two days till madness

Der Weihnachtswahnsinn greift jetzt auch bei uns um sich. Alle drehen ein bisschen am Rad. Ich habe die Zweitklässler von der Leine gelassen und sie sind außer sich. Morgen also lieber keine Werkstatt, sondern Deutschbuch. Schadet auch nicht. Im Diktat (pfui, ja, ich hab eins schreiben lassen) gab es bei einem noch passablen Durchschnitt von 2,9 fünfmal mangelhaft. Das sollte so nicht sein. Die Früstückspausenwitze (Tradition bei den Zweitklässlern, alle essen und einer erzählt Witze) werden auch immer unstrukturierter. Pointen sind offenbar ganz aus so kurz vor Weihnachten.

Leons Opa ist gestern gestorben. Das sollte so auch nicht sein kurz vor Weihnachten. Leon hat geweint, wurde getröstet und hat weiter geweint. Erst wegen Opa später dann noch wegen der Fünf in Deutsch. Der Teufel macht bekanntlich nicht auf den kleinen Haufen. Außerdem gab es heute noch zweimal Musik mit je zwei Klassen. Ja, auch das sollte so nicht sein. Aber wie gesagt, Weihnachtswahnsinn. Unser Hausmeister ist die ganze Woche krank, was furchtbar ist, und mich jetzt vor die Schwierigkeit stellt, die Anlage fürs Feriensingen am letzten Schultag entweder ganz früh morgens oder etwas später mit meiner Klasse aufzubauen. Beides nicht schön.

Ach ja, MamaLennox war da und hat die Stiefel abgeholt. Nein, bedankt hat sie sich nicht. Ist schließlich nicht ihre Idee gewesen. Und außerdem sollte der eine der beiden Kindsväter welche kaufen. Hat er aber nicht. („Der ScheißMistkerl. Alles gibt der immer für seine Neue aus. Aber der Lennox, der will ja immer zum Papa und dann muss ich sehen, wie ich mit dem wieder klarkomme!“) Mission warme Füße geglückt, wo kriege ich jetzt noch auf die Schnelle eine TwoInOne-Packung Liebe/Verständnis her (wahlweise auch Friede/Freude/Eierkuchen, Hunger hatte er heute nämlich auch)? Ich habe gerade keine übrig, das Jahresende zehrt überall an den Reserven. Morgen muss ich die Wichtelpäckchen durchzählen und den neuen Stundenplan für nächstes Jahr austeilen. Ich gebe eine 33er-Religionsgruppe ab und bekomme stattdessen eine zweite Stunde für die CrazyFunkyChicken dazu. Wow! Jetzt will Chefin es aber wissen…

Übrigens habe ich mir heute den Titel leuchtendes Vorbild des Tages verdient. Ich habe eine beeindruckende Spinne (wo kam die her und – wichtiger! – hat sie Familie?), die ganz ohne Zweifel bereits in mehreren Filmen die Hauptrolle gespielt hat, aus der Klasse getragen OHNE DIE MIENE ZU VERZIEHEN! IN DER HAND! Erwähnte ich hier bereits, dass ich disziplinierter Fan des Modelllernens bin? Gestatten, Frau Weh, total unter Kontrolle. Zu Hause hätte ich zum Staubsauger gegriffen. Oder zu Herrn Weh.

In diesem Sinne… noch zwei Tage! 🙂

Ziege, Wolf und Kohlkopf

Es war die Eintagescholera! Heute ist wie neu. Alles prima. Also kann ich mich mit vollem Einsatz einem kniffligen Problem widmen: der neuen Sitzordnung. Es wird fällig, ich komme nicht drumherum. Einige Kinder beschweren sich schon seit geraumer Zeit, dass sie nicht gut von der Tafel abschreiben können und es nur daran liegt, dass sie ihre Hausaufgaben nicht/unvollständig/falsch machen. Da muss eine Lösung gefunden werden. Es ist Zeit, dass sich was dreht. Die Kinder haben sich Sitzreihen gewünscht. (Hah, ihr großen Didaktiker, richtig gelesen: Sitzreihen. Einer hinter dem anderen mit Blick nach vorne. Nicht nur ich bin retro, es hat sich schon übertragen.)

