Vielleicht erinnert ihr euch noch: Im Januar war es mir plötzlich ein bisschen viel. Zu viel Material in zu vielen Kisten und Ordnern, die Arbeitszimmer und Kopf verstopft haben. Ich hatte mir vorgenommen, mit weniger Zeug auszukommen, die Neuanschaffungen zu begrenzen und mir wieder mehr Spontaneität im Unterricht zu erlauben. Auch die Digitalisierung meiner Unterlagen ist mir in den Sinn gekommen.
Zeit, mal zu schauen, wie es so läuft.
Das Material
In den letzten Monaten habe ich tatsächlich deutlich weniger Material gekauft oder ausgedruckt. Fairerweise muss ich zugeben, dass dies nicht allein meinem eisenharten Willen zuzuordnen ist, sondern zum großen Teil darauf beruht, dass dies mein … wow!… 10. Unterrichtsjahr in der Schuleingangsphase ist. Da ist einfach schon eine ganze Menge Zeug vorhanden. Zugekauft habe ich etwas für den Rechtschreibunterricht und zwei Karteien für Mathe. Außerdem habe ich Ordner durchgesehen und dabei einige Neu- und Wiederentdeckungen gemacht. Peinlicherweise besaß ich manche Dinge doppelt, was zwar für den (K)Aufforderungscharakter des Materials, aber nicht unbedingt für eine gute Arbeitszimmerführung spricht. Einiges ist nach kurzer Durchsicht direkt in die Papiertonne gewandert, mit anderen Sachen konnte ich Kolleginnen oder den Kindergarten des Miniwehs beglücken. Mein Arbeitszimmer ist nach wie vor der Raum mit der höchsten Materialdichte im gesamten Haushalt, hat aber an Kontur gewonnen. Um es im Sportlerjargon zu sagen: Der Speck ist noch nicht ganz weg, aber es sind schon Muskeln zu erahnen.
Der Unterricht
Was soll ich sagen? Ich bin einfach eine überzeugte Unterrichtsplanerin und höchst ungerne unvorbereitet in der Schule unterwegs. (Was nicht bedeutet, dass ich mit spontanen Programmwechseln ein Problem hätte. Klappt Unterrichtsidee A nicht, kann man ja immer noch auf B oder C zurückgreifen. Es ist mir etwas unangenehm zuzugeben, aber meistens habe ich auch noch Spaß an solch unvorhergesehenen Momenten. Es sei denn, sie gehen mit dem notwendigen Einsatz von Katzenstreu oder Verbandsmaterial einher. Dann finde ich sie uneingeschränt doof.)
Also es geht wenig über eine saubere und durchdachte Unterrichtsplanung. Tatsächlich habe ich aber in den letzten Monaten ein paar ziemlich gute Stunden erlebt, eben weil ich mich aus meiner persönlichen Komfortzone strukturierten Unterrichts gelöst habe und Dinge einfach geschehen ließ. Besonders zu erwähnen wäre an dieser Stelle die Stunde mit dem Ei*. Ganz unbescheiden muss ich zugeben, dass diese einen Glanzpunkt meines Lehrerlebens darstellt!
Und nun?
Vor kurzem sah mein Arbeitszimmer aus, als ob in einem Testlabor sämtliche Tische wegen Termitenbefalls entfernt worden wären und das Arbeitsgerät daher auf dem Boden gelagert werden müsste. Ich war mitten in der Vorbereitung einer Sachunterrichtseinheit zum Thema Schall und die Möglichkeiten, die sich auftaten, ließen eine Flut kreativer Glückshormone im Arbeitsspeicher meines Gehirns frei. Was man da alles machen könnte …! Herrlich! Ideen sprudelten, Kisten wurden geleert und kleine (und größere) Versuche aufgebaut. Das dafür notwendige Material wurde zwanglos und umgehend aus Küchenschubladen, Bade- oder Kinderzimmer entwendet und in die Versuchsaufbauten integriert. Mitten im glückstrunkenen Wühlen dann ein Schrei mit Geschwister-Echo. Wie praktisch, da hatten die Wehwehchen beim lautstarken Streiten doch glatt den Doppler-Effekt gefunden. Der hatte mir noch gefehlt. Und diese Schallwerkstatt da im Internet …
Ausblick
Ich habe noch viel zu tun. Obwohl ich es mir anders vorgenommen habe, schaltet mein Gehirn noch zu häufig in den Haben-Wollen-Modus, wenn es um Unterrichtsmaterial geht. Außerdem habe ich noch zu lernen, dass nicht jede Stunde ein Feuerwerk sein muss, ein bisschen glimmen ist doch auch ganz schön. Wozu ich noch nicht gekommen bin, ist die Digitalisierung meiner Unterlagen. Das werde ich in den Sommerferien schrittweise angehen. In ganz weiter Ferne stünde dann die Umstellung auf digitale Lehrertools. Brrr, da gruselt es mir allerdings noch vor.
Die Schallwerkstatt habe ich übrigens auf ein Minimum zusammengestrichen. Stattdessen habe ich die Zweitklässler ins Treppenhaus geschickt. Auf Pantoffeln und mit Flüstertüten ausgerüstet.
