an apple a day oder: Was ist guter Unterricht?

Frau Schmitz-Hahnenkamp stellt mich auf dem Weg zur Aufsicht.

In Gedanken bin ich noch beim gestrigen Unterrichtsbesuch meiner Referendarin, daher bemerke ich meine Kollegin erst im letzten Moment. Deckung suchen zwecklos. (Ich werde unaufmerksam. Tatsächlich beschäftigt mich die Erinnerung an das Nachgespräch ziemlich. Forderte mich die Fachleiterin doch freundlich, aber auch sehr bestimmt auf, die vorangegangene Stunde anhand eines Rasters verschiedener Handlungsfelder einzuordnen und zu begründen. Seltsam, als ich Referendarin war, musste ich mich selber im Gespräch erklären, da war nie die Rede davon, dass meine Mentorin wie Jeanne d’Arc hervorspringt oder gar schützende Erklärungen vor ihrem Mündel aufbaut. Tja, tempora mutantur, nos et mutamur in illis*.)

Nun aber Frau Schmitz-Hahnenkamp. Dass meine Klasse erneut ihren unbändigen Zorn hervorgerufen hat, war mir klar, als ich heute morgen einen Blick auf meine Schreibtischplatte warf. Was der bösen Hexe des Ostens die roten Schuhe, ist Frau Schmitz-Hahnenkamp das Post-it: rote, gelbe, sogar ein grünes war dabei. Darauf der übliche Beschwerdecocktail: ungemachte Hausaufgaben, verschwundene Arbeitsblätter und freches Klientel. Alles in meiner Klasse! Bevor sie jedoch ihren Monolog über meine pädagogischen Unfähigkeiten und deren Auswirkungen auf die Viertklässler beginnen kann, schneide ich ihr das Wort ab:

„Frau Schmitz-Hahnenkamp, ich denke, es wird Zeit: Du solltest dich unbedingt einmal aufmerksam mit den 10 Merkmalen guten Unterrichts befassen.“

Ihr Blick wechselt von empört zu unfassbar empört. Schon holt sie Luft und lässt eine ganze Salve auf mich nieder. Was ich mir denke, was ich da sage, sie träfe gar keine Schuld, das sei schließlich meine Klasse, sie fühle sich nur mitverantwortlich und wolle mir helfen, aber sie merke schon, das sei vergebliche Liebesmüh, ich wäre ein schwieriger Charakter und sie wolle nur nett sein, mich informieren über die katastrophalen Zustände, aber so etwas wäre ihr noch nicht passiert, guter Unterricht, pah! natürlich gäbe sie sehr guten Unterricht!

Ich ziehe einen Apfel aus der Tasche und beiße genüsslich hinein. Endlich ist sie fertig und schaut mich pikiert an – möglicherweise, weil es mir nur unzureichend gelingt, mein Grinsen zu verbergen. Aber was soll ich auch tun? Die Kollegin geht ab wie Schmitz Katze! Als sich bereits eine interessierte Schar kleiner Menschen um uns versammelt hat (was tun die da? Schließen die etwa Wetten ab?), sehe ich mich genötigt die Situation aufzuklären:“Das ist wirklich ganz furchtbar spannend, was du da sagst, aber ich weiß gar nicht, wovon du redest!? Eigentlich wollte ich dir nur mitteilen, dass sich die OVP** geändert hat und du darauf gefasst sein musst, dass du nach dem Unterrichtsbesuch von Frau Kahle um eine Stellungnahme gebeten wirst. Die Fachleiterin wird Karten mit Handlungsfeldern, Kompetenzen und Standards auf den Tisch legen. Da kommen ein paar Kernpunkte von Hilbert Meyer ganz gut an. Ich wurde davon gestern ziemlich überrascht, also dachte ich, ich sag dir das netterweise vorher. Von einer Kritik an deinem Unterrichtsstil“, und nun schüttle ich verwundert den Kopf, „kann hier wirklich keine Rede sein. Wie kommst du denn bloß auf so etwas?“

 

* Die Zeiten ändern sich und wir uns mit ihnen. Von Ovid, nicht von Weh.

** OVP steht in diesem Zusammenhang mitnichten für Originalverpackung, sondern für Ordnung des Vorbereitungsdienstes und der Staatsprüfung für Lehrämter an Schulen. Ein ziemlich wichtiges Schriftstück.