Jetzt habe ich nur ein winziges Problem. WIE SETZE ICH SIE?

Das Verhältnis Mädchen zu Jungen beträgt 1:2, ein Drittel der Kinder trägt eine Brille, ein Sechstel der Kinder hat einen inklusiven Hintergrund, d.h. Beeinträchtigungen der ein oder anderen Art, die bedacht werden müssen. Ein Neuntel der Kinder ist stark verhaltensauffällig und bedarf ständiger Kontrolle, René ist hochbegabt und arbeitet häufig mit Extramaterial.

Aus dem Bauch heraus müsste ein Drittel der Klasse in der ersten Reihe sitzen, ein weiteres Viertel am besten noch weiter vorne. Tom1 hält sich gerne unter dem Tisch auf, Lennox wäre am besten auf meinem Schoß (oder im Tripp Trapp. Mit Bügel.) aufgehoben. Lediglich Nathalie und Amelie sind bereit, notfalls neben einem Jungen zu sitzen und dann auch nur neben René (in den sind vier Mädchen unsterblich verliebt) oder – wenn es nicht anders geht – Benjamin. Der wiederum kann auf gar keinen Fall neben Tom1 oder Tom2 sitzen. Dann fließt Blut.

Victoria und Pauline (beide verliebt in René) sind derzeit zerstritten und buhlen sehr hinterhältig und auf perfide Weise um die Gunst von Mia-Sophie, die idealerweise weit weg von Laura sitzen würde, da diese als Pausenfrühstück meistens Kinder Pingui und Snickers in der Dose hat. Diese mag sie selber zwar nicht, tauscht aber sehr gerne gegen das ungeliebte ökologisch-korrekte Mehrkornbrot von Mia-Sophie. Schon das Wissen darum löst bei Supermom („Mein Kind nimmt keinerlei Zusatz-, Farb- oder andere Stoffe zu sich! Und auf gar keinen Fall Geschmacksverstärker, die verursachen ADHS!“) heftige Reaktionen aus.

Justin und Nick sind über ein paar Ecken mit Leon verwandt. Dies äußert sich turnusmäßig in wilden Auseinandersetzungen auf dem Schulhof („Dein Vater ist ein Arsch!“ „Und deiner hat noch ein Loch dazu!“), es ist ratsam, sie in der Klasse ohne Sichtkontakt zueinander zu setzen.

Früher hieß das mal schwieriges Bedingungsfeld. Heute ist das der Alltag.

Ich schiebe Kärtchen hin. Und her. Testweise schiebe ich auch mal ein Kärtchen in die Parallelklasse oder in die Erziehungsberatungsstelle. Hätte jemand vielleicht mal einen Algorithmus oder eine passende App parat?

 

Die grüne Wolke oder The Last Man Alive

Es ist Samstagmittag und außer dem Pfeifen der Heizung höre ich…nichts. Stille. Wunderbar. Herr Weh hilft bei einem Umzug, das mittelgroße Wehwehchen befindet sich außer Haus und das Miniweh schnorchelt zufrieden in seinem Bett, den Arm voller Kuscheltiere, das Herz voll mit Liebe. Zauber der Kindheit.

Zeit also, um in Erinnerungen zu kramen.

Meinen ersten Kontakt mit den Ideen Alexander Sutherland Neills verdanke ich meiner Kunstlehrerin im 8.Schuljahr, die uns während der Doppelstunden aus der grünen Wolke vorlas, dem Buch, das auf den Fortsetzungsgeschichten basiert, die Neill in den 1930er Jahren seinen Schülern erzählt hat. Und was jetzt hier so hübsch betulich klingt, war es nicht. Die grüne Wolke ist die Geschichte eines Endzeitszenarios, in dem lediglich eine Handvoll Menschen den Auftritt der gleichnamigen Wolke überlebt, und sich dann – Stück für Stück – gegenseitig abmurkst und überlebt. Ich war fasziniert. Später im Pädagogik-LK (nein, da schäme ich absolut nicht für, wir hatten einen großartigen Lehrer, außerdem hatte ich noch Mathe im Abi, ätsch.) erfuhr ich dann einiges mehr über den Reformpädagogen, der die selbstregulative Erziehung in seiner Schule in England propagierte. Übrigens lange vor den 60ern. Im Studium beschloss ich dann – dankenswerterweise von einer Studienstiftung finanziell gut unterstützt – mir selber ein Bild von Summerhill zu machen, ein wenig dort zu arbeiten und Erfahrungen zu sammeln, die mein pädagogisches Leitbild bis heute prägen.

