Heute im Lehrerzimmer:
Kollegin ZudemFeld brütet über dem üppigen Schreibkram des
Verfahrens zur Feststellung eines sonderpädagogischen Förderbedarfs
für Jeremy, dessen herausragendste Leistung der letzten Wochen – neben absolutem Nichtstun – darin bestand, eben diese Kollegin mit Wucht gegen ihr Schienbein zu treten und ihr liebreizende Kosenamen zu verleihen. Ratlos fragt sie in die Runde:
„Heißt es nicht mehr E-Schule? Wie heißt es denn jetzt?“
Kollegin Weh weiß das: „E ist tabu, das darf man nicht mehr sagen. Das ist jetzt sozial-emotionale Entwicklung.“
Kollegin Kölln schaltet sich ein: „Genau wie mit „Negeraufstand ist in Kuba“! Das darf auch nicht mehr gesungen werden.“
Randbemerkung: Das bedauern wir alle. Was habe ich dieses Lied mit innerster Wucht auf den Jugendfreizeiten meiner Kindheit mitgeschmettert! Wumba wumba wumba, wumba WUMM! Dieser wundervolle Stimmungswechsel von Moll nach Dur. Hah!
Kollegin Abendroth, die sich besonders durch Scharfblick, herben Humor und eine nikotinbedingte Stimmlage irgendwo zwischen Bariton und Bass auszeichnet, erblickt zeitgleich in der Lehrerküche eine geöffnete Milchpackung – sie selber trinkt ihren Kaffee schwarz – und brüllt:
„Himmelherrschaftszeiten, wer hat denn hier die Milch offen gelassen!?“
Kollegin ZudemFeld, die als einzige regelmäßig für Milchnachschub sorgt, antwortet verstimmt zwei Oktaven höher:
„Ich entscheide ganz alleine, ob ich die Milch offen lasse oder nicht!“
Dröhnendes Gelächter dringt aus der Küche: „Pass auf, sonst tret ich dich ans Schienbein, Frau ZudemFeld!“
„Dann schick ich dich an die E-Schule!“
(Möglicherweise findet das jetzt außer mir niemand lustig. Wir haben aber herzlich lachen müssen. Sozial-emotionale Entwicklung und so…)
Jaja, wer ist schon frei von sonderpädagogischem Förderbedarf 🙂 (gerade jetzt vor den Ferien bin auch ich ganz derbe förderbedürftig im Bereich emotionale und soziale Entwicklung).
Trotz ebenjener studierten Fachrichtung bin ich wohl begriffsmäßig nicht mehr auf dem neuesten Stand: man darf E(rziehungshilfe)-Schule nicht mehr sagen?
Wehewehewehewehe das ganzganzganzganzschlimme Wort „verhaltensoriginell“ setzt sich ernsthaft durch…
Liebe Grüße!
H.
Also, wenn du hier „E“ ins AO-SF schreibst, dann kannst du es gleich vergessen.
Grandios 🙂
Ich lese meinen Erstis gerade Pippi Langstrumpf vor und bewege mich auch dort auf sehr dünnem Eis: Ihr Vater ist bekanntlich „Negerkönig“! Darf ich dieses Buch noch ungestraft an Kinderohren dringen lassen?
In den allerneuesten Ausgaben ist er zum Südseekönig mutiert…
Und wie ich mitgelacht habe -schallend sogar! Das sind die Augenblicke, wo man den ganzen Frust mal mit gemeinsamen Humor nimmt. Gold wert! Bitte unbedingt beibehalten.
E-Schule*? Da habe ich Abitur gemacht, und das, obwohl ich niemals einem Lehrkörper vor’s Schienbein getreten habe (jedenfalls nicht im wörtlichen Sinne).
Den Negeraufstand habe ich mit Inbrunst und dem gebotenen angenehmen Schauder gegrölt, und Negerküsse waren für mich immer positiv besetzt, im Gegensatz zu den politisch korrekten Schaumküssen. Dabei muss ich immer an Liebesbezeugungen unter Epileptikern denken, was ja auch wieder politisch inkorrekt ist. Honni soit qui mal y pense…
„Liebesbezeugungen unter Epileptikern“ – oh, das ist aber auch pfui! 😀
Upps, jetzt hab ich die Fußnote vergessen! Dies ist zwar keine Dissertation, aber trotzdem:
*Elisabeth-Schule
Um den Negeraufstands-Klassiker ist es wirklich besonders schade. Ich habe dieses Lied als Kind geliebt. Und wahrscheinlich darf man das Lied „C-A-F-F-E-E, trink nicht zu viel Kaffee“ mit dem Türkentrank auch nicht mehr singen…
Bin kein Lehrer/in, sondern „nur“ Sporttrainerin!!! Aber auch ich habe herzlich gelacht – ich beneide Euch Lehrer echt ned!
