Ölziehen mal anders…

Als ich an diesem Morgen das Auto starte, setze ich damit eine wahre Lichtorgel im Armaturenbrett in Gang, was mich augenblicklich in Panik versetzt. Nein, ich kokettiere nicht, wenn ich sage, dass ich mein Auto lediglich fahren und betanken kann. Alles, was darüber hinausgeht (das Einparken in enge Lücken beispielsweise oder der Besuch einer Waschstraße), ist mir fremd und erfüllt mich mit großer Skepsis. Wie auf Automatik geschaltet läuft daher ungefähr folgendes Zwiegespräch in meinem Inneren ab:

Aber bis zur Schule komme ich doch noch!

Und was ist, wenn nicht?

Dann rufe ich den ADAC!

Du hast dein Handy nicht aufgeladen!

Scheiße!

Aber voll!

Den Blick ständig auf die grell strahlende Serviceleuchte gerichtet, fahre ich zur Schule, ein wenig verwundert, dass der Wagen schnurrt wie ein Kätzchen und sich auch sonst nichts anders anfühlt. Auf dem Parkplatz angekommen, krame ich sofort das Handbuch aus dem Handschuhfach hervor. Nach einer ganzen Weile, in der ich beeindruckt lerne, dass ich einen Bediensatelliten an meinem Lenker habe, der fast alles kann außer Kaffeekochen, stelle ich fest, dass es dem Auto wohl seit Längerem an Öl mangelt und ich es nun (wohl wegen meiner Weigerung diesen Mangel wahrzunehmen) auf dem Gewissen habe. Laut wild blinkender Anzeige kann hier nur noch der Fachmann rettend einwirken. Ich muss in die Werkstatt! Sofort!

Notdürftig konzentriere ich mich die nächsten Stunden auf meinen Unterricht, im Hinterkopf mit Tagen und Zeiten jonglierend, wann ich denn wohl einen Werkstattbesuch unterbringen könnte und wie ich dies organisatorisch zwischen Kinderturn-, Schwimm- und anderen Terminen bewerkstellige. Mit der schweren Erkenntnis, dass ich diese Woche  wirklich keine Zeit dafür habe, fahre ich auf dem Rückweg an der Tankstelle vorbei, bereit, den gesamten Vorrat aufzukaufen und reinzuschütten, wo er eben reingeschüttet werden muss. Nach einer Weile bekomme ich sogar die Motorhaube auf, scheitere aber am Öldeckel. (Zumindest glaube ich, dass es der Öldeckel ist, ganz sicher bin ich mir nicht.) Leider kann mir auch die freundliche Frau an der Kasse nicht weiterhelfen, immerhin gibt sie mir den Hinweis, dass nicht jeder Motor jedes Öl verträgt. Ich ringe um Fassung.

Gerade als ich überlege, ob es wohl hilft, sich traurig auf den Rinnstein zu setzen, taucht neben mir die Mutter zweier ehemaliger Schüler auf, mit der ich aufgrund des lebhaften Temperaments ihrer Zwillinge in der Vergangenheit viel Zeit verbracht habe. „Frau Weh!“, ruft sie entzückt, „Was machen Sie denn da unten?“

Ich klage ihr mein Leid mit den blinkenden Lampen, dem klemmenden Deckel und frage aus der Not heraus, ob sie sich mit Öl auskennen würde.

„Klar“, grinst sie, „ich arbeite doch in der Autowerkstatt! Zwar in der Buchhaltung, aber schauen wir mal. Wir machen da auch Pannenkurse extra für Frauen!“

Halleluja!

Sachkundig pflückt sie sich eins von diesen dünnen grauen Papiertüchern an der Zapfsäule ab, von denen ich nie weiß, wofür sie sind, und kontrolliert routiniert den Ölstand. Ich bin hingerissen. „Da ist aber noch genug drin.“, bemerkt sie und hält mir das Stäbchen unter die Nase. Ich sehe, dass ich nichts sehe, und äußere ein unbestimmtes Joh-mmff? Sie wiederholt den Versuch mit dem gleichen Ergebnis. Öl scheint also drin zu sein. Was also will die Karre von mir? „Na, machen wir es doch so“, meint meine Retterin und zückt ihr Handy. „Sie fahren doch sowieso in die Richtung. Ah, hallo, Günay, hier ist die Gabi. In 5 Minuten kommt die Frau Weh vorbei, die hat da was am Öl. Könnter ma gucken und seid bloß nett zu der! Wenn nich, dann gibbet morgen Haue! Jo, tschüss dann!“ Sie beendet das Telefont und strahlt mich an. „Alles klar, die warten auf Sie. Jetzt machen Sie sich ma keine Sorgen, dat wird schon!“ Sie klopft mir aufmunternd auf den Arm. Ich danke ihr und bestelle Grüße.

Fünf Minuten später fahre ich auf den Hof der Autowerkstatt und werde schon von einem freundlichen Monteur erwartet, der mir nach einem kurzen Blick unter die Motorhaube und aufs Armaturenbrett mitteilt, dass ich einen Ölwechsel machen müsste.

„Jetzt sofort?“, schon flackert wieder Panik bei mir auf.

„Nee, Sie können in aller Ruhe nach Hause fahren. Sieht dramatischer aus, als es ist. Die Jungs in der Entwicklung machen sich da immer einen Scherz draus und lassen alles leuchten, was geht.“

Ich bin erleichtert und lasse mich willig von dem netten Menschen an seinen Schreibtisch führen. Wir machen einen Termin aus und einigen uns darauf, dass ich das Auto morgens vor der Schule abstelle und mittags fertig wieder abholen kann. Keine Minute später bin ich wieder draußen. „Tschüss. Und sagen Sie der Gabi, ich hätte mir Mühe gegeben!“, lacht der Monteur.
Ich nicke ihm lächelnd zu und bin furchtbar dankbar über den Verlauf der ganzen Sache. Als ich nach Hause fahre, ignoriere ich die Lightshow unterm Lenker und nehme mir vor, unbedingt alsbald einen Pannenkurs für Frauen zu buchen.