„Muss Summerhill schließen?“ ist eine in englischen Zeitungen häufig zu lesende Schlagzeile gewesen. Boomte die Schule, in der es keine Schulpflicht gibt, aufgrund der gesellschaftspolitischen Entwicklungen der 60er und 70er Jahre, so stürzte der Ruf in den Folgejahren umso tiefer. Kein Geld, keine ausgebildeten Pädagogen, kein Unterricht hieß es häufig. Tatsächlich empfing mich ein recht heruntergekommenes Gebäude als ich nach 16stündiger Reise (damals gab es noch keine Billigflüge, die schnellste Verbindung war der Eurostar) in Leiston, Suffolk ankam. Auf dem Gelände umherrennde Kinder nahmen keinerlei Notiz von mir. Lediglich Churchill, das Hausschwein, äußerte ein geringes Interesse an meinen Schuhen. Das war schon anders als das gerade beendete Praktikum an einer renommierten Domsingschule, bei dem ich mit Pauken, Trompeten und – natürlich – glockenreinem Ständchen verabschiedet wurde. Ich war müde, hungrig und irgendwie auch de-romantisiert. Hatte ich mir nicht vorgestellt, hier auf lauter glückstrahlende Kinder zu treffen, die mich, den Gast aus Deutschland, freudig-neugierig in ihre Mitte nehmen würden? Neben dem Haus hockte ein ca. fünfjähriges Kind laut heulend auf einer Schaukel. Doch auch hier erntete ich auf meine mitfühlende Frage, ob ich helfen könne, nur ein geschnieftes „ah, shut up, you f* bitch!“

???

!!!

Tatsächlich hätte ich in dieser kurzen Anfangssequenz meiner Zeit auf Summerhill bereits bemerkenswert viel lernen können. Wäre ich nur objektiv, offen und einigermaßen wissenschaftlich an die Sache rangegangen. Stattdessen war ich vor allem jung, naiv und persönlich betroffen.

Lektion 1: Summerhill hat so viele Besucher, dass sie keinerlei Besonderheit darstellen. Das ist gut, hat man dadurch doch einen recht unverstellten Blick auf das Schulleben.

Lektion 2: Erwachsene und Kinder sind absolut gleichwertig und gleichberechtigt. Ein wichtiges Prinzip Neills.

Lektion 3: Schimpfworte sind allseits beliebt und nicht unbedingt persönlich zu nehmen. Tatsächlich konnte ich mein Repertoire in dieser Zeit beträchtlich aufstocken. (Es kann ja SO befreiend sein, einem Jugendlichen, der permanent den Unterricht stört, ein gut gesetztes „Verpiss dich aus meinem Raum, bis du dich wieder benehmen kannst, du Sausack!“ entgegenzurufen. Auch das ist mit Gleichwertigkeit gemeint: beiderseitiger Respekt. In meiner ganzen bisherigen Lehrtätigkeit habe ich nie wieder so störungsfreien Unterricht halten können wie in Summerhill. Wenn dort jemand im Kurs saß, dann, weil er es wirklich wollte.)

Als ich an diesem Abend in mein geblümtes Bett in meinem geblümten Zimmer meines geblümten b&bs fiel, habe ich ein bisschen geheult. Zu meiner Ehrenrettung muss ich sagen, dass vermutlich viel Erschöpfung dabei war. Außerdem war es keine gute Idee gewesen, die Reise mit nagelneuen Doc’s anzutreten.

Ich fühlte mich wirklich wie der letzte Mensch auf Erden. Aber es sollte besser werden…

*to be continued*

Alltag hoch 2

Heut wird das nichts.

