Testosteron-Alarm

„Wollense mal so ein richtig dickes Rohr halten, Frau Weh?“

Der dröhnende Bass von Manfred reißt mich aus meinen Gedanken. Vor meiner Nase baumelt ein B-Schlauch. Dahinter das breite Grinsen des Feuerwehrmannes. Es gibt auch noch andere Schläuche, ich kenn mich da bereits rudimentär mit aus. Es ist wieder so weit, die Viertklässler beschäftigen sich mit dem Thema Feuerwehr. Tatütata und schon ist sie da. Mit an Bord – wie jedes Jahr – zwei ganze Kerle: Manfred und Dieter. Schrankgroß, schrankbreit und mit unverrückbarem Frauen- und Weltbild.

Nein, Manfred und Dieter sind nicht verkehrt. Ehrlich, sollte ich in einem brennenden Haus stehen oder – sagen wir mal – unter einem Auto eingequetscht liegen, dann sind es genau Manfred und Dieter, denen ich dann große Handlungskompetenz zutraue und die bestimmt ganz genau wissen, wie sie mich da möglichst in ganzen Stücken wieder rausbringen. Dabei dürfen sie mich dann auch gerne über die Schulter werfen und grunzen wie King Kong.

Ohne Feuer und den geringsten Gefahrenhintergrund bahnt sich diese im Ernstfall wünschenswerte Energie verbale Wege. Das ist mir nicht neu. Genau den gleichen Spruch habe ich auch schon letztes Jahr gehört. Und davor das Jahr. Folgen wird übrigens kurze Zeit später der Satz „Jetzt bringense das Ding mal ordentlich zum Spritzen!“. Dann nämlich, wenn die Kinder Schläuche, Standrohr, Verteiler, Pumpen und was sonst noch dazu gehört zum nächsten Unterflurhydranten geschleppt haben und aufgeregt auf das Kommando „1. Rohr, Wasser marsch!“ warten. Wie gesagt, alles schon gehabt. Und ich darf IMMER zuerst Hand anlegen. Schön, wenn man sich wenigstens auf manche Dinge so verlassen kann wie auf den bewährten Machismus von Dieter und Manfred.

Natürlich mache ich der Feuerwehr die Freude, nehme die Spritze in die Hand, quieke ein bisschen, wenn das Wasser kommt und tue so, als sei das richtig, richtig aufregend. Ja, ich meine, wer weiß denn schon, ob ich die beiden nicht mal in einer wirklich brenzligen Situation treffe. Da möchte ich dann auch nicht, dass sie sich angucken und denken ach, das war doch die, die sich zu fein war, um mal ordentlich anzupacken. Nee. Da muss man vorausschauend handeln.

Später im Lehrerzimmer sind Manfred und Dieter natürlich Gesprächsthema. Männer haben wir ja nicht so oft. Und wenn ich die Wahl hätte – eingequetscht oder halb erstickt vom Rauch, dem Ertrinken nahe oder im Auge des Feuersturms – zwischen den Busbegleitern, dem Verkehrspolizisten und Manfred und Dieter, na da würde ich ganz klar zu den beiden Kolossen tendieren, auf deren gestählten Unterarmen zwar selbstgestochene Tattoos ihren Platz haben, aber sich nicht ein einzelnes Härchen wagt, zur Gänsehaut zu strecken. Auch wenn es kalt und windig ist. Ach, erwähnte ich, dass Dieter immer Kurzarmpolos trägt, die über dem üppigen Bizeps spannen? Und überm Pectoralis? Ja, so müssen Feuerwehrmänner aussehen. Genau so! Kleiner Wermutstropfen: die Jüngsten sind die beiden nun nicht gerade. Im Verleich mit dem Großteil meines reizenden Kollegiums hingegen sind die beiden Frischfleisch. Dementsprechend pikiert reagieren dann auch die Kolleginnen als ich von den brandheißen Machosprüchen berichte.

„Waaaas? Das sagen die zu dir?“, Kollegin Kraft reißt die Augen auf.

„Jaaa, aber das sagen die doch zu allen Frauen. Die sind einfach so“, versuche ich zu beschwichtigen.

„Nein, das haben die noch NIE zu mir gesagt“, Kollegin Kölln schwankt zwischen Empörung und süffisantem Lächeln, „das mag vielleicht mit deinem jugendlichen Alter zu tun haben.“

„Bitte? Also das ist ja ein Unding“, wirft Kollegin Kraft ein, „das ist ja Diskriminierung!“

„Genau!“, pflichtet Kollegin ZudemFeld bei, ihres Zeichens Diskriminierungsbeauftragte unseres Kollegiums, „das ist es wirklich, Altersdiskriminierung! Das sollen die gefälligst mal zu mir sagen!“

0 Kommentare zu „Testosteron-Alarm

  1. Ganz großes Kino Frau Weh! Was lesen Sie gerade für ein Buch nebenbei? Ihr Schreibstil ist heute einfach erste Sahne! Oh, hätte ich den letzten Satz nicht schreiben dürfen? Beid en ganzen Zweideutigkeiten. Hahaha. Ne, ich meins ernst: Echt cooler Eintrag!

  2. Großartig! Aber mal ganz im Ernst. Bei der Feuerwehr wünsche ich mir auch keine diskutierenden „Frauenversteher“. Man weiß ja nie…

  3. Ich als bekennende Alt-Feministin bin mit den Jahren auch ruhiger geworden und lasse die Feuerwehr-Jungs ihre Sprüche klopfen, wenn sie mich dafür mit ihren muskulösen Armen über die Schwelle tragen (ich meine, falls mein Haus mal brennt, und dann bitte von innen nach außen, nicht vergessen!!!). Trotzdem werde ich am Montag Abend zum Blocksberg fliegen, mein Besen war schon in der Inspektion. Es gibt Leckeres aus dem Hexenkessel, wilde Tänze, bewusstseinserweiternde Getränke und geheime Rituale. Ich freue mich drauf.
    Bis dann
    die rotezora

  4. Das könnte in unserem Lehrerzimmer geschehen sein. Mädels, nicht? 😉
    Wobei ich keine Ausflüge zur Feuerwehr mache und nun wohl auch nicht mehr damit anfange.

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