Einmal in der Woche schließe ich symbolisch meine Arbeitszimmertür (die ich ja gar nicht habe, weil ich unterm Dach sitze) und mache meine Wochenplanung. Den perfekten Tag dafür zu finden, ist – wie die Angelegenheit selber eigentlich auch – eine Sisyphosarbeit und mittlerweile bin ich bei Freitagnachmittag angelangt. Ich saß schon am Sonntagnachmittag (ganz blöd, da denkt man dann ununterbrochen dran), Donnerstagabend (irgendwann lag mein Kopf auf der Schreibtischplatte), alle 14 Tage an konferenzfreien Montagnachmittagen (örks), testweise mal ganz ohne Planung (NIE wieder!), usw. Natürlich habe ich freitags die wenigste Energie für stundenlange Überlegungen, aber genau das macht meine Vorgehensweise effektiv. Das Wochenende ruft nach mir und mein Kopf, der die vergangenen Tage über eine Menge nötigen und unnötigen Balast balancieren musste, sehnt sich nach entspanntem Nichtstun, nach Kinderbespaßung (der der eigenen!), nach Werkeln in der Küche oder einem Stündchen am Klavier, ganz alleine. Jeder Mensch hat etwas, das ihn antreibt. Bei mir ist es offensichtlich das freie Wochenende.
Meine Wochenplanung beginne ich immer mit der Wahl der Musik. Die passende Begleitmusik ist nicht zu unterschätzen. Jeder, der gelegentlich oder regelmäßig putzt, wird mir zustimmen. Freitags geht allerdings nichts Wildes mehr. In der Regel läuft es dann auf Jazz oder „Frühstücksklassik“ raus, vielleicht noch ein bisschen Rutter, etwas Palestrina. War die Woche hart, bleibt es auch gelegentlich still unterm Dach. Da summt schon jede Fliege gefährlich nah am eigenen Requiem.
Als nächstes verschiebe ich Stapel. Einiges hat sich ja über die Woche schon auf dem Schreibtisch angesammelt. Das wird zunächst aufgebockt und um den kompletten Inhalt meiner Schultasche ergänzt. Das wackelt dann meist schon bedenklich, sodass ich unverzüglich mit dem Abtragen beginne. Dabei bilde ich neue Stapel – thematisch geordnet: Rechnungen, Elternkrams, furchtbar wichtige Mitteilungen der Schulleitung, neues Material – rund um mich herum. Diese werden dann ebenfalls abgetragen und in einem größeren Radius verteilt. Natürlich habe ich mir zu Beginn des Schuljahres (so wie zu Beginn der letzten 9 Schuljahre auch) vorgenommen, alles sofort ordentlich wegzuräumen. Natürlich klappt das auch dieses Jahr nicht. (Wenn ich mal richtig gut drauf bin, zeige ich ein Bild des Wehschen Arbeitszimmers. Da muss ich aber in Stimmung für sein.)
Wenn so viel Platz auf dem Schreibtisch ist, dass ich mein Planungsbuch (das klassische gelbe in Din A4) aufschlagen kann, beginnt die eigentliche Stundenplanung. Bei 18 Fachstunden hat es sich als sinnvoll herausgestellt, jede Stunde kurz nachzubereiten (wie weit ist die Klasse im Thema gekommen, war etwas Besonderes, hat sich ein Kind besonders positiv oder negativ hervorgetan, usw.), das mache ich aber schon nach dem Unterricht, sodass ich bei der Planung der Folgewoche nicht mehr viel Zeit darauf verwenden muss. Also entsteigen nun 28 brillante, pädagogisch wertvolle, auf- und anregende Stunden meinem Kopf. Fix und fertig wie Athene dem Zeus. In goldener Rüstung und mit vorwitzig gerecktem Speer. Da dieser Prozess eine gewisse Dynamik erfordert, halte ich mich dafür allerdings auch nicht lange am Schreibtisch auf. Stattdessen springe ich vermutl ganz sicher recht schnell auf, um im hinteren Teil des Raumes den Ordner MU III 1 zu holen oder im Stapel IX nach unbeschriebenem Notenpapier zu kramen. Möglichweise kommt mir der flüchtige Ausschnitt eines ehedem gehörten Liedes in den Sinn und ich kann nicht eher ruhen, bis ich am Klavier die passenden Harmonien wiedergefunden habe.
Wenn mein Geist allerdings nicht viel mehr herauslässt als ein müdes Bäuerchen (so wie gerade jetzt), dann… ja dann blogge ich erstmal.
Hahaha :D, danke für den netten Einblick 🙂
Ich bin Erzieherin und grüble auch oft genug über mögliche und unmögliche Angebote/Impulse für meine Schäfchen nach, allerdings weitaus weniger strukturiert muss ich sagen. Die besten Ideen kommen mir grundsätzlich kurz vor Mitternacht. Unter der Woche nicht gerade die beste Zeit, um vorzubereiten. Aber was macht man nicht alles…. 😉
Puh, der letzte Satz hat dich gerettet. Es fing gerade an, mir unheimlich zu werden. 😉
„Da summt schon jede Fliege gefährlich nah am eigenen Requiem“…That´s it!
Genau das ist es, was ich am Lehrerberuf schon seit langem kritisiere. Man lernt weder in der Schule noch im Studium seinen Arbeitsplatz zu organisieren. Und man kann nicht abschalten – es fehlt die Trennung von Arbeit und Privatleben.
Ein großes Vorbild ist für mich die wohl deutschlandweit einzige Einrichtung im Goethegymnasium in Hamburg
http://www.goethe-hamburg.de/konzepte/lehrerarbeitsplaetze-arbeiten-in-der-ganztagsschule
Wir „Normalsterblichen“, die täglich im Büro sitzen, schließen mit dem Beruf ab, wenn wir die Bürotür schließen, ein Bauarbeiter legt die Schaufel weg und auch der Kassierer an der Tanke nimmt sicht nicht einen Kanister Arbeit mit nach Hause und ich kann nach Amtsschließung auch kein Auto mehr zulassen. Aber Lehrer sollen wie Ärzte 24 Stunden nur an ihren Job denken? Mir würde auch nie einfallen, einen Lehrer noch abends nach 20.00 Uhr zu nerven.
PS.: Auch bei mir waren schon Fliegen in großer Gefahr, blöderweise kommen ja immer 5 zur Beerdigung.
Das Hamburger Modell wäre mein Traum. Und der von Herrn Weh. (Nicht allerdings der der Wehwehchen, kramen sie doch so gerne im Material herum.)
Meine Eltern nerven übrigens nicht. Und wenn mal jemand anruft, dann entschuldigen sie sich durchweg für die Störung. Dafür bedanke ich mich aber auch an jedem Elternabend für die reibungslose Kommunikation über E-Mail. Aber (natürlich, leider, Gottseidank?) gehöre auch ich zu den Lehrern, die ihren Beruf mit in den Schlaf nehmen und denen das Wohl der ihnen anvertrauten Kinder auch nach 16.00 Uhr wichtig ist. Wichtig ist die vielzitierte work-life-balance.