Outing

Ich muss es jetzt einfach mal loswerden:

Ich liebe Ganztagskonferenzen!

Niemand, der hektisch an meinem Pulli zupft oder den ich mit einer Frage aus dem Tiefschlaf reiße. Und diese anfänliche Stille! Ach… schön. Den ganzen Tag gemütlich rumsitzen, mal hier, mal dort einer Arbeitsgruppe zugeteilt werden, Kaffee trinken und sich von Experten (oder solchen, die sich dafür halten) zu stets aktuellen Themen (Schulprogramm! Qualitätsanalyse! Inklusion!) belehren lassen. Nebenbei Arbeits- und Fördepläne erstellen, Sachen ausschneiden, Aldiprospekte durchblättern. Zusehen, wie dramatische gruppendynamische Entwicklungen vom Kollegium Besitz ergreifen und hektische rote Flecken von Wangen auf Dekolletés plumpsen.

Ich liebe es.

Wenn es läuft, hat man sich am Ende des Tages gut erholt, den Unterricht für die Folgewoche geplant und eventuell sogar noch was dabei gelernt. Ehrlich, ich möchte mal eine ganze Woche lang nur konferieren!

Frau Schmitz-Hahnenkamp

Es ist eine Frage der Zeit, wann es zum Ausbruch kommt. Ich spüre bereits erste Erschütterungen.

Das neue Schuljahr ist gerade eine Woche alt und meine Magenschleimhaut verpickelt sich schon vor lauter Ärger. Kollegin Schmitz-Hahnenkamp treibt mich in den Wahnsinn. Ich bin mir nur noch nicht sicher, ob sie das aus Berechnung tut, oder ob es wirklich Menschen gibt, die einfach so sind.

Jeden Tag ist irgendwas, das sie mir brühwarm und mit äußerster Empörung vorhält:

  • Mittwoch, 1.Schultag: „Dein Giuliano hat meine Mia-Sophie auf dem Schulhof ganz brutal zur Seite gestoßen! Das hat der auch im letzten Schuljahr immer schon gemacht.“
  • Donnerstag, 2.Schultag: „Also deine Celina, die weiß ja in Mathe überhaupt nichts! Sollen wir die nicht lieber mal ganz schnell an die LB-Schule abgeben ehe es zu spät ist?“
  • Freitag, 3.Schultag: „Du möchtest, dass ich mich auf dem Elternabend deinen Eltern vorstelle? Nein, das mache ich eigentlich nicht. Die können ja zu mir kommen, wenn etwas ist. Und die Lerninhalte erklären? Also da können die wirklich mal ins Mathebuch gucken!“
  • Montag, 4.Schultag: „Dein Sinan benimmt sich UNMÖGLICH! Du hättest mal hören sollen, was der zu meiner süßen kleinen Daphne gesagt hat! Dem habe ich eine Woche Pausensperre gegeben. Der guckt ja auch schon morgens immer so böse auf dem Schulhof rum. Ganz böse!“
  • Dienstag, 5.Schultag: „Ich finde es besser, wenn deine Kinder in meinen Klassenraum kommen für Mathe. Ich unterrichte lieber in meinem Klassenraum. Ach, du meinst, ich müsste dann dort auch Platz für Material schaffen? Nein, darüber habe ich noch nicht nachgedacht, das können die doch jedesmal mitnehmen!“
  • Mittwoch, 6.Schultag: „Nein, ich habe die Brotdosen deiner Klasse nicht kontrolliert! Ich habe nur diejenigen besonders hervorgehoben, die gesundes Vollkornbrot dabeihatten! Dass Nino sein Marmeladenbrot dann weggeworfen hat, habe ich nicht gesehen. Und die Mutter hat sich wirklich schon deswegen bei dir beschwert? Was fällt der denn ein? Das ist ja unmöglich! Die sollte sich lieber mal Gedanken um ein gesundes Frühstück für ihren Sohn machen. Der ist übrigens ganz schön frech!“

Ehrlich, ich brech zusammen!

I say tomato, you say tomahto

Erstes Arbeitstreffen mit Frau Schmitz-Hahnenkamp.

Es ist heiß in der Klasse und ein bisschen ist es wie beim Paso Doble, um jeden Zentimeter wird gekämpft. Noch ist nicht ganz klar, wer hier Torero und wer der Stier ist, an roten Tüchern herrscht jedoch kein Mangel: Lernstandskontrollen, Arbeitspläne, Hausaufgabengestaltung. Keine Einigung in Sicht. Tomato, tomahto, potato, potahto. Wir feilschen. Wir wissen beide, dass unser Konfliktpotential das höchste unter allen Paarungen im Kollegium ist. Können Lehrerpersönlichkeiten noch weiter auseinander sein als wir? Wohl kaum.

Aber ich WILL das hinkriegen. Was Frau Schmitz-Hahnenkamp will, ist nicht so leicht ersichtlich. Eigentlich möchte sie ihr Ding durchziehen. So wie immer. Also vergleichen wir Ideen, wägen Stoffverteilungspläne ab und stellen uns unausgesprochen die Frage nach der (Un-)Möglichkeit einer gemeinsamen Zusammenarbeit. In Gedanken trauere ich meinem alten Team hinterher und bemerke wieder, wie sehr ich das Arbeitsklima geschätzt habe; wie sehr wir Kolleginnen, aber auch unsere Klassen davon profitiert haben, dass wir ein gemeinsames Ziel vor Augen hatten. Stattdessen prallen nun zwei gegensätzliche pädagogische Ideologien aufeinander. PAMM.

Es ist anstrengend. Und es dauert. Am Ende haben wir uns auf einen Weg geeinigt, der irgendwie gangbar scheint. Mal sehen, ob wir draufbleiben oder die ganze Teamsache wieder abblasen.

Man darf gespannt bleiben.

Neuigkeiten

Frau Schmitz-Hahnenkamp also…

Jetzt ist es offiziell, wir bilden ab nächstem Jahr ein Team. Während die Kollegin beim Zusammentreffen auf dem Flur unverhohlen eine Art freudiger Erregung an den Tag legte, die mich empfindlich an die Vampire in True Blood erinnert, befinde ich mich noch in einer Art Trancezustand als ich bei Chefin im Büro sitze. Hatte ich doch bis zuletzt gehofft, der Kelch möge an mir vorübergehen. „Ihr zwei arbeitet dann eng zusammen, in Ordnung, Frau Weh?“, Chefin blickt mich besorgt an. „Ich arbeite immer gut im Team!“, entgegne ich leicht unter Schock stehend. „Dass du das tust, weiß ich“ antwortet Chefin mit einem leichten Seufzer, der aber auch ein nicht sehr gekonnt unterdrücktes Aufstoßen sein könnte. „Das wird schon funktionieren“,  sagt sie mehr zu sich selber als zu mir, die ich ich schon auf dem Weg aus dem Büro bin. Ich hatte es schon länger geahnt, aber nicht wahrhaben wollen. Dabei konnte ich mir das ausrechnen, war doch nur noch eine Klasse lehrerlos.

Mit betretener Miene kommt mir die weltbeste Sekretärin entgegen, schokoladiges Trostpflaster in der Hand. „Ausgerechnet du!“, meint sie mitfühlend und streckt mir die Knusperflocken entgegen, „wo die doch mit niemandem zusammenarbeiten kann.“ „Ach“, mischt sich da Frau Abendroth ein, die bis eben fluchend vor dem Drucker hockte, „wenn das einer schafft mit ihr, dann bist du das!“ und knufft mich in die Seite. „Lass dich bloß nicht unterkriegen und zieh dein Ding durch!“ Auch Kollegin Kraft bekundet Anteilnahme, legt den Stapel mit den Zegnissen auf dem Tisch ab und streckt mir ihren hochgereckten Daumen entgegen.

Eine Woge der Empörung brandet mir in meiner Klasse entgegen. Die Zweitklässler sind außer sich. „Wieso bekommen die dich und wir kriegen Frau Schmitz-Hahnenkamp?“ Dass Frau Schmitz-Hahnenkamp die neue Klassenlehrerin wird, haben sie einigermaßen verdaut, wenn auch bei einigen die unverhohlene Angst ins Gesicht geschrieben steht. Dass sie mich jetzt allerdings auch noch an eine ungeliebte Parallelklasse verlieren sollen, sind sie nicht zu verzeihen gewillt.

„Jetzt ist es endgültig, ab nächstem Jahr bin ich mit Frau Schmitz-Hahnenkamp zusammen“ erzähle ich Herrn Weh kauend am Tisch. Herr Weh hält inne, die Gabel mit der aufgespießten Kartoffel in der Luft. „Ach, du Scheiße!“

Na, wenn das nicht Mut macht.

Mist…

Und jetzt mache ich mein Versprechen wahr, verbanne den Privatkram und lasse euch mal herzlich auflachen. Oder auch nicht.

Wie dem auch sei: Erinnert ihr euch an die KOPIENANZAHL-Liste? Mit deren Hilfe ich letzte Woche mein Ego aufpolieren konnte, weil ich so unermesslich viel weniger Kopien als manche Kollegin gezogen habe? Die ominöse Liste, die eine ganze Pause lang für Missstimmung im Lehrerzimmer gesorgt hat? (Nebst einer aufkeimenden Meuterei „lasst uns doch alle unsere Pin-Nummern aushängen. Wer will, bedient sich einfach!“). Leider sehe ich mich genötigt heute etwas aufzuklären:

Wir haben zwei Kopierer. Einen sehr modernen in schickem Grau, der schnell arbeitet, ans Netzwerk angeschlossen ist und wahrscheinlich eine ganze Menge Dinge kann, von denen wir nie etwas erfahren werden. Sein großes Manko ist die unverständliche Bedienung. Wenn man nicht genau hinsieht, kann es durchaus passieren, dass das Gerät statt der gewünschten 10 Kopien plötzlich 1000 in Auftrag gibt. Der wichtigste Befehl ist daher NEIN. Da muss man wirklich ständig draufdrücken, sonst macht der Kopierer, was er will. Im Falle eines seltenen Papierstaus muss ein Techniker gerufen werden, der dann den Rest des Tages auf dem Gang kniet und uns eine gewisse Region seines Körpers präsentiert, die wirklich niemand sehen möchte. Nein, auch keine der älteren Kolleginnen.

Der andere Kopierer ist schon etwas angegrabbelt. Eierschalenfarben. Kann A3, macht aber leider oft Streifen. Er ist langsam und Folien? Nein, die lehnt er kategorisch ab. Wenn er einen Papierstau hat, hilft Fluchen und ein kräftiger Tritt gegen das untere Papierfach. Ansonsten arbeitet er behäbig, aber zuverlässig. Diesen Kopierer benutze ich nur im äußersten Notfall.

(Bei den Kolleginnen verhält es sich genau andersherum. Möglicherweise spielt da die beginnende Altersweisheit eine Rolle, vielleicht hat man im Alter einfach mehr Zeit zur Verfügung. Oder man nimmt sie sich einfach. Jedenfalls wählt der Großteil des Kollegiums das rechte Gerät. Dieser Umstand wird noch eine Rolle spielen.)

Wie sich jetzt allerdings herausgestellt hat, zählt der moderne Kopierer einfach nicht mit. Er macht also keine Einzelabrechnung sondern spuckt nur eine immens große Zahl mit vielen Nullen aus. Um diesen Missstand auszumerzen, hat Chefin jetzt kurzerhand die Gesamtzahl der Kopien auf alle umgelegt.

Ähem.

Es stellen sich nun ein paar Fragen:

  1. Habe ich tatsächlich doch so viel auf dem rechten Gerät kopiert, dass rund 8000 Blatt zusammenkamen? WAS habe ich denn alles kopiert?
  2. Verdammt, wie hoch muss mein tatsächlicher Anteil gewesen sein, wenn die Kolleginnen zu solch horrenden Zahlen kommen?

Mist. Nix mit Nachhaltigkeit. Aber ich bleibe dran!

mein BAK, dein BAK

Überraschenderweise verlief der heutige Tag in keinster Weise so unangenehm wie ich es noch vor 13 Stunden erwartete. Denn trotz Montag, sechs Stunden Unterrichts, 2 Stunden CrazyFunkyChicken-Probe und anschließendem 1.Hilfe-Auffrischungskurs bin ich guter Dinge und fühle mich seltsam fröhlich. Recht ungewöhnlich für einen Montagabend. Nicht wahr?

Ob es wohl daran lag, dass ich plötzlich und sozusagen auf dem kleinen Dienstweg einen neuen Schüler bekam? Jurij – bis eben noch Drittklässler – fügte sich jedenfalls nahtlos in Größe, Verhalten und Leistungswillen bei den Zweitklässlern ein, lieferte sich in der Pause ein gepflegtes Gedränge mit Justin und Nick und bekam dafür einen anerkennenden Nackenklatscher von Tom2 verpasst. Kurzum: mit allen Ehren in die Gemeinschaft aufgenommen. Integration geglückt.

Oder lag es wohl darin begründet, dass ich im Musikunterricht mit ebenjenen Drittklässlern, die nun – Jurij ausgenommen, denn der befand sich zu diesem Zeitpunkt bereits bei den Zweitklässlern – noch ein wenig aufmüpfiger schienen als sonst schon, entgegen meiner sonstigen Gewohnheiten den treuen Roland ein paar Tacken nur lauter gedreht habe und ihnen so ein paar Dezibel mehr um die Ohren schoss? Netterweise in Form des unsäglichen Ai Se Eu Te Pego von Michel Teló verbunden mit strengen Rhythmusauflagen („finde die 1. Mache sie akustisch kenntlich“). Woraufhin die Meute glückselig de(zi)bil grinsend erstmalig nicht nur den Grundbeat sicher erkannte, sondern auch noch treffsicher die 1 im Takte fand. Oh, ich war hingerissen.

Vielleicht war es aber auch das Lob, das ich unerwartet bekam, als ich der gestrengen Mitarbeiterin des Roten Kreuzes schon nach der ersten Ansage – bewusstloses Kind! – ein klares und deutliches BAK* entgegenwerfen konnte. Woraufhin sie strahlte und strahlte, glücklich über das offensichtlich ungewohnte Feedback. Als sich dann noch herausstellte, dass mein Kopf klein genug ist, um zu Anschauungszwecken einen Kinderfahrradhelm darüberzustülpen, oh, da war es um sie geschehen. Fortan war ich der Einäugige unter den Blinden und als lebendes Übungsobjekt für die reizenden Kolleginnen auserkoren. Geschmälert wurde dieses Glücksgefühl (das meinige!) lediglich durch die Tatsache, dass sowohl Kollegin Kraft als auch Mrs.Sporty ihrer Desodorantien nach langem schweißtreibendem Unterrichten verlustig gingen. Sowas kriegt man ja sonst nicht unbedingt mit, aber wenn man bewusstlos-spielend auf der Isomatte liegt, spielt man dies eben doch nur. Der Geruchssinn lässt sich leider nicht willentlich abschalten.

Aber das sind ja alles Kleinigkeiten und stört keinen großen Geist. Hirn und Nase konnte ich mir dann auf der Heimfahrt freipusten lassen. Frau Weh fährt doch gerade einen schnittigen kleinen Leihwagen. Und huuuuuuuuiiiiii! Das ist wirklich mal was Anderes als das Familienschiff. Nett, nett.

Insgesamt also ein unerwartet freundlicher Tag. Aber verzagt nicht, liebe Leser, morgen ist ja erst Dienstag…

*BAK meint in diesem Zusammenhang nicht etwa die Blutalkoholkonzentration, sondern ist eine Merkhilfe für lebensrettende Sofortmaßnahmen. B(ewusstsein), A(tmung), K(reislauf). Das gleichklingende Deo schreibt sich mit c und wäre heute eine gute Anlage unter den Achseln meiner mich seitenstabilisierenden Kolleginnen gewesen. Aber man kann ja nicht alles haben. Dumm nur, wenn man die Luft anhält und daraufhin der spitze Schrei ertönt „Sie atmet nicht, wie ging nochmal die Herz-Lungen-Massage?“

 

Gastbeitrag

Lieber Patrick,

da dieser Kommentar nach Herrn Wehs (und auch meiner) Meinung zu schön ist, um einfach im www unterzugehen, habe ich mir die Freiheit genommen und setze ihn hier einfach noch einmal groß rein. Soviel Solidarität unter (Grundschul-)Lehrerinnengatten sollte wirklich unterstützt werden! Und von mir aus dürfte Herr Weh hier gerne öfters schreiben, macht er ja schließlich äußerst nett. Und wenn ich so beim Aufbau einer Selbsthilfegruppe behilflich sein kann, bin ich das wirklich gerne. Et voilà:

Um einmal Ihrem Wunsch nach mehr Kommentaren nachzukommen: Sie sind tatsächlich nicht allein, Herr Weh!

Auch ich gehöre der Spezies der Grundschullehrerinnen-Gatten an und bin großer Anhänger dieses Blogs – zumal ich manchmal glaube, meine Frau Weh (ich habe auch eine) würde diese Zeilen verfassen, so bekannt kommen mir die Erlebnisse vor. Wenn es dann um das musikalische Talent Ihrer Frau Weh geht, bin ich mir dann doch wieder sicher, dass es sich nicht um die selben Personen handelt (meine Frau Weh singt zwar auch, mit gar…räusper…lieblicher Stimme…aber lassen wir das).

Wie dem auch sei, Sie können sich meiner Solidarität gewiss sein. Vielleicht könnten wir sogar eine Interessenvereinigung gründen, die sich für die Förderung unserer Qualifikation einsetzt: Duden-Kurs, um beim Korrekturlesen der Elternbriefe keine Fehler zu übersehen; Bastel-Workshop, um bei der Unterrichtsvorbeitung mit Schere und Kleber endlich einmal eine produktive Hilfe zu sein; Kommunikationswochenende zur Vorbereitung auf unsere Rolle als Begleiter zu außerschulischen Veranstaltungen, bei denen man gegenüber den Eltern einen guten Eindruck machen muss; vielleicht schaffen wir es auch, für uns die Chance auf Verbeamtung zu erwirken, denn diese Möglichkeit war in der Stellenbeschreibung bisher gar nicht vorgesehen.

Also, Herr Weh, bleiben Sie dran, ich bleib es auch!

Und an Frau Weh: Ich fordere, dass Herr Weh regelmäßig in diesem Blog zu Wort kommt. Denn auch ich bin auf Tipps und Tricks Gleichgesinnter angewiesen und freue mich stets, zu hören, dass andere Grundschullehrerinnen-Gatten irgendwo da draußen sind…

Disziplinarmaßnahmen

„Können Sie mir das erklären?“

Hilfesuchend wendet sich Renés Mutter an mich. Sie hält einen gelben Zettel in der Hand. Ich muss kurz meine Synapsen aktivieren. Die sechste Stunde ist gerade vorbei und ich suche in meinem Gehirn nach einer Stelle, an der die Information René-Mutter-Problem andocken könnte. War da was? Was war denn da? Aaaaahja… ich musste mal wieder zwei Stunden zum Sprachtest in den Kindergarten währenddessen meine Klasse verteilt war. Kollegin Müller, die unter anderem René und Tom1 zugeschoben bekam, beschwerte sich in der kleinen Pause bei mir über das Verhalten der beiden.

„Gar nicht stillsitzen konnten die. Keinen Moment. Da waren meine Erstklässler ja weniger wuselig! Ich habe den beiden einen Regelzettel mitgegeben.“

Ja nun, wir wissen alle, dass das stumpfe Abschreiben von Regeln nur ein Ausdruck pädagogischer Hilflosigkeit ist. Eine Verhaltensänderung zieht das jedenfalls nicht nach sich. Dennoch gebe ich auch wennsdenngarnichtandersgeht als Sofortmaßnahme schonmal den Auftrag, über das soeben gezeigte Verhalten zu reflektieren. (Schriftlich. Mit Unterschrift der Eltern. Ich werde ja als Mutter auch ganz gerne darüber informiert, wenn der Nachwuchs sich daneben benimmt.) Und manchen Schülern gelingt sogar zum Thema „Was sind die Auswirkungen andauernden Pfeifens während des Religionsunterrichtes?“ ein literarisches Kleinod. Und überhaupt schreiben die Kinder heute zu wenig. Training tut also Not. Immerhin – und da sind wir uns im Kollegium ja auch alle einig – lassen wir keine stupiden Sätze abschreiben, sondern bauen auf die drei Stützpfeiler moralischen Handelns Erkenntnis, Einsicht und Verhaltensänderung.

Ich erkläre der Mutter, die ich übrigens für ihren realistischen Blick auf die eigene Brut sehr schätze, also die Situation. Sie sei, sagt sie, erleichtert darüber, dass die Versetzung nicht gefährdert sei. René habe so geweint als er nach Hause kam. Ich bin irritiert, blicke auf den verwarngelben Zettel und lese 20x

Ich bleibe sitzen! Ich bleibe sitzen! Ich bleibe sitzen! Ich bleibe sitzen!

Ich bleibe sitzen! Ich bleibe sitzen! Ich bleibe sitzen! Ich bleibe sitzen!

Ich bleibe sitzen! Ich bleibe sitzen! Ich bleibe sitzen! Ich bleibe sitzen!

