„Da, lies dir das mal durch!“
Mit einem schwungvollen Wurf aus dem Handgelenk befördert der Chef ein Magazin auf den Lehrerzimmertisch. Ich erkenne den Titel: Schule heute, die Verbandszeitschrift des VBE. Mich überkommt eine Ahnung.
„Ich habe ein Post-It reingemacht. Seite sechs. Inklusion. Der Artikel ist genau für dich geschrieben worden!“
Nicht ganz, denke ich, der Artikel ist von mir geschrieben worden, insofern bräuchte ich ihn nicht unbedingt lesen. Das weiß hier aber keiner. Daher bemühe mich um einen nonchalanten und halbwegs interessierten Gesichtsausdruck.
„Worum geht es denn?“
„Da schreibt eine Grundschullehrerin über den Alltag mit einem schwierigen Schüler und darüber, dass es keine Hilfe gibt. Dein Thema!“
„Pfff, schwierige Schüler gibt es doch gar nicht. Alles unfähige Lehrer!“, erbost sich die Kollegin linkerseits, was sie kein bisschen ernst meint, hat doch auch sie gerade mit einem schwebenden AO-SF-Verfahren und seinen Kollateralschäden zu kämpfen. Trotzig taucht sie den Löffel zurück in ihr Müsli. Ein wenig Milch spritzt auf die Zeitschrift. Sie wischt sie ab und schlägt den Artikel auf. Der Chef hat sogar mit Markierer gearbeitet und zwei Ausrufezeichen an den Rand gemalt. Ich bin einigermaßen bewegt, landen Publikationen doch sonst eher jungfräulich auf unserem Tisch. Die Kollegin beginnt zu lesen, den Löffel noch in der Luft. Eine Rosine schaut mich zerfurcht an. Ich nicke ihr mitfühlend zu. Die Situation ist gerade aber auch wirklich nicht einfach.
„Hmmm …“, murmelt die Kollegin. „Hmm ja … naja … mh!“ Zwischendurch nickt sie. Einmal schüttelt sie resolut Kopf und Oberkörper, worauf ein weiterer Tropfen milchweißen Niederschlags erzeugt wird und auf dem Lehrerzimmertisch landet. „Erinnert wirklich ein bisschen an dich und deinen Günther. Die beauftragt ihren Hansel auch mit Kaffeedienst! Offenbar habt ihr den gleichen Humor.“
„Von wegen Humor“, sage ich und denke krampfhaft nach, „das mit dem Kaffeedienst hab ich aus einer Fortbildung. Umgang mit schwierigen Schülern und so. Scheint inzwischen recht populär zu sein.“ Ich zucke die Schultern und angle nach der Zeitschrift.
„Das mit dem Codewort, das könntest du mit Günther doch auch mal probieren!“, meint der Chef und deutet auf eine der markierten Stellen.
„Hmhmm, ja, prima Idee. Mach ich gleich nachher.“, antworte ich und überfliege die markierten Stellen. „Liest sich ganz … ok?“ Ich kann nicht vermeiden, dass meine Stimme wie von einem nervösen Gummiband nach oben gezogen wird und räuspere mich. Jetzt nur keine roten Flecken kriegen!
„Liest sich ganz gut!“, bestätigt die Kollegin. „Könntest du bestimmt auch schreiben. Mach das doch mal, so als Bewältigungsstrategie!“
„Ha ha“, lache ich etwas gezwungen, „wo soll ich das denn noch in meinem Tag unterbringen?“
Die Kollegin zuckt mit den Schultern. Es klingelt. Ich hüpfe auf und will mich zügig zur Türe begeben, doch der Chef drückt mir die Zeitschrift in die Hand.
„Kannst du mitnehmen. Und denk dran, Codewort!“
„Codewort, alles klar, mach ich.“, murmele ich und verlasse das Lehrerzimmer keine Sekunde zu früh.
„Du bist aber rot im Gesicht.“, bemerkt die Kollegin, die mir aus der Aufsicht entgegenkommt.
„Och“, antworte ich unbestimmt, „war ein bisschen warm oben.“
Unglaublich, dass keiner deiner Kollegen bislang etwas ahnt / weiß… Das hätte ich nicht gedacht.
Sooo bekannt ist der blog ja nun auch nicht und meine Kolleginnen und Kollegen sind nicht sehr internetaffin.
Die alte Frau Quandt hat auf die Frage, ob sie die Frau Quandt wäre immer mit „Schön wäre das“ geantwortet.
Genial einfach. Mach ich ab morgen so!