Ich bin zu müde zum Schreiben. Gestern Abend hatte ich erstmalig eine Klassenpflegschaftssitzung mit den Eltern gleich zweier Klassen. Die Kollegin ist so kurzfristig – der Anruf erreichte mich eine knappe Stunde vor Beginn –  ausgefallen, dass nicht mehr abgesagt werden konnte. Also musste ich die verdutzten Eltern in einer Klasse zusammenpferchen und die Sitzung der Kollegin mitwuppen. Eng war es. Und heiß. (Wäre ich in Stimmung, würde ich jetzt ein enthusiastisches Loblied auf mein neues Deo halten. Hammer! Leider fehlen mir die Worte.)

Übrigens…man muss gar nicht 30 Minuten über gesundes Frühstück debattieren. Es reicht schon, wenn man eine Mutter dabei hat, die ganz vehement den Verzehr von künstlichen Farbstoffen ablehnt. Holla, die Waldfee! Immerhin konnte ich mich erfolgreich gegen eine Weihnachtsfeier und die Zwangsdekoration unseres wirklich schönen Klassenraumes wehren. (Mütter im Bastelwahn. Unheimlich.)

Heute hatte ich dann – ebenfalls krankheitsbedingt – das Vergnügen mit zwei Klassen zu arbeiten. Und zweimal Aufsicht. Und einen Schlag in den Magen. (Der war zwar eigentlich nicht für mich, sondern für einen Drittklässler gedacht, aber dummerweise bin ich dazwischen gegangen. Ich lerne es echt nie.) Und eine Begegnung mit meinem neuen Lieblingsleihhausmeister. Und zwei Klassenbücher aus dem letzten vierten Schuljahr im Fach, in die ich noch den kompletten Musikunterricht eines ganzen Jahres nachtragen muss. Und jetzt kann ich grad einfach nicht mehr und verschwinde aufs Sofa.

Ach ja, die gute Nachricht des Tages: nächsten Mittwoch erscheint der neue Moers. Da freue ich mich drauf.

Underdressed Teil 2

Dummerweise habe ich gestern im Bett Herrn Weh ein Ei an die Backe geschnattert. Das tu ich immer, wenn ich von Elternabenden komme. Ich bin dann voller Adrenalin und Aufregung. Und das muss irgendwo hin. Ebenfalls dummerweise war ich heute früh völlig im Eimer als ich mir mit halbgeschlossenen Augen ein paar Sachen aus dem Schrank zog. Mit mauve-taupe-kariert kann man ja im Herbst nix verkehrt machen. (Pffft, denkste.) Herr Weh jedenfalls war ob der kurzen Nacht dann leider auch ziemlich verdötscht, sodass er auf meine übliche Frage lediglich ein „jajagehtschon“ brummelte. Somit habe ich das Thema abgehakt. (Ich meine, jeder, der morgens mehr als eine Butterbrotsdose zu befüllen hat, weiß doch, wie kostbar da jede einzelne Minute ist und dass man keine Zeit zu verschwenden hat.)

Ja, toller Mist auch.

Im Auto war es mir zwar ein bisschen frisch an den Beinen, aber es wird ja nun Herbst, da habe ich mir noch nichts weiter gedacht. Die erste, die mich dann darauf hinwies, dass mein Outfit für meine Verhältnisse ungewöhnlich unschicklich war, war Kollegin ZudemFeld. Da stand ich gerade am Kopierer und zog den Lebenslauf Arthur Honeggers durch. Beim Gang zur Kaffeemaschine hob Mrs-Sporty grinsend eine Augenbraue und reckte den Daumen. Bevor ich jedoch Stellung nehmen konnte, kam Kollegin Sommer (gerne in starken Farbkombinationen unterwegs), um mich nach der Auswahl der Ganzschrift für meine Klasse zu fragen. Von dieser Seite aus hatte ich also keinen Kommentar zu befürchten. Tatsächlich war ich die restliche Zeit bis zur 1.Stunde mit Zippeln und Zuppeln meines Oberteils beschäftigt. Was soll ich sagen? Mitte Oberschenkel bleibt Mitte Oberschenkel, auch wenn man nur ein wandelnder Meter ist. Nur, dass dann auch der Oberschenkel proportional gesehen kürzer ist, was die Sache genaugenommen kein bisschen besser macht. Glücklich darüber, wenigstens einen ausreichend langen Mantel gewählt zu haben, holte ich dann – fest in eben diesen eingewickelt – meine Zweitklässler vom Schulhof, der kurz nach Schuljahresbeginn immer von wahren Elternscharen bevölkert ist.