Trotzdem morgen einen schönen Arbeitstag!
Vielen Dank. Es ist schön, dass jetzt Wochenende ist 😉
…diese Leichen und Knochen, die noch etwas nach ihm rochen…..
Schade eigentlich, das war mein erstes Revolutionslied.
Und es hat eine politisch Botschaft.
Aufstand ist lustig, aber auch unangenehm.
Die Affen rasen durch den Wald, gibt es aber noch, oder?
Oh ja, die gibt es noch. Aber sie dürfen im Liederbuch nicht brüllen, sondern nur noch rufen.
Und meine Lieblingsstrophe war übrigens „im Gesträuch und im Gestrüppe hängen menschliche Gerippe…“
Wir haben das wirklich gerne damals gesungen. Was mir viel unheimlicher war, war das marmorierte Auge von Bolle. Das hat mich irgendwie beschäftigt.
Ah! Das Bolle-Lied … keine Ahnung wie das richtig heißt … haben wir in der Grundschule auch immer gesungen … aber ich glaub das bekomm ich nimmer zusammen …
http://de.wikipedia.org/wiki/Bolle_reiste_j%C3%BCngst_zu_Pfingsten
LG, Frau Weh (ein schmissiges Liedchen auf den Lippen)
Political correctness nervt manchmal extrem. Schaum- statt Negerküsse oder Mohrenköpfe. Colabier statt Negerhalbe. Der Sarotti-Mohr wurde verbannt. Wie bestellt man denn heute auf dem Jahrmarkt einen Eisneger?
Den Negeraufstand darf man nicht mehr ohne schlechtes Gewissen singen. Was ist eigentlich mit „Lustig ist das Zigeunerleben“? Stand früher in meinem Grundschulliederbuch (anno 1977).
Und darf man „Als die Römer frech geworden“ noch singen? Könnte ja unsere italienischstämmigen Mitbürger beleidigen.
Vermutlich ist es auch besser, auf Klassenfahrten mit den Grundschulkindern statt der „10 kleinen Negerlein“ die „10 kleinen Jägermeister“ zu gröhlen. Als Einstimmung aufs Komasaufen in der weiterführenden Schule.
Also immerhin singen wir auf die Melodie von „Eisgekühlter Bommerlunder“ folgenden, bahnbrechenden Text:
Ein belegtes Brot mit Schinken – SCHINKEN! – ein belegtes Brot mit Ei – EI EI EI! – das macht zwei belegte Brote, eins mit Schinken, eins mit Ei.
Da können die Kinder dann wenigstens schonmal die Melodie für ein Sauflied.
Und auch das schöne Lied „warum gibt’s koane Weisswürscht ned?“ gehört nun in die Tabu-Zone.
Viele der neuen Begriffsschöpfungen sind nervig und verschleiern. Was früher „verhaltensgestört“ hieß, wurde dann zu „verhaltensauffällig“ und noch etwas später zu „verhaltensoriginell“. Und „verhaltensoriginell“ darf auch nicht mehr sein, wobei mir nie klar war, warum Formen von Gewalttätigkeit und übergriffigem Verhalten nun „verhaltensoriginell“ sein sollen. Und „sozial- emotionaler Förderungsbedarf“ ist auch so ein Schwammwort, das alles und nichts zugleich sagt oder anders herum: Von wem könnte man sagen, er habe keinen solchen Förderbedarf. Da paßt fast alles rein, und das gibt dem, der die die Definitionsmacht hat große Entscheidungsräume.
Das Negeraufstand-Lied hab ich letzte Woche erst gelernt und fand es ganz toll. Ich finde, alte Lieder sollte man von der politischen Korrektheit ausnehmen. Die ändert sich doch eh ständig, von wegen Sprachentwicklung und so, da schränkt man ja sonst die Lektüre und Liedauswahl irgendwann viel zu sehr ein ^.^