Also ich bin ja nicht bei facebook. Und bei studivz oder WKW bin ich auch nicht. Das Letzte, ich betone, das
A l l e r l e t z t e
wäre, dass mich Eltern dort anschreiben und gruscheln wollen würden. Ah, gru-se-lig! Ich habe auch so genug Sozialkontakte. Ehrlich. Das unterscheidet uns an der Grundschule ja von den Kollegen anderer Schulformen. Dort tauchen zur Klassenpflegschaft dann vielleicht 5 Eltern auf. Das sind kurze Elternabende. Da bin ich manchmal wirklich neidisch. Ich muss zwischendurch schonmal zusätzliche Stühle in die Klasse schaffen, weil es oft voll wird. Aber ehe ich jetzt falsch verstanden werde, ich finde es richtig, wenn Eltern Interesse und Einsatz zeigen! Leider sind es oft die falschen. Oder besser formuliert: Die Eltern, die ich dringend sehen müsste, die kommen nicht. Dafür kommt Supermom mit I-Phone, selbstgebackenen Keksen und Thermoskanne und setzt sich ganz nach vorne. Und ihren Mann hat sie auch noch dabei.
Bei uns ist es so, wenn die Väter mitkommen, wird es lang. Und laut. Väter kommen in der Regel nur dann mit, wenn es brennt. Oder wenn ihnen die zugehörigen Mütter die Hölle heiß gemacht haben. Dann schweigen sie und grummeln manchmal und ganz plötzlich… BOMMMMMM! sind sie da und machen ein Fass auf. So geschehen beim letzten Elternabend. Meine reizenden Kleinen habe ich noch nicht so lange, ich habe sie sozusagen mitten im laufenden Schuljahr second hand bekommen. Das ist immer schlecht. Gerade im ersten Schuljahr bringt so ein Kurswechsel unvermeidlich Unruhe mit sich. Also schnell eine außerordentliche Klassenpflegschaftssitzung einberufen um die Sachlage zu erklären und die Eltern zu beruhigen.
Ich: „Guten Abend zusammen. Schön, dass Sie so zahlreich erschienen sind. Mein Name ist Frau Weh und ich bin seit letzter Woche die neue Klassenlehrerin Ihrer Kinder.“
Noch während ich die Worte ausspreche, nehme ich im Augenwinkel einen Vater wahr, der offensichtlich über großen Bewegungsdrang und einen – holla! – hochroten Kopf verfügt. (Ich habe immer ein bisschen Sorge, dass mal jemand auf meinem Elternabend einen Herzinfarkt bekommt. Wenn es bei den Erste-Hilfe-Schulungen um Herzinfarkte geht, passe ich oft nicht so richtig auf. Dafür bin ich bei allen kindbezogenen Themen aber aufmerksam, Ehrenwort!) Bevor ich die Tagesordnungspunkte erläutern kann, reißt es den Vater von seinem Stuhl.
Vater (ungeduldig, hochrot):“Jajaja, aber wie sehen Sie das denn mit diesem Mist, diesem Dings, diesem Schreiben und Lesen!?“
Ich (freudiges Strahlen im Blick): Guten Abend, Herr…?“
Vater (irritiert): „Ja, äh, Vater von Amelie!“
Ich (fröhlich): „Guten Abend, Herr Müller. Sie haben etwas auf dem Herzen?“
Vater (leicht aus dem Konzept gebracht): „Ja, also das mit dem Schreiben mit Lesen!?“
Ich (lächelnd): „Ja, das lernen die Kinder bei mir. Zumindest hoffe ich das.“
Erste Lacher bei den anderen Eltern.
Vater (auf der Suche nach dem roten Faden): „Nein, also das nicht. Ich meine das, wo die Kinder so schreiben wie sie wollen.“
Ich (freudig überrascht): „Ach, Sie meinen vermutlich die Methode Lesen durch Schreiben?“
Vater (befriedigt): „Ja, genau! Lassen Sie die Kinder auch machen, was sie wollen?“
Ich (strenge Stimme, hochgezogene Augenbraue, klitzekleines Lächeln im Mundwinkel): „Aber mitnichten, Herr Müller, hier macht keiner, was er will, hier machen alle, was ich will!“
Wäre das auch direkt geklärt.
Ich bin übrigens via Facebook bei diesem Blog gelandet und amüsiere mich köstlich. Danke also für’s Hinweispublikationsdings.
Ja, wie schön. Dann macht das doch irgendwie Sinn 🙂
Ich hab die Szene deutlich vor meinem inneren Auge und bewundere sehr die souveränen Weh´schen Gesichtsausdrücke auf Vaters Kommentar. Da hab ich noch Übungsbedarf…
Spiegel! Ich empfehle das Üben verschiedener Gesichtsausdrücke vor dem Spiegel!
Köstlich – positive und humorvolle Ablenkung von meiner Master Thesis – herzlichen Dank und auch ich bin über facebook herauf aufmerksam geworden!
Toll, ich werde hier noch zum facebook-Fan!
Oh, herrlich! Ich kann es mir lebhaft vorstellen, Du schreibst sehr anschaulich. Ich liebe Deinen Schreibstil, Du solltest wirklich über eine Veröffentlichung in Buchform nachdenken.
Liebe Grüße
Petra
(die sich irgendwie nicht mehr wirklich erinnert, wie sie hier mal gelandet ist. Facebook war es definiv nicht, auch andere soziale Netzwerke brauche ich nicht, habe ja schließlich noch Familie, Freunde und Nachbarn 😉 Aber ich lese gern hier, jawoll! Und da ich selber zwei Kinder im Grundschulalter habe, finde ich auch den Spiegel gut, den Du uns vorhälst – im positiven Sinne!)
Dankeschön! 🙂
Liebe Frau Weh,
solltest Du es noch nicht kennen, dann lege ich dir folgendes Theaterstück mit dem Titel „Frau Müller muss weg“ sehr ans Herz: https://www.youtube.com/watch?v=_61DLRWO0nw
Zwischenzeitlich beschlich mich immer wieder das Gefühl, dass der Autor stiller Beobachter der Elternabende in der Schule meiner Tochter war/ist. Da soll nämlich auch gefühlt alle drei Wochen ein anderer Lehrer/eine andere Lehrerin weg, weil er/sie die angeblichen Zukunftschancen des eigenen Kindes auf ein numerus-clausus taugliches Abitur hochgradig gefährdet. Da gibt es dann eine persönliche Vorladung zu einer außerordentlichen Elternversammlung, der bereits eine einstündige Krisensitzung im elterninternen Kreis vorausging, in der geifernde Hyänen sich schon mal eingestimmt haben auf das bevorstehende Zerfleischen des total inkontinenten Lehrkörpers;o)…und ich mittendrin, im falschen Film. Hallooo? Aus einem mathematischen Vollpfosten macht nun mal der beste Lehrer keine Leuchte, das weiß ich aus eigener leidvoller Erfahrung, nur dass zu meiner Schulzeit keiner auf die Idee gekommen wäre, den Lehrer auswechseln zu wollen. Da gab es statt dessen Mathenachhilfe bei pickeligen, schweißigen nickelbebrillten Oberstufenschülern mit fester Zahnspange, in der noch die einzelnen Zutaten des morgendlichen Frühstücksbrotes zu identifizieren waren, Du glaubst gar nicht, wie motivierend das war, sich umgehend um eine Note zu verbessern…
Lieben Gruß von Frau E.