Dankenswerterweise nehmen Siebenjährige in der Regel wenig Notiz von modischer Geschmacklosigkeit. Zumindest, wenn sie erst auf den zweiten Blick erkennbar ist. So hatte ich mein durchscheinendes Problem in der 2.Stunde dann auch schon vergessen als ich breitbeinig (dazwischen je einen Ablagekasten Zusammengesetzte Herbstwörter und Das Eichhörnchen auf Nahrungssuche) auf der Fensterbank stand, um die mit viel Liebe von den Kindern gebastelten Herbstblätter auf die verdreckten Scheiben zu kleben. Just in dem Moment, in dem ich mich auf die Stiefelspitzen stellte, um mit hochgereckten Armen auch noch ein paar Blätter nach ganz oben zu kriegen, mir die Tunika von Mitte Oberschenkel auf Mitte Poppes rutschte, ertönte von der hinter mir gelegenen Klassentüre ein lautes „Ööööh!“.

Ich drehe aufgeschreckt den Kopf, sehe einen sichtlich benommenen Leihhausmeister, lasse vor Schreck das Klebeband fallen, das so unglücklich auf der Ablage aufkommt, dass diese unter lautem Getöse und mit allen darin befindlichen Arbeitsblättern zu Boden kippt, verliere – immer noch auf den Stiefelspitzen balancierend – das Gleichgewicht, knalle mit dem linken Knie in die Herbstwörter, rutsche hinterrücks von der Fensterbank, lande auf dem immer noch nicht wesentlich bedeckteren be- sowie empfindlichen Körperteil, kriege eine riesige rote Birne und wünsche mir, der Erdboden möge sich unter mir auftun.

Fairerweise muss ich sagen, dass der Leihhausmeister eine ebenso rote Birne hatte als er sich entschuldigte und mir aufhalf, um dann schleunigst das Klassenzimmer wieder zu verlassen. In den folgenden Stunden konnte ich nahezu spüren, wie das Hämatom an meinem Hintern prächtige Farben annahm. Vermutlich hätte man die sogar durchleuchten sehen können. Aber ich zog es dann vor, den restlichen Schultag im Mantel zu unterrichten.

Wer jetzt an Schokolade zum Frühstück denken musste, hier ist sie, Frau Weh, die Bridget Jones der Schulhöfe. Schön, dass wir Herbst haben, wäre es vor Ostern, hätte ich womöglich noch meine Bunnyöhrchen aufgehabt.

Underdressed Teil 1

Also an der Scheibenkäseproblematik sieht man mal wieder, wie wenig ich aufpasse, wenn ich auf der anderen Seite des Pultes sitze. Es ging natürlich um WURST! Die ist nämlich ab jetzt verboten in der Schule vom Wehwehchen. Käse geht noch, aber zu fett darf er auch nicht sein. Am liebsten Hüttenkäse mit etwas frischem Schnittlauch. Ungewürzt. Salz ist – ja! – verboten. Und weiße Brötchen ebenfalls. Es kam dann auch die Frage auf, ob man nicht vielleicht abwechselnd eine Kiste Möhren und ein paar Sparschäler in der Schule vorbeibringen sollte. Dann könnten sich die Kinder ja als Frühstück ein bisschen Rohkost raspeln. Das war zwar ironisch gemeint, aber einige Mütter schossen ob dieser Steilvorlage bis unter die Decke. Und die ist ja in öffentlichen Gebäuden bekanntlich recht hoch angesetzt. Also, es war richtig schön gestern! Leider hat die Kollegin vormittags unter den Tischen aufräumen lassen, so konnte ich leider keine Betriebsspionage durchführen. Aber ich habe die Van Goghs an der Wand bestaunt und natürlich die technische Versiertheit der Kollegin, die den Abend mit einer Power Point Präsentation geleitet hat. Ich schreib ja immer ganz popelig an die Tafel. Aber mal sehen, vielleicht kriege ich bis Montag ja noch was gezaubert. Hö hö.