Na dann liest der Schulleiter wohl jetzt hoffentlich nicht den blog, der im Artikel verlinkt war 😀 Dann wird es schwer, sich herauszureden! 😉
Wieso link? … oh.
Hahahaha! Herrlich! Frau Weh auf Tauchstation!
Es ist mir schon ein bisschen warm geworden. Wobei ich betonen möchte, dass ich mich hier kollegial gesehen ja nun wirklich zurückhalte! 😉
Ah! Geht doch! Frau Weh schürt das Feuer schon wieder 😉
Der österreichische Ausdruck für dein Pausenverhalten wäre Schmähstad. Das ist Frau Weh wohl nicht so oft.
Ich stelle mir das jetzt mit diesem leicht süffisanten wienerischen Dialekt vor und bin entzückt über das neue Wort in meinem Sprachschatz 😉
😀 so ein inkognito ist doch was Feines…
Glücklicherweise bin ich in echt wesentlich langweiliger, unscheinbarer und durchschnittlicher, als ich mich hier präsentiere!
Glaube ich nicht, zuzwinker!
Liebe Grüße von Arnie
😂😂😂😂😂 Hahaha 😂😂😂😂😂
Fast erwischt!
Aber auch tolle Komplimente deines Chefs und deiner Kollegin.
Ich grinse immer noch… 😄
Es wäre furchtbar, wenn das rausgekommen wäre! Ich müsste dann bestimmt alle Elternbriefe schreiben.
Das wäre sicherlich auch die Reaktion meines Schulleiters, wenn er heraus bekäme, dass solch ein Schreibtalent in seinem Kollegium sitzt 😉
Es braucht nur eine gründliche Kollegin/einen gründlichen Kollegen! Sei froh, dass ich nicht an Eurer Schule arbeite ;-). Steht unter dem Artikel nicht Dein Name?
Klar! Da steht Frau Weh drunter 😉
Ach so! Ich dachte, in solchen Zeitungen stünde der echte Name drunter. Na dann…
Total genial!!! Habe herzhaft gelacht!
Dann bin ich mal gespannt, wie viele Kollegen den Weg hierher finden werden. 😀
Aber schön, wie positiv dein Artikel aufgenommen wurde, sieht man von den gut gemeinten Ratschlägen einmal ab. 😉
Ich habe alle Ratschläge umgesetzt, ehrlich! 😉
Dann sind wir alle beruhigt. 😉
Hat auch sofort geholfen! Tolle Tipps!
Zeigt, dass alles, was in ner Zeitung/Zeitschrift steht, pures Gold ist. 😀
Liebe Frau Weh,
wenn ich ein Freundebuch ausfüllen muss, gibt es so ganz schwierige Entscheidungen. Was ist den nun wirklich mein liebstes Buch, Film,..? Wie alt bin ich noch mal? Wie war doch gleich die Handynummer? „Ich bin ein Fan von“ ist ganz leicht! Helge Schneider, U2, VfB Stuttgart und Frau Weh. (Ich hoffe meine Auswahl ist für dich in Ordnung!) Bisher wundern sich meine Schüler…
Viele Grüße
Simone
Ob deine Auswahl für mich in Ordnung ist …? In einem Satz mit Helge Schneider genannt zu werden, ist ja wohl der Ritterschlag! 😀
Sehr amüsant! So was ähnliches ist mir auch mal passiert, als eine Kollegin einen meiner Beiträge aus einem Forum mit in die Teamsitzung brachte und vorlas… . lustigerweise hatte ich sonst immer Schwierigkeiten mir in dieser Runde Gehör zu verschaffen (hatte oft das Gefühl nicht ganz ernst genommen zu werden, bzw. mit meinen Ansichten relativ allein dazustehen) aber in geschriebener Form fanden sie meine Gedankengänge dann doch gar nicht so doof…
Verrückt, oder? Tja, wenn man etwas liest, hat es direkt einen offizielleren Charakter. Vielleicht solltest du mit deinem Team schriftlich kommunizieren? 😉
Gute Idee, aber nicht mehr nötig, weil ich das Team gar nicht mehr habe (und mit meinem jetzigen klappt die direkte Kommunikation ganz prima…sehr schön das!!!!)
Ich fand die Situation damals aber auch witzig. Ich habe dann sogar „zugegeben“, dass das von mir ist. Zum einen weil ich einfach nicht so „cool“ bin wie du (pokerface kann ich einfach nicht) , aber schon auch, weil ich wollte, dass sie mir das zuordnen können. Sie waren dann tatsächlich ein bisschen verblüfft, und ich bilde mir ein, dass es sogar ein wenig was gebracht hat…