„Nach den Ferien bin ich zwei Wochen nicht bei Musik dabei. Ich bin zur Kur. Auf Baltrum!“, teilt Markus gewichtig mit. „Nur zwei Stunden Unterricht am Tag und keine Hausaufgaben. Ich habe dort eine Pri-vat-lehrerin.“ Er betont jede Silbe, der Neid seiner Klassenkameraden ist ihm gewiss.
„Oh“, sage ich, „nur zwei Stunden Unterricht und keine Hausaufgaben? Das klingt gut. Ich glaube, ich werde auch Privatlehrerin. Ihr Lieben“, ich schaue in die Runde, „falls wir uns also nach den Ferien nicht mehr wiedersehen, wisst ihr Bescheid.“
In Gedanken schlendere ich bereits barfuß den weißen Sandstrand entlang. Wärmende Sonnenstrahlen auf der Haut, der Wind spielt mit meinem Haar. Ich trage ein leichtes Blümchenkleid, ach nein, lieber ein weißes mit einem zarten Band in der Taille. Gerade habe ich einer Handvoll bedürftiger Kinderchen zwei wunderbare Unterrichtsstunden erteilt. Dankbar saugen sie jedes meiner Wort auf, nur ein leichtes Hüsteln unterbricht gelegentlich die Konzentration. Die armen Kleinen haben es auf der Lunge oder im Gemüt, daher der notwendige Aufenthalt im Reizklima. Reizend sind sie wirklich, keine Frage! Sie bringen mir entzückende kleine Blumensträußchen mit und tragen meine leichte Schultertasche. Viel Material brauche ich ja nicht – wir unterhalten uns über das Meer und seine Bewohner, rechnen ein wenig und lesen den Zauberberg von Thomas Mann, dann sind die zwei Stunden auch schon wieder vorüber. Natürlich bin ich danach erschöpft, schließlich ist der Unterricht von enormer Intensität. Daher genieße ich nun den Spaziergang in der leichten Brandung. Auf einmal teilt sich das Meer und gischtumwölkt entsteigt Herr Weh den Fluten. Glitzernd perlt das Wasser von seinem Körper, während er mir entgegengeht. Mit bebender Brust werfe ich mich in seine Arme und lasse mich willig auf den warmen Sand ziehen, als“
„Frau We-heee?“, beunruhigt zupft Lara-Luise an meinem Ärmel, „man kann doch nicht so einfach Privatlehrerin werden, oder!?“
„Hmm…“, antworte ich unbestimmt, ein leicht entrücktes Lächeln auf den Lippen, „mal sehen…“