Ansonsten hat mich der Elternabend des Wehwehchens vor allem eins gekostet: Schlaf.

Das wiederum hatte heute Morgen peinliche Folgen. Bevor ich später mal davon berichte, seien mir aber bitte eine zwei Randbemerkungen gestattet, die im Verlauf der Geschichte noch an Bedeutung gewinnen:

1. Ich besitze exakt zwei schwarze Leggins. Eine davon ist blickdicht und trägt sich hervorragend unter Tuniken, Kleidern und weiteren entzückenden Dingen, die sich im Wehschen Kleiderschrank befinden und meistens ein Label mit ulkigem Namen aufweisen. Das andere Beinkleid ist… nun ja, irgendwie eben nicht blickdicht und zu meiner Verteidigung kann ich nur anbringen, dass ich vergessen hatte, dass es überhaupt im Schrank lag.

2. Ich gehe immer gut angezogen in die Schule. Nie zu flippig, nie zu spießig, aber immer überlegt. (Ich neige zum Überlegen.) Außerdem habe ich in Herrn Weh einen hervorragenden Anziehberater. Es verhält sich nämlich so, dass, wenn ich mir nicht so sicher bin, ob z.B. ein Rock eventuell zu kurz ist, ich Herrn Weh frage. (Der hat tatsächlich null Ahnung von Mode oder Farben oder solchen Stildingen, aber er ist halt so ein richtiger Mann.) Wenn Herr Weh dann ein entrücktes Lächeln zeigt und sagt „sieht gut aus“, dann weiß ich, es ist nicht für die Schule geeignet und ziehe mich um. So einfach ist das. Und bisher bin ich damit immer hervorragend gefahren. Auf den Gatten ist Verlass in diesen Dingen.

Schule wie sie sein sollte

Golden fließt die Septembersonne durch die Klassenfenster und bescheint eine Szenerie voller Frieden und Lernfreude:

Amelie und Mia-Sophie sitzen mit Justin in der Leseecke und lesen sich abwechselnd aus dem Buch „Eichhörnchen auf Besuch“ vor. Sie lesen ruhig und betont. Zwischendurch lachen sie leise, was aber niemanden stört. Nebenan am Matheregal erklärt Leon Lotte noch einmal anschaulich die Pluminos. Dabei benutzen sie das Anschauungsmaterial zur Verdeutlichung, aber keinesfalls, um sich gegenseitig mit den Plättchen abzuflitschen. Victoria, René und Tom2 sitzen auf den Teppichen rund um den Herbsttisch, sortieren die verschiedenen Nuss- und Kernarten und schreiben eine Speisekarte für das Eichhörnchen. (Es gibt herbstliche Haselnusstorte, Bucheckerbrötchen und wabelhafte Walnüsse. Ich lächle milde über diese entzückend-kreative Alliteration.) Tom1 arbeitet selbstständig und ohne Hilfe im Schreibschriftlehrgang. Nadine, Nathalie und Benjamin bauen einen Kobel aus zuvor gesammelten kleinen Ästen, Rindenstücken und Gräsern. Er ist fast rund und besitzt natürlich zwei Aus- und Eingänge. An den PCs werden herzerwärmende Herbst-Elfchen formuliert. Die Zweitklässler arbeiten konzentriert in der Herbstwerkstatt, die doch wieder mit mehr als 10 gut geplanten und durchstrukturierten Stationen plus Zusatzmaterial aufwartet. Nick streichelt das Stoffeichhörnchen und flüstert ihm Geheimnisse ins Ohr. Über allem liegt himmlische Ruhe.

Ich sitze – ganz Lernbeobachter – glücklich im Hintergrund und fühle, dass ich jetzt und hier genau die Lehrerin bin, die ich immer anstrebte zu sein. Ich bin entspannt und befinde mich im Gleichgewicht zwischen absolutem Wohlwollen und professionellem pädagogischen Abstand zu diesen mir anvertrauten Kinder. Alles fühlt sich gut an und so unendlich richtig.

