„Ich kann niemanden erreichen“ teilt mir die weltbeste Schulsekretärin mit „wir haben keine aktuelle Nummer vorliegen“. Ich quittiere die Information mit einem Schulterzucken. Es ist nicht das erste Mal, dass Maiks Familie den Telefonanbieter wechselt oder ihnen das Telefon gesperrt wird.
Wieder in der Klasse frage ich Maik, der unter einer Decke im Lesesessel hockt, seit wann Mama und Papa denn im Urlaub sind. „Seit Samstag. Wir haben alle geweint. Mama auch, aber dann sind sie doch gefahren. Sie brauchen ja ihren Urlaub wegen uns allen, weil das alles so anstrengend ist immer.“ Wer sich um ihn und seine fünf Geschwister jetzt kümmert möchte ich wissen. „Das macht die Oma, aber die schafft das nicht alles.“ Ich nicke ihm freundlich zu, mache einen Becher Tee fertig und erkläre, er könne noch eine Weile im Sessel bleiben bis es ihm wieder etwas besser gehe. Die Drittklässler machen verdutzte Gesichter. Sie mögen Maik nicht gerne. Seine Hausaufgaben macht er eigentlich nie, manchmal riecht er komisch. Er sagt seltsame Dinge und irgendwie ist er ihnen auch unsympathisch. Die Tatsache, dass die meisten seiner Geschwister auf eine andere Schule gehen, ist ihnen bekannt und auch, dass seine Eltern ihm regelmäßig sagen, er komme da bestimmt auch hin, weil er dumm sei. Aber dass es ihm gerade nicht gut geht, das merken sie und es tut ihnen irgendwie leid. „Möchtest du ein Stück Apfel?“ fragt Marc. Auch Schmitti beeilt sich und zieht einen Stapel Sammelkarten aus der Tasche. „Du kannst die Schildkröte mit Glitzer haben, die ist voll selten!“
Nach der Schule setze ich Maik ins Auto. Darf ich nicht. Ist mir egal. Er ist verwundert über den Anschnallmechanismus im Kindersitz. Das kennt er nicht. Ein paar Minuten später sind wir angekommen. Nach mehrmaligem Klingeln öffnet die Oma die Tür: „Ja! Was ist denn?“ Ich übergebe ihr Maik und verlange eine Telefonnummer. „Getz stellen Se sich nich an, Frollein! Gib et nich!“
Die männliche Supernanny, mein Freund vom Jugendamt, ist nicht weiter überrascht als ich später anrufe. „Ah, bei dir wollte ich mich die ganze Zeit schon melden. Ich habe noch keinen Termin mit Familie Maik ausmachen können. Da geht keiner ans Telefon.“