Fortsetzung folgt …
* Die Stunde mit dem Ei war wirklich super. Nur ein Ei und 30 Zweitklässler, eine Tasse Kaffee und ich. Dass ich so etwas Schönes mal erleben durfte!
Liebe Frau Weh,
Ihr Beitrag vom Januar hat mich dazu ermuntert auch bei mir im Arbeitszimmer auszumisten und wegzuwerfen. Auch wenn schon einiges in der Tonne gewandert oder verschenkt worden ist, gibt es noch viel zu tun. Daher motiviert mich dieser Beitrag mich mal wieder ans Ausmisten zu machen.
Schön finde ich auch zu lesen, dass ich nicht die Einzige bin, deren Gehirn manchmal den Haben-Wollen-Modus bei Unterrichtsmaterial einschaltet. Auch bei mir steht dann einiges einfach ungenutzt im Regal. Oder ich entdecke tolles Material (oft erst zu spät), an das ich nicht mehr gedacht habe oder vergessen habe, dass ich es überhaupt besitze.
DANKE, für diesen tollen Beitrag und viel Erfolg beim Clean-Teaching!
Liebe Grüße, Namscha
Ich organisiere ja mein Leben mit Post-it’s. Die klebe ich immer in meine Eisenhower-Matrix vorne in meinen Planer rein. Das Post-it für die Digitalisierung meiner Materialien habe ich jetzt bewusst erstmal wieder rausgenommen und in die Sommerferienzeit verschoben (ich werde One Note ausprobieren), nachdem ich es monatelang immer wieder nach hinten verschoben habe. Ich würde mich freuen, wenn du berichten würdest, wie es dir mit diesem Projekt weiterhin ergeht.
Da bin ich doch mal neugierig auf die Stunde mit dem Ei …!
Liebe Frau Weh, mein ultimativer Tipp: Tapeziere und streiche dein Arbeuitszimmer neu. So geschehen hier in den letzten Sommerferien. Der Raum war leer (dafür standen Flur, Bad und Wohnzimmer voller Kisten, Regale und Möbel zur unbeschreiblichen Freude meines Kindergartenkindes, das Geheimverstecke gebaut hat). Jedes Blatt und jeder Gegenstand, der in den neu gestrichen Raum kam, hatte ich persönlich in der Hand und in Augenschein genommen. Dafür habe ich eine Woche Ferien und mehrere große Müllsäcke verbraucht.
Ei? Was war in der Stunde mit dem Ei? Habe ich was verpasst?
Fragende Grüße,
Mascha
Digitalisierung bringt nur etwas, wenn man sich vorher eingehend mit folgenden Themen auseinandersetzt: suchen, finden, Suchfunktion, Kategorien, Schlagworte, u.a.m. Wenn das optimal und perfekt umgesetzt ist, dann ist man 1000x schneller, als mit Kisten, Mäppchen, Ordnern – vor einem Büchergestell kann man jedoch einfach stehen und mit den Augen schweifen oder sich wage an etwas erinnern. Bei Festplatten ist das schwieriger – auch, weil die Ordnern alle gleich aussehen. Also muss auch noch miteinbezogen werden, wie unser Hirn funktioniert (und wie updates, upgrades, backups). Bedauern grüsst
(Nachsatz für Berufseinsteiger: Organisiere dich ab dem ersten Buch/Blatt, das du ablegst so, als hättest du schon tausend. Spätestens dann wirst du an mich denken.)
Das stimmt allerdings! Vermutlich ist das auch der Grund, warum ich bisher so analog geblieben bin, die Ordner im PC bieten wenig Erinnerungsmarker.
Hallo Frau Weh!
Jo, das „Haben-Wollen“-Virus! Kenn ich das? Och?! :)))
Und die Unterrichtsplanung!
Es ist ja auch definitiv cooler sich jetzt schon Gedanken über die Themen in NW in der zukünftigen Klasse 7a zu machen, und in der weiten Welt des Netzes nach Materialien zu forschen (ist halt auch wichtig für NW – forschen – entdeckendes Lernen, das war Mathe … !) – als für die aktuelle 6a Zeugnisse zu schreiben und die letzten Wochen gut rumzukriegen!
Also – dir weiterhin viel Erfolg bei deinem Vorhaben!
Bei mir geistern so Begriffe wie „Das Arbeitszimmer im Schuhkarton“ durch den Kopf – mit lauter Dateien … ABER – wohin dann mit den Montessori-Materialien, der Steinzeit-Kiste, der Bauernhof-Kiste, der „Messen-Kiste“, den wunderbaren Kunstbüchern, den Weltpuzzeln – NÖ – das Aufräumen des Arbeitszimmers ist genau wie bei dir ein dickes Ziel – aber es hat Grenzen, ganz klar! 🙂
Solange es noch kein Arbeitszimmer in der Schule gibt – werde ich also bei jedem Umzug meine Helfer vorwarnen müssen … he, du weißt, ich bin Lehrerin – Papier ist schwer – und in die Kartons passen zwar mehr Sachen, aber dann kannst du sie nicht mehr tragen! 🙂
Viele Grüße – Vanessa