Es gibt so Tage…

Dass der Wurm drin ist, merken das Miniweh und ich, als wir pünktlich um 7.00 Uhr vor der Kindergartentüre stehen.

Verschlossen.

Zunächst bin ich irritiert, dann erleichtert, als ein paar Minuten später eine Erzieherin außer Atem die Türe mit den Worten „Der Frühdienst ist krank“ aufschließt. Das Miniweh drückt sich an mich und will meine Hand nicht loslassen. Ermutigend rede ich auf es ein und schaffe es zur Garderobe. „Ich muss Pipi!“ Ich schwitze in meiner dicken Jacke. Trotzdem sich das Miniweh vorbildlich und schnell umziehen lässt, in Rekordzeit ein mittelgroßes Geschäft erledigt und mir drei satte Schmatzer aufdrückt, fehlen mir beim Verlassen des Kindergartens sechs Minuten. Es sind diese sechs Minuten, die mich zwischen zwei Müllautos katapultieren, denen ich sonst entkommen wäre. Aus sechs Minuten werden neun, eine Baustellenampel (war die gestern auch schon da?) tut ihr übriges. Die restliche Fart trommle ich mit den Fingern aufs Lenkrad, der Blick geht immer wieder gehetzt zur Uhr. Endlich auf dem Lehrerparkplatz angekommen trete ich in einen Hundehaufen. Scheiße, denke ich. Wie passend.

Fluchend versuche ich den Schuh am spärlichen Grasbewuchs des Randstreifens zu reinigen.

„Wir fangen pünktlich an!“, zischt die Konrektorin, als ich das Lehrerzimmer 10 Minuten zu spät zur Dienstbesprechung betrete. „Was stinkt hier denn so?“

„Ach“, entgegne ich, „das muss wohl die schlechte Vereinbarkeit von Familie und Beruf sein.“ Ich lasse mich matt auf meinen Platz sinken. Die nächsten Stunden verfliegen. Die Kinder sind unausgeglichen und motzig – es war doch gerade erst Vollmond? Nach meinem Unterricht scheuche ich die Viertklässler auf den Schulhof, um die Klasse abzuschließen, als mir die Konrektorin entgegenkommt, meine Zeugnisse in der Hand. „Die musst du wohl nochmal machen, da ist dir immer eine Zeile verrutscht.“, sie weist auf die entsprechende Linie und lächelt süffisant, „Hast du was am Formular geändert?“

Ich habe keine Zeit für unnötige Diskussionen, das Miniweh muss abgeholt werden. „Ok“, antworte ich daher nur knapp, den Hals zugeschnürt, und greife nach dem Packen, „dann werde ich die mal schreddern.“ Ich lasse die Kollegin stehen, die mir noch irgendetwas hinterherruft – vermutlich hat es mit der medialen Unfähigkeit unseres Kollegiums zu tun. Ich würde mich ja ärgern, aber mir fehlt gerade die Kraft dazu. Es ist jedes Jahr das Gleiche. Irgendwas passiert immer mit den Zeugnisformularen. Vielleicht ist es wirklich meine Unfähigkeit, eine Vorlage auszufüllen, auf einen Stick zu packen und auszudrucken. Wer weiß das schon so genau? Seltsam allerdings, dass es auch den anderen Kolleginnen so geht.

Ich komme noch pünktlich in den Kindergarten, wo mir das Miniweh beglückt in die Arme segelt. Ich drücke es fest. Runterschlucken, denke ich, abhaken und fertig! Das Mittagessen will gekocht, der Spielplatz besucht und die Vokabeln mit dem anderen Wehwehchen geübt werden. Hak es einfach ab, Frau Weh!

Jetzt sitze ich am Schreibtisch und stelle fest, dass es sich mitnichten nur um eine läppische verrutschte Zeile handelt, was durch einen simplen Klick behoben werden könnte. Das komplette Formular ist aus den Angeln gehoben. Neu schreiben. Alle. Bis morgen.

EDIT:

Problem analysiert: Die Vorlage ist in Textmaker erstellt, mein Word ziert sich vonwegen Kompabilität. Nachdem ich nun eine Weile stumme Zwiesprache mit meinem Rechner gehalten (und zwischendurch dem größeren Wehwehchen eine Wärmflasche gemacht habe, was auf eine unruhige Nacht hinweisen könnte), habe ich nun beschlossen, zum ALLERERSTEN MAL meine Zeugnisse nicht pünktlich abzugeben, sondern mich stattdessen ganz entspannt am Wochenende noch einmal dransetzen werde. Heureka! Manchmal mache ich mir selber Angst! :mrgreen: