problemorientierter Matheunterricht

Die Aufgabe:

Flex und Flo 1aus Flex und Flo, Rechnen bis 10, Diesterweg

Die Reaktionen:

Wieso haben die denn Bügel?

Die eine nicht. Das ist gemein!

Was sind das … Bügel?

Die gehen in die Pause!

Drei sind ohne Jacke rausgegangen. Die werden jetzt von der Aufsicht wieder reingeschickt, weil, im Winter darf man das nicht.

Aber da ist nicht Winter, die haben keinen Schal.

Und keine Mütze.

Handschuhe!

Die sieht man ja nicht, die liegen ja meistens eh auf dem Boden.

Nur bei dir, du Doofi!

Du bist selber ein Doofi! Frau Weh, die hat Doofi zu mir gesagt!

Die gehen nicht in die Pause, dann würden die nämlich rennen. Die sind in der Betreuung.

In der Betreuung gibt es keine Haken für die Jacken. Die müssen wir immer hier lassen.

Und holen. Voll blöd! Findet meine Mama auch. Die hat das gestern extra gesagt!

Wir sollen da was rechnen.

Immer sollen wir rechnen!

Können wir singen?

Ich hol dir die Gitarre, Frau Wehchen!

Nee, jetzt müssen wir echt rechnen! Guck doch mal an die Tafel, da steht doch FL … E … X un …d F … LO!

Ich weiß es. Ich weiß es. Ich weiß es!

3 + 3 ist das nämlich!

Nee, das ist minus. Die gehen weg.

Die gehen hin!

Nee!

Wohl!

6 – 3 ist auch ok, sagt Frau Weh. Die muss das ja wissen.

Das sind Tauschaufgaben!

Was sind Tauschaufgaben?

Tauschaufgaben! Da tauschst du um.

Ich tausch nicht! Das hat meine Mama mir verboten, weil, wenn du tauschst, dann gibt das immer Ärger nachher!

Leider konnte nicht weiter protokolliert werden. Die Praktikantin brach lachend hinter ihrem Tisch zusammen. Das muss sie aber wirklich noch üben!

 

Strichlisten

„Und bei dir?“
Wir sitzen am Frühstückstisch und unterhalten uns über den vor uns liegenden Tag.
„Heute ist es ganz entspannt“, beantworte ich die Frage von Herrn Weh mit vollem Mund. In den letzten Tagen haben die Erstklässler mir ausnahmslos Freude bereitet. Ich schlucke einen Bissen Marmeladenbrötchen herunter. „In Mathe kommen Strichlisten dran, das sollte eigentlich kein Problem sein.“ Zur Freude meiner Kinder recke ich die Faust in die Luft und beschwöre gestenreich die Kraft der Fünf. Das Miniweh tut es mir umgehend nach: „Ja, die Kraft der Fünf… fünf was eigentlich, frage ich mich?“ Es nimmt die kleine Hand wieder herunter, kratzt sich hinter dem Ohr (sofortiger Läusescan: negativ!) und schaut fragend das größere Wehwehchen an. Welches – was wirklich ungewöhnlich am frühen Morgen ist – erstaunlich guter Dinge die Stimme zu einem geheimnisvollen Raunen senkt und dem Geschwister beschwörende Worte ins Ohr flüstert: „Wiggle wiggle! Die Kraft der Füüüühüüüünf“
Ach, hätte ich zu diesem Zeitpunkt doch schon über das Wissen verfügt, das ich bei der nächsten Familienmahlzeit anbringen kann… 11 Stunden später:
„Und wie war es mit der Kraft der Füüüüünf?“
„Pfft, frag besser nicht! Ein Drittel hat nicht zugehört und einfach wie wild Striche nebeneinander gesetzt. Und untereinander. Übereinander. Durcheinander! Das zweite Drittel hat einfach eine waagerechte Linie durch alle senkrechten Striche durchgezogen.“
„Und das dritte Drittel?“, fragt das größere Wehwehchen stirnrunzelnd; offensichtlich hat es mitgezählt. „Das dritte Drittel? Na, das war im entscheidenden Moment auf dem Klo.“
Tatsächlich war das mit den Strichlisten viel schwerer, als zuvor angenommen. Das Zählen an sich bereitet den Erstklässlern gar nicht mal so große Probleme. Was haben wir nicht alles gezählt an diesem Morgen: Kakaoflaschen (19), Cocktailtomaten (5), geringelte Strümpfe (4), Brillen (ebenfalls 4), Bohnen im Glas (da schwankten die Ergebnisse zwischen 29 und 136, wir prüfen das noch nach), große Brüder (5) und Spinnen auf der Mädchentoilette (2). Alles easy-peasy. Aber das korrekte Anfertigen einer Fünferbündelung? Allgemeine Verunsicherung und große Augen. Was will die Frau da vorne von uns? Dabei habe ich mir solche Mühe gegeben. Super Tafelbild, nette Rahmengeschichte. Tja, war wohl nix!
„Wo müssen die Fische hin?“, fragt mich also Tim und hält mir sein Mathebuch unter die Nase. Sehr erfolgreich hat er alle Meerestiere durchgestrichen, die roten, die grünen und die blauen auch. Aber keinen davon in die dazugehörige Liste übertragen. Ganz im Gegenteil zu Leonie, die auch das zu zählende Gemüse auf der Folgeseite in die Fischtabelle eingespeist hat. „Na, die müssen ja auch was essen“, entgegne ich mit einer Mischung aus Resignation und Galgenhumor, den Radiergummi schon im Anschlag.
Nach der Stunde treffe ich eine Kollegin aus dem 2.Schuljahr und erzähle vom erfolglosen Strichlistenversuch. „Oh, hör bloß auf! Das können meine zum Teil immer noch nicht. Da denkst du, das ist das Einfachste auf der Welt so ein paar Dinge zu zählen und Striche zu ziehen und dann hauen die dir die wildesten Kritzeleien um die Ohren.“
Immerhin dabei scheinen die Erstklässler deutlich begabter zu sein, als die Zweitklässler. Beim nachmittäglichen Nachsehen finde ich neben besagten Strichzeichnungen auch die korrigierte Fassung von Tim. Säuberlich hat er Fisch für Fisch in die Tabelle gezeichnet.
Alle 23.
Mit Luftblasen.