Ich bleibe sitzen! Ich bleibe sitzen! Ich bleibe sitzen! Ich bleibe sitzen!

Ich bleibe sitzen! Ich bleibe sitzen! Ich bleibe sitzen! Ich bleibe sitzen!

 

Oha…

 

Bitte nicht stören

Gestern bin ich im Baumarkt unterwegs gewesen. Energiesparlampen, ein neuer Klodeckel (die Wehwehchen kriegen Klodeckel klein wie Termiten ein Gartenhäuschen, unvorstellbar), dies und das. Im Mittelgang zwischen Schwingschleifern und dem Schöner-Wohnen-Farbwelt-Mischer stand eine kleine Holzbank. Ein hässliches flaches Kissen lag auch darauf. Darüber ein Schild mit der Aufschrift

RUHEZONE

FÜR UNSERE KUNDEN

BITTE NEHMEN SIE PLATZ!

Im Radius von 3 Metern standen verschiedene Monitore, auf denen lautstark  Do it yourself-Videos liefen („Führen Sie den Exzenterschleifer mit leichtem Andruck über die Arbeitsfläche“, „…fragt man sich häufig, welcher Mörtel füllt Fugen zuverlässig…“, „Um den Zylinder zu fixieren, werden nun Zylinder und Schloss miteinander verschraubt“). Die plärrende Durchsage („Frau Wink-Lammel 208, Frau Wink-Lammel bitte!“) komplettierte das akustische Fiasko. Außerdem zog es wie Hechtsuppe. Fürwahr, ein schöner Platz zum Verweilen. Wie verzweifelt oder fertig muss man sein, um gerade hier auszuruhen?

Nun, ich weiß es.

Unser Lehrerzimmer ist auch so ein theoretischer Ort der Ruhe. Praktisch will immer irgendjemand irgendwas von einem. Mal ein paar Minuten Ruhe tanken? Für einen kurzen Moment die Gedanken oder das Material für die nächsten Stunden sammeln? Fehlanzeige. Die größte Hürde liegt in der offenen Tür des Chefinbüros. Da kommt man in der Regel nicht vorbei, ohne einen Auftrag oder einen Kommentar mitzunehmen, den man bis dato gar nicht vermisst hatte. Ich wollte heute nach sechs wahrlich zermürbenden Stunden einfach nur kurz meine Sachen holen und der Referendarin Mut zusprechen. Unglücklicherweise hatte ich die Rechnung ohne Chefin gemacht.

„Aaaah, Frau Weh!“

„Hmmja?“

„Weißt du, ob die schulinternen Curricula für Musik und Religion bereits existieren?“ Blöde Frage. Denn erstens gibt es außer mir niemanden, der das machen würde und zweitens habe ich das noch nicht gemacht. Sonst wären sie ja da. Ich weiß das. Chefin weiß das. Aber irgendwie muss man das Gespräch ja beginnen.

„Ich weiß nicht, hat die schon jemand geschrieben?“ Manchmal hilft es ja, sich blöd zu stellen.

„Das ist wohl deine Aufgabe.“ Ach nee. Überraschung.

„Ja dann… bis wann?“

„Also Montag…“

„BITTE!?“

„Also Montag sprechen wir in der Konferenz darüber. Es fehlen ja noch andere Arbeitspläne. Kunst zum Beispiel. Du bist doch so engagiert im Kunstbereich…?“

Ich nehme die Beine in die Hand und renne ins Lehrerzimmer. Dort lasse ich mich auf einen Stuhl und meinen Kopf mit einem lauten POING auf die Tischplatte fallen. Die Referendarin schaut mitleidsvoll von ihrem Unterrichtsentwurf auf. Ich entwickle mehr und mehr Verständnis für Kollegen, die sich Sofas, Aquarien und Kaffeemaschinen in ihre Klassen stellen. Der Weg ins Lehrerzimmer ist immer so anstrengend. Ich nehme mir vor, morgen die Senseo einzupacken und mitzunehmen. Außerdem Hammer und Nagel, damit ich meinen Mantel nicht mehr an der Lehrergarderobe aufhängen muss. Vielleicht noch ein hübsches Kissen für meinen Schreibtischstuhl. Oh, und unbedingt so ein Schild BITTE NICHT STÖREN. Nach dem Auspacken und Einrichten kann ich mir die leere Tüte dann prima über den Kopf stülpen.

Falls ich doch noch einmal am Büro vorbei muss.