Gestern bin ich im Baumarkt unterwegs gewesen. Energiesparlampen, ein neuer Klodeckel (die Wehwehchen kriegen Klodeckel klein wie Termiten ein Gartenhäuschen, unvorstellbar), dies und das. Im Mittelgang zwischen Schwingschleifern und dem Schöner-Wohnen-Farbwelt-Mischer stand eine kleine Holzbank. Ein hässliches flaches Kissen lag auch darauf. Darüber ein Schild mit der Aufschrift
RUHEZONE
FÜR UNSERE KUNDEN
BITTE NEHMEN SIE PLATZ!
Im Radius von 3 Metern standen verschiedene Monitore, auf denen lautstark Do it yourself-Videos liefen („Führen Sie den Exzenterschleifer mit leichtem Andruck über die Arbeitsfläche“, „…fragt man sich häufig, welcher Mörtel füllt Fugen zuverlässig…“, „Um den Zylinder zu fixieren, werden nun Zylinder und Schloss miteinander verschraubt“). Die plärrende Durchsage („Frau Wink-Lammel 208, Frau Wink-Lammel bitte!“) komplettierte das akustische Fiasko. Außerdem zog es wie Hechtsuppe. Fürwahr, ein schöner Platz zum Verweilen. Wie verzweifelt oder fertig muss man sein, um gerade hier auszuruhen?
Nun, ich weiß es.
Unser Lehrerzimmer ist auch so ein theoretischer Ort der Ruhe. Praktisch will immer irgendjemand irgendwas von einem. Mal ein paar Minuten Ruhe tanken? Für einen kurzen Moment die Gedanken oder das Material für die nächsten Stunden sammeln? Fehlanzeige. Die größte Hürde liegt in der offenen Tür des Chefinbüros. Da kommt man in der Regel nicht vorbei, ohne einen Auftrag oder einen Kommentar mitzunehmen, den man bis dato gar nicht vermisst hatte. Ich wollte heute nach sechs wahrlich zermürbenden Stunden einfach nur kurz meine Sachen holen und der Referendarin Mut zusprechen. Unglücklicherweise hatte ich die Rechnung ohne Chefin gemacht.
„Aaaah, Frau Weh!“
„Hmmja?“
„Weißt du, ob die schulinternen Curricula für Musik und Religion bereits existieren?“ Blöde Frage. Denn erstens gibt es außer mir niemanden, der das machen würde und zweitens habe ich das noch nicht gemacht. Sonst wären sie ja da. Ich weiß das. Chefin weiß das. Aber irgendwie muss man das Gespräch ja beginnen.
„Ich weiß nicht, hat die schon jemand geschrieben?“ Manchmal hilft es ja, sich blöd zu stellen.
„Das ist wohl deine Aufgabe.“ Ach nee. Überraschung.
„Ja dann… bis wann?“
„Also Montag…“
„BITTE!?“
„Also Montag sprechen wir in der Konferenz darüber. Es fehlen ja noch andere Arbeitspläne. Kunst zum Beispiel. Du bist doch so engagiert im Kunstbereich…?“
Ich nehme die Beine in die Hand und renne ins Lehrerzimmer. Dort lasse ich mich auf einen Stuhl und meinen Kopf mit einem lauten POING auf die Tischplatte fallen. Die Referendarin schaut mitleidsvoll von ihrem Unterrichtsentwurf auf. Ich entwickle mehr und mehr Verständnis für Kollegen, die sich Sofas, Aquarien und Kaffeemaschinen in ihre Klassen stellen. Der Weg ins Lehrerzimmer ist immer so anstrengend. Ich nehme mir vor, morgen die Senseo einzupacken und mitzunehmen. Außerdem Hammer und Nagel, damit ich meinen Mantel nicht mehr an der Lehrergarderobe aufhängen muss. Vielleicht noch ein hübsches Kissen für meinen Schreibtischstuhl. Oh, und unbedingt so ein Schild BITTE NICHT STÖREN. Nach dem Auspacken und Einrichten kann ich mir die leere Tüte dann prima über den Kopf stülpen.
Falls ich doch noch einmal am Büro vorbei muss.
Wenn es hier einen „Ich kann dich total gut verstehen, denn mir geht es haargenauso“-Button gäbe, ich würde ihn bei diesem Beitrag zehnmal drücken! Hätte ich den Platz in meinem Klassenzimmer (und das Geld), ich würde mir Sofa, Kaffeemaschine, Kühlschrank, Kopierer, Bücherregal mit Fachliteratur, Schneidemaschine…hineinstellen. Dann hätte ich vielleicht mal wirklich EINE Pause am Tag!
Und ein Laminiergerät!
Nee, kein Laminiergerät – die stinken doch so: kein guter Pausengeruch! Lieber ein Butler zum Füßekraulen und Herzaufrichten!
Och, das brauche ich nicht, unser Hausmeister ist wieder da. Also nicht, dass der mir an die Füße gehen würde (Gott bewahre!), aber ansonsten ist er sehr brauchbar!
Erstmal die Lachtränen wegwischen… Sofort hatte ich das hier http://skizzenblog.claus-ast.de/2010/12/frohes-fest.html vor Augen 🙂
Und jetzt ein mitfühlendes: O je, Frau Weh! Unglaublich. Musiklehrer sind eh immer