Die Sache mit der Ananas

Na gut, so schlimm war das Sportfest gar nicht. Ok, wir waren schon durchnässt als wir am Sportplatz ankamen, aber regenbedingt wurde dann wenigstens der Schwimmteil auf Montag verschoben. Bietet sich bei erwarteten sonnigen über 30°C ja auch mehr an. Stattdessen sind wir dann ziemlich früh um 10.00 Uhr wieder in der Schule angekommen. Nass, aber adrenalindurchströmt – ich habe nicht mitgezählt wie oft mein Herz beim Turndurchgang kurz aussetzte, dabei habe ich nur Hilfestellung gegeben. Bungeejumping? Free Climbing? Extremsportarten verlieren ihren Kick, wenn man ein erstes Schuljahr rückwärts über eine Turnbank balancieren lässt.

Um also Situation und Gemüter wieder vollends zu beruhigen dachte ich an eine nette Mathestunde zum Thema Geld. Da das Spielgeld der Kinder irgendwann zwischen Osterferien und Projektwoche spurlos verschwunden war (wir finden lediglich zwischendurch einzelne Centstücke zwischen den Schulmöbeln) musste es also ohne gehen. Auf Seite 110 im Mathebuch ist ein Obst- und Gemüsewagen abgebildet, die einzelnen Sorten sind mit äußerst realistischen Preisen (Kartoffeln 10 €, Kopfsalat 2 €) ausgezeichnet und bieten enorm viel Gesprächsstoff. Ich mag Welt der Zahl, das Lehrerhandbuch ist so umfangreich, dass selbst mir als Fachfremder mitunter eine Sternstunde gelingt. Außerdem habe ich das Glück, dass mir eine sehr akribische Kollegin ihr ausgefülltes Exemplar überlassen hat, sehr praktisch.

Nach ungefähr 20 Minuten hatten wir mit viel Müh und Not die einzelnen Sorten bestimmt, lediglich die Mandarinen blieben noch übrig. Ich dann also ganz munter: „Was liegt denn unter den Bananen?“

„Ananas“

Ich (irritiert): „Schaut noch mal genau, unter den Bananen, über den Apfelsinen.“

„Ananas“

Ich (leicht genervt, hatten wir uns nicht schon hitzige Diskussionen über die Existenz von Maiskolben geliefert): „UNTER den Ba-na-nen! NEBEN den Erd-beeeeeee-ren! ÜBER den Apfel-si-nen!“

„Apfel?“

„Tomaten?“

„Ich hab’s, ich hab’s: Kiwis!“

Ich (mühsam beherrscht): „Wir schauen noch einmal GANZ genau. Nehmt den Finger auf die Bananen. Nein, Joeline, auf die Ba-na-nen! Ja, genau, was liegt darunter?“

„Apfel?“

Ich: „Nein, das sind keine Äpfel! Was esst ihr denn so gerne vor Weihnachten?“

„Schokolade?“

„Kekse?“

Ich (desillusioniert): „Kinder, es geht um eine bestimmte Obstsorte… klein, rund, orange, man kann sie schälen…“

„Apfel?“

Ich: „Es heißt Äpfel! Mehrzahl! Ein Apfel, viele Äpfel!“

„Also doch Äpfel?“

Das kann doch wohl nicht wahr sein. Ich: „Nein, es sind KEINE Äpfel!“

… Stille…

„Ananas?“

Ich: „…!“

Ratlose Blicke treffen mich.

Ich (ruhig, ganz ruhig): „Klein, rund, orange, es gibt sie oft zu mehreren in Kisten zu kaufen, sie sind kleine Verwandte von Apfelsinen.“

„MANDARIIIIIINEN!“

Ich: 🙂

Einige Zeit später rechnen alle fleißig, was denn nun drei Salate kosten und wie die Summe von Kartoffeln und Blumenkohl sein müsste als ich Amelie über die Schulter schaue und sehe, dass sie gerade Erbeeren plus Ananas rechnet. Moment, Ananas!? Ja, da liegen sie. Unter den Bananen, neben den Erdbeeren, über den Apfelsinen: Ananas!

Mein wunderbares, mit Lösungen versehenes Lehrerexemplar ist veraltet und rechnet noch mit Mandarinen. Ups!