Da tritt Lennox, dem über Nacht alle vier Schneidezähne gewachsen sind, vor mich hin und sagt – perfekt in Phonetik und Syntax:

„Frau Weeeeheeee? Frau Weeeeheee! Der Leon hat mein Tisss umgesupzt. Jetz iss das Kakao in mein Ransssen! Un die Pauline, die heult jetz, weil is hab sie aus Versehn getretn. Was sags du jetz?“

Widerstrebend öffne ich ein Auge und kehre aus meinem Tagtraum zurück. Das Verlustgefühl trifft mich stark und geradezu schmerzhaft.

Ich schaue Lennox an, der bar jedes oberen Schneidezahns vor mir steht. Ein Blick durch die Klasse offenbart nicht gerade das, was man ein ungetrübtes Bild der Liebe nennen würde. Mein Auge schweift zum Fenster. Dreckig, natürlich, da kommt heute kein güldener Strahl mehr durch.

Ich seufze. So innerlich.

„Habe ich euch eigentlich schon den Witz mit den Giftschlangen erzählt?“

Ärger… Teil 2

Da sich die Kommentare angehäuft haben, mal in Ruhe zum Thema.

Eins vorneweg: ja, Schule ist für Eltern nicht einfach, da stimme ich zu. Und Hausaufgaben sind da noch einmal eine besondere Problemzone. Es gibt keine Hausaufgabe, die für alle Kinder einer Klasse gleichermaßen passt. Da müsste man sich schon totdifferenzieren in der Aufgabenstellung, was wir in der Grundschule ja oft genug auch tun. Dazu kommt dann die Schwierigkeit, dass man als Eltern oft nicht weiß, in welchem Maße Hilfe ok ist.

Aber auch in der Hilfs-Bereitschaft der Eltern gibt es eine enorme Bandbreite. In meiner Klasse reicht sie von MamaLennox, die ihrem Sohn auch eine Woche nach Schulbeginn kein einziges Heft besorgt hat und der Meinung ist, Hausaufgaben wären genau wie der schulische Rest völlig unwichtig, über die gestern erwähnte MamaTom1, die – so ihr Sohn heute – die Seiten für ihn geschrieben habe, „damit es schneller ginge“, bis hin zu MamaLaura, deren Tochter die Hausaufgaben grundsätzlich zweimal anfertigen muss. Ein Vorschreibexemplar und eine korrigierte Fassung, die dann den Weg in die Schule nimmt.

Ich ärgere mich über eine Aktion wie die gestrige, weil ich den Eltern von Anfang an deutlich sage, dass sie sich bei Hausaufgabenproblemen jeglicher Art (zu viel, zu wenig, zu schwierig, zu leicht, Kind heult/trödelt/bekommt Tobsuchtsanfälle/rennt ständig aufs Klo…) an mich wenden können und sollen, damit wir das gemeinsam angehen. In den meisten Fällen hat das Wort der Klassenlehrerin für ein Kind wesentlich mehr Gewicht als das der Mutter. Und oft könnte man sich die nachmittäglichen Kämpfe ersparen, wenn man sich nur überwinden und die Lehrerin mit ins Boot nehmen würde. Warum das manche Eltern nicht machen? Keine Ahnung.

Mir will nicht in den Kopf, dass es MamaTom1 so überhaupt nicht bewusst sein soll, dass sie ihrem Sohn kurz- und langfristig mit solchen Aktionen schadet. Und dass sie ihn durch ihre Handlung zum Lügen zwingt. Die gleiche Mutter, die während des Elternsprechtags schon in Tränen aufgelöst vor mir saß, weil ihr Sohn ihr zu Hause so oft die Unwahrheit sagt. Ja, wen wundert das? Wo und wie soll ein Siebenjähriger differenzieren, dass die eine Lüge in Ordnung ist und die andere nicht?

Würde man jetzt die Zeit aufrechnen, die mich Korrektur, schriftliche Reaktion und das vermutlich morgen anstehende Gespräch kosten, dann würde man schnell und zweifelsohne  feststellen, dass diese Zeit wohl anderweitig besser investiert wäre.

