Mein Wunschzettel

Liebes Christkind,

ich bin es, die Frau Weh. Wir kennen uns ja schon. Letztes Jahr habe ich mir einen neuen CD-Player für den Musikraum gewünscht und ein paar Trommeln. Vielen Dank noch einmal dafür, das hat ja gut geklappt.

Hier ist mein Wunschzettel für dieses Jahr:

  1. Mehr Zeit. Ich würde mich freuen, wenn ich etwas mehr zu dem käme, was ich richtig gut kann. Das ist übrigens UNTERRICHTEN. Das mache ich gut und in der Regel auch sehr gerne. Dieses Jahr musste ich viel nebenbei machen. Ich sitze in Arbeitskreisen, bei denen über Förderkonzepte oder das Schulprogramm geredet wird. Ich informiere mich regelmäßig bei Therapeuten jeglicher Fachrichtungen oder sitze in Büros des Jugendamtes. Im Kindergarten überprüfe ich den Sprachstand von vier- und jetzt auch fünfjährigen Kindern. Das mache ich während meiner Unterrichtszeit. Meine Klasse ist dann leider aufgeteilt oder hat Vertretungsunterricht. Ich schreibe lauter Pläne und brüte in Konferenzen über noch mehr Plänen. Das ist schade, ich würde viel lieber neue Ideen entwickeln oder mich fortbilden. Manchmal würde ich mich auch einfach gerne regenerieren, damit ich bei Kräften bleibe. Denn anstrengend ist es schon.
  2. Mehr Ruhe. Es wäre schön, wenn man mich eine Weile mit neuen Konzepten in Frieden lassen würde. Dann könnte ich mir meine Schüler anschauen, um so selber zu sehen, welche Fortschritte schon erzielt wurden und welche Hilfen nötig sind. Ich könnte überzeugend sagen „hey, das hast du richtig gut gemacht!“ oder „na komm, das üben wir noch einmal zusammen!“ statt individuelle Förderpläne auszufüllen und Missstand an Missstand zu reihen.
  3. Eine Schulleitung, die mir – wo nötig – auch mal den Rücken freihält. Die sich auch mal traut „Nein!“ zu sagen, wenn lauter neue, lustige Vorschläge vom Schulamt oder vom Bildungsministerium kommen, was man noch so alles in der Schule ausprobieren könnte.
  4. Mehr Personal. Es wäre wirklich schön, wenn jemand anderes meine Klasse und die 70qm im Musikraum kehren könnte. Auch die Bestellung von Ersatzteilen oder Neuanschaffungen würde ich gerne an jemand abgeben. Ein an jedem Tag besetztes Sekretariat wäre ein Traum. Oh und eine Schulkrankenschwester wäre auch klasse! Und, bitte, bitte, liebes Christkind, mach, dass wir nächstes Jahr, wenn unser Hausmeister in Rente geht, einen neuen bekommen. Es ist ganz schrecklich ohne!
  5. Mehr Unterricht. Es wäre toll, wenn alle zusätzlichen Angebote wie Zahnarztkontrolle, Büchereibesuch, Schulfotograf und so weiter am Nachmittag stattfinden könnten und nicht in meiner Kernunterrichtszeit. Es wäre auch schön, wenn ich nicht andauernd irgendwelche Zettel austeilen und Abschnitte wieder einsammeln müsste. Das frisst so viel Zeit, die ich gar nicht habe. Zwei Stunden Deutsch mehr pro Woche wären sinnvoll.
  6. Eigene Arbeitsplätze für jede Kollegin. Ich würde viel lieber länger in der Schule bleiben, wenn ich wüsste, wohin mit mir und meinem Material. Das Fach, das uns zugewiesen wurde, ist leider sehr klein.
  7. Eine Papiertüte.

Liebes Christkind, ich weiß, es ist viel. Bitte halte mich nicht für unmäßig! Ich würde mich schon sehr darüber freuen, wenn du nur einen oder zwei Wünsche erfüllen könntest. Ich bin auch noch eine ganze Weile hier. Du könntest die Wünsche vielleicht über ein paar Jahre abschreiben. Oder in Raten erfüllen. Ich habe ja noch 30 Jahre und ein paar zerquetschte. Da lässt sich doch sicher etwas machen, oder?

Herzlichst, deine Frau Weh

0 Kommentare zu „Mein Wunschzettel

  1. Ok, einer von 7 ist vermutlich noch dieses Jahr drin… 😉
    Was mir an Deiner Liste wirklich gefällt: Dass Du Dir keine neuen/andere Schüler wünschst. Manchmal könnte man zwar einige auf den Mond schießen, doch die meisten wollen voran kommen und können nichts für miese Bedingungen. Oder?

  2. Ich kann mich gut deinen Wünschen anschließen und werde diese (und vielleicht noch andere) ans Christkind weitermelden. Aber wozu die PAPIERTÜTE ?????
    Eine möglichst ruhige Adventszeit wünscht dir Brigitte.

  3. Liebes Christkind,

    das was die Frau Weh sich wünscht, möchte ich bitte auch.
    Bring das ebenfalls allen anderen Lehrern in Deutschland.
    Sie würden nämlich alle gerne unterrichten und sich den ganzen anderen Mist, der zu nichts führt, vom Hals halten.
    Bitte, Christkind, wir sind ganz viele. Und wir würden dann auch wieder an dich glauben, versprochen.
    Liebe Grüsse
    von croco,
    die schon ganz lange Lehrerin ist und trotzdem noch an Wunder glaubt.

  4. Liebe Frau Weh,
    die Wunschliste ist perfekt. Bei mir steht allerdings noch ein weiterer Wunsch mit auf der Liste:
    Liebes Christkind,
    bitte erkläre mir auf einem beiliegenden Zettel, warum immer die netten, unauffälligen und höflichen Kinder umziehen müssen und die anderen eher zuziehen?! Das würde ich nur zu gerne einmal wissen!

    Die Papiertüte würde ich dazu nutzen, einfach mal den Kopf hineinzustecken, wenn ich Ruhe brauche. Ich glaube, so war sie auch gedacht, oder?

  5. Ach, Frau Weh, ich schließe mich in meiner Eigenschaft als Schulkindmutter an – ich wünsche Ihnen all dies. Und dass Sie die Papiertüte nicht brauchen.
    Was die Büchereibesuche etc angeht – würde es eigentlich helfen, wenn man als Eltern mal klipp und klar sagt, dass man das für überflüssig hält? (Beispiel Bücherei: gut ausgestattete Bücherei im Klassenzimmer, gut ausgestattete Schulbücherei, fließend lesen können ca. 4 von den Kindern… aber monatlich ein Büchereibesuch muss sein… monatlich deshalb, weil einzelne Eltern sonst verbieten, dass ihre Kinder Bücher ausleihen. Die müsste ja jemand zurückbringen.)

    1. Ich bin mutig und spreche es am Montag in der Konferenz mal an. Und dann ziehe ich mir die Tüte schnell über den Kopf 😀

  6. Nachdem uns der Chef heute wieder eine neue Verwaltungsaufgabe aufgedrückt hat (Spenden sammeln für Indien), sprechen mir deine Wünsche aus der Seele. Und die Papiertüte ist seeeehhhr wichtig, damit ich in der Pause mal auf die Toilette kann. Sonst sprechen einen auf dem Weg immer die Schüler an: „Frau XY, ich hätte da noch ne Frage!“ oder „Duuuuuu, schau mal was ich zum vespern dabei hab.“ 🙂

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