sich selber kleiner schrumpft. Sicher ein beeindruckendes Gütezeichen!) Ich also raus aus den Plünnen, rein in das Wunderteil und vor den Spiegel gehüpft. Was soll ich sagen? Es krinkelt schon wieder bedenklich in meiner Nase – ich sehe aus wie ein Rollmops. Ein bordeauxfarbener Rollmops mit beeindruckend schmaler Taille zwar, aber oben und unten? Rollmops! Und ich kriege Hitzewallungen. Vermutlich verbridgetjonese ich gerade. Aber der Ausschnitt … ja, der ist jetzt wirklich züchtig. Da kann man nichts gegen sagen. Nur was ist mit der Rolle über der Hüfte? Muss das so? Was genau macht Shapewear eigentlich? Masse umverteilen? Masse zusammenpressen? Denn verschwinden kann sie ja nicht einfach so, das widerspricht doch jeglichen Naturgesetzen. Nicht, dass Physik jemals ein Lieblingsfach von mir war, mitnichten. Aber soweit habe ich dann doch aufgepasst.

Mit etwas Mühe knete ich das Röllchen von unten nach oben, zuppele die ganze Angelegenheit noch eine Weile hin und her und – Überraschung! – da ist auch wieder Ausschnitt zu sehen. Und zwar … deutlich mehr davon als sonst. Irgendetwas mache ich hier ganz entschieden falsch. Oder habe ich mangels genauem Hinsehen vielleicht die Oktoberfest-Variante erwischt? Die für die atemberaubenden Kurven? Na, Herr Weh wird sich freuen. Doch mir rinnt die Zeit durch die Finger, das Miniweh muss abgeholt werden. Also werfe ich eine Schicht über das Bollwerk und eile schnellen Schrittes zum Kindergarten. Aha, denke ich, als mir auf halber Strecke die Luft knapp wird, das fühlt sich in der Tat atemberaubend an. Gut, wenn ich da nachher wieder rauskomme.

Im Kindergarten angekommen wirft sich das Miniweh in meine Arme und arbeitet sich sofort neugierig am neu modellierten Körper entlang. „Mama! Was ist denn das!? Du hast da was ganz Komisches!“

„Pschschsch“, antworte ich, mich pikiert umschauend. Muss ja nicht jeder von meiner Mogelwäsche erfahren! Aber zu spät, das Miniweh ist bereits im Informationsmodus und brüllt quer durch den Gang.

„Guck mal, Jason, meine Mama hat da voll die tolle Rolle zum Kuscheln über dem Po!“

Jason nickt anerkennend, während sich die Umstehenden mühsam das Lachen verbeißen.

„Na, probierst du in den Ferien mal was Neues?“, grinsend schiebt sich eine befreundete Mutter näher heran, um meine verunglückte Hüftregion in Augenschein zu nehmen.

„Jaaa“, nicke ich wage um Fassung bemüht, „ich bin mitten in einem wichtigen Marktforschungsprojekt. Es handelt sich um Funktionswäsche für bloßgestellte Mütter. Da ist extra eine Pufferzone eingebaut!“