Vielleicht in der Vorbereitung des anstehenden Elternabends…

Ärger, du kannst mich nicht anschmier’n

Boah! Echt jetzt!

Ich korrigiere Schreibschriftlehrgänge. Und, ja, ich mache das gründlich. Gerade habe ich wütend das Exemplar von Tom1 in meine Tasche geknallt. Bei der ersten Seite, die eindeutig nicht von ihm geschrieben wurde, habe ich noch ausradiert und „jetzt mal Tom!“ an die Seite geschrieben. Bei der mittlerweile fünften Seite, die offensichtlich von seiner Mutter angefertigt wurde, fühle ich mich nur noch verarscht.

Was soll das?

Liebe MamaTom1, wenn Sie schon die Hausaufgaben für Ihr siebenjähriges Kind erledigen,

dann benutzen Sie doch wenigstens

die gleiche Schreibschrift!

same procedure as every year

Der Tag begann mit einer ziemlich großen Spinne (tegenaria atrica; übrigens die Spinne des Jahres 2008) im Badezimmer*. Und er ging auch genauso weiter: schnell, stellenweise schwarz und irgendwie haarig.

Neben der weiterhin erkrankten Putzfrau fällt nun auch der Hausmeister für den Rest des Monats krankheitstechnisch aus. Worst case. Die Schule steht vor Dreck, der Musikraum ist immer noch voll bis obenhin, am Donnerstag ist Einschulung und keiner weiß so genau, wohin mit den Eltern wenns regnet. Wir haben nämlich weder Aula noch Turnhalle in der Nähe. Bei größeren Veranstaltungen knubbeln wir uns ins Treppenhaus (geht nicht, furchtbar dreckig) oder in den Musikraum (geht auch nicht, s.o.). Außerdem stellt sich nun die Frage, wer am Donnerstag die Anlage aufbaut. Natürlich ist dies eine rhetorische Frage, denn außer dem Hausmeister und mir kennt sich keiner damit aus. Aber ich habe ja auch noch meine Klasse. Und ich muss für jeden Schulneuling einen Keks backen. Herzförmig.

(Nein, nicht fragen. Es hat was zu tun mit dem Lied Ich schenk‘ dir einen Regenbogen und meiner Unfähigkeit im entscheidenden Augenblick unsichtbar – und still! –  zu sein.)

Wie man sich denken kann, hatten wir heute Konferenz und was soll ich sagen? Es ist als wäre man nie fort gewesen. Alles wie immer. Laut, stressig, durcheinander. Und ich habe mir so vorgenommen, dieses Schuljahr ganz entspannt anzugehen. Hö hö, ich bin da wirklich unverbesserlich. Zwei neue Kolleginnen haben wir auch. Die sahen nach der Konferenz (2 Punkte auf der Liste, 3 Stunden Dauer) ziemlich platt aus. Dabei war das ein guter Schnitt für unsere Verhältnisse. Wir können viel länger.

Jetzt würde ich ja zu gerne noch eine aktuelle Version meiner SCHULKRAM-Liste hier reinschreiben, aber ich habe keine Zeit. Ich muss nämlich schnell noch eine E-Mail an die Eltern schicken mit Stundenplan-, Schwimm- und sonstigen Infos und außerdem dringend meine Unterlagen übers Eichhörnchen raussuchen. Ich fürchte, ich habe sie in einem Anfall von Aufräumwahn entsorgt.

In diesem Sinne, frohes Schaffen!

 

* (was irgendwie auch lustig war, da ich genau einer solchen fetten Spinne gestern bei den ZweimeinerLieblingskollegen begegnet bin. Dort lief sie durchs Wohnzimmer. Und anstelle feste draufzutreten (jahaaa, ich weiß schon…) wurde das arme Ding vorsichtig festgesetzt und in die freie Wildbahn entlassen. Daraufhin ist das Biest offensichtlich schnurstracks zum Hause Weh gelaufen, um dort morgendliche Panik und Schrecken zu verbreiten. Ich verzichte jetzt übrigens extra darauf, ein Bild einzustellen.)