Über Triebe, Milchsäurebakterien und die Unfähigkeit daraus eine Überschrift zu machen

Frau Müller, ein für sich genommen eher unauffälliges, mittelaltes Mitglied des Kollegiums, erlebt gerade ihren zweiten Frühling. Wir alle dürfen daran teilhaben. Das ist angemessen, schließlich haben wir auch die Trauerphase nach der Trennung ihres Mannes (er hat sie wegen einer Jüngeren verlassen!), die Ignoranz- und die Wutphase zusammen durchgestanden. Dann hat sie sich auf einem Datingportal für Leute mit Niveau angemeldet und lässt es seitdem krachen. Aktuell schwelgen wir also in der Blütezeit neuer Lust und Triebe.

Es ist Montagmorgen, 7.32 Uhr, wir befinden uns im Lehrerzimmer.

„Ist ja ekelhaft, du mit deinen Karl-Heinzen!“, fällt Frau Abendroth der vom Wochenende erzählenden Kollegin ins Wort. Diese kontert beleidigt – erzählte sie doch gerade von einem äußerst vielversprechenden Date mit Dieter aus Dortmund, der ihr zunächst beim abendlichen Nudelgericht mit treuen Dackelaugen die Seelenverwandschaft an- und im Anschluss daran noch viel mehr abgetragen hat.

„Solltest du vielleicht auch mal ausprobieren!“, giftet sie nun also die ebenfalls unbemannte Kollegin an, die jedoch nur mit kehligem Lachen kontert. Frau Müller senkt die Stimme: „Das einzig Blöde an der Sache“, sie beugt sich vertraulich zu mir hinüber, „ist die Sache mit dem Pilz.“ Ich rühre konzentriert in meinem Joghurt und versuche das eben Gehörte nicht in mein Gehirn vordringen zu lassen. Auch der Information, dass sie es leider erst morgen zum Arzt schaffe, versuche ich den Eintritt in mein Universum zu verweigern.

„Muhahaha!“, schaltet sich da nun wieder Kollegin Abendroth ein; offenbar war Frau Müllers Geraune nicht leise genug. „Uns allen gehst du mit deinen Männergeschichten auf den Keks, um uns neidisch zu machen, aber in dieser Frage wendest du dich dann doch lieber an eine verheiratete Kollegin. Mu-ha-ha-HAA!“

Während ich mich noch weit weg wünsche (immerhin ist es Montagmorgen, ein nicht in allen Punkten optimal entspannendes Familienwochenende liegt hinter mir und überhaupt, wen interessiert denn eigentlich Kollegin Müllers Intimregion?!), läuft Kollegin Abendroth zur Höchstform auf, knallt den großen Ordner Sexualerziehung auf den Lehrerzimmertisch und blättert „Verhüüüütung“ flötend die Seiten durch. Wie eine äußerst vergnügte Spitzmaus sieht sie dabei aus.

„Du hast ja wohl voll einen Schaden!“ ereifert sich da erwartungsgemäß schon Kollegin Müller. Es ist ein bisschen wie beim Schlammcatchen. Nur mit weniger Dreck. Bevor die Sache eskaliert, greife ich nach Frau Müllers Handgelenk und lenke ihre Aufmerksamkeit auf mich: „Versuch es mit Joghurttampons!“ Frau Müller – unsicher, ob diese Information nun ernst gemeint ist – schaut wechselweise in mein Gesicht und dann auf den Becher in meiner Hand.

„So normaler Joghurt? Echt? Wie der da?“

Ich ziehe entsetzt meinen Arm zurück. „Nein, der ist aus Soja!!!“