Luftballonfreuden

„Hmmm …“

Lilli hat den Kopf schief gelegt und betrachtet das wurstpellenfarbige Etwas in ihrer Hand.

„Hmmm … das sieht irgendwie … komisch aus!“

Es ist Laternenzeit und getreu meinem Schwur von vor vier Jahren habe ich auch dieses Mal wieder zu den ganz besonderen Ballons gegriffen. Dieses Jahr habe ich sie allerdings nicht in nachtschwarzem, sondern in miederfarbenem Latex bestellt. Da fallen nach dem Platzenlassen der Ballons klebengebliebene Fitzelchen nicht so auf. Allerdings scheint die Optik der fleischwurstartigen Gummihüllen verschiedene Reaktionen nicht nur hervorzurufen, sondern den Betrachter fast schon zu einem Statement zu zwingen. So waren auch die Mitglieder der Familie Weh nicht in der Lage, den Beutel mit den 50 Luftballons unkommentiert zu lassen, den der Postbote vor einigen Tagen – in neutraler Verpackung und mit unauffälligem Absender – brachte. Dabei schwankten die Reaktionen zwischen purem Entzücken (Miniweh), ungläubigem Entsetzen (pubertäres Wehwehchen) und breitem Amusement (Herr Weh). Fleischfarben ist das neue Schwarz, polarisiert aber offensichtlich!

„Also, ich weiß nicht. Der sieht ganz anders aus als die Luftballons, die wir haben“, meint Lilli zweifelnd und hält den Ballon mittlerweile mit spitzen Fingern am Hals und lässt ihn hin- und herbaumeln.

„Probier ihn mal aus, der ist super!“, ermutige ich sie und wende mich Tim zu, der verzweifelt damit beschäftigt ist, seine Finger aus dem gerade entstandenen Knoten seines Ballons herauszuziehen. Der Knoten sitzt bombig und Tims Fingerkuppen verfärben sich dunkelrot.

„Siehst du Tim, ich hab doch gesagt, dass das mit dem Knotenmachen gar nicht so schwer ist!“

Tim nuckelt etwas derangiert an seinen befreiten Fingerspitzen und nickt.

Mittlerweile habe ich rund 21 Knoten in angenuckelte Luftballonhälse geknotet und mehrere Finger befreit. Warum können Kinder eigentlich keine Knoten mehr machen? Gehört das nicht eigentlich zur kindlichen Grundausstattung? Die Ballons stellvertretend aufzublasen habe ich bereits im Vorfeld kategorisch abgelehnt. Schließlich lässt sich das erworbene Gummimodell ganz leicht aufpusten, einer der vielen Vorzüge des im speziellen Fachhandel erworbenen Qualitätsstücks. Und so pusten nur noch ein paar Drittklässler mit dicken Backen an ihren Luftballons herum. Es mangelt an Technik. Lilli immerhin ist jetzt einen Schritt weiter und hat ihr Exemplar zu einer stattlichen Größe von knapp 30 cm Durchmesser aufgepustet.

„Coooool!“, brüllt sie durch die Klasse, „der ist ja riiiiiiiiesig!“

„Meiner ist größer!“, schaltet sich Ole da ein, was klar war, schließlich gehört er zur Fraktion „immer einer mehr als du“ und kann die Schmach nicht ertragen, einen kleineren Ballon als Lilli zustande gebracht zu haben. Aber Lilli beachtet ihn gar nicht, denn sie hat einen weiteren Vorzug des Spezialballons entdeckt und dribbelt verbotenerweise begeistert zwischen Kleisterpfützen und umgefallenen Schulranzen umher.

„Suuuuper! Der ist ja so stabil, Frau Weh! Der titscht voll! Wo haben Sie die denn her? Kann ich welche für zu Hause haben? Ich will die unbedingt meiner Mutter zeigen, die glaubt das bestimmt gar nicht!“

Ob es nun daran liegt, dass sich Lilli nicht gleichzeitig auf Reden und Dribbeln konzentrieren kann oder aber an der Enge inmitten kleisternder, herumwuselnder Drittklässler, es macht

FLATSCH

der Ballon fliegt, Lilli fliegt hinterher, ich zähle im Kopf 21 … 22 … und warte auf Schmerzensgeschrei, da tönt es plötzlich:

„COOOOOL! Frau Weh, man kann auf den Ballon sogar drauffallen, der platzt gar nicht! Ich glaub, der ist gar nicht zum Kleistern!“

Und so hat die achtjährige Lilli in gerade mal 5 Minuten das wahre Wesen der ganz speziellen Luftballons erkannt. Beeindruckend.

 

 

Die Liebhaberballons

Gestern bestellt und heute schon da. Offenbar hat der Ballonlieferant nur auf mich gewartet. Turbomäßiger Versand in – wie angekündigt – neutraler Verpackung und mit gänzlich nichtssagendem Absender. Alles planmäßig.

Und was soll ich sagen?

Die Dinger sind der blanke Wahnsinn!

Noch nie, nie, nie in meinem Grundschulleben habe ich mit so festen, strapazierfähigen und riesigen Luftballons gearbeitet. Oh, ich bin zum Fan, ach was sag ich, zum Jünger geworden! Prall, sattschwarz, tatsächlich leicht zu knoten – es ist eine wahre Wonne.

Allerdings habe ich mich nicht getraut, den Probeballon bis zum möglichen Durchmesser von 35cm aufzupusten, bei 29cm habe ich vorsichtshalber aufgehört. Daran zeigt sich, dass ich wohl noch lange nicht zum harten Kern der wahren Ballonfans gehöre. Aber 29cm sollten für einen durchschnittlich großen Drittklässler ausreichen. Schließlich werden die Kinder schon genug gefordert, wenn sie mehrere Schichten Transparentpapier auflegen müssen. Das ist schon Arbeit genug.

Und was das vielgelobte Aufblaserlebnis anbelangt, so traue ich mich kaum es aufzuschreiben, aber selbst das gelang mühelos. Nix mit dicken Backen und schmerzenden Ohren (schöner Gruß an die sonst so gepeinigte eustachische Röhre).

Boah, wie toll! Nie wieder andere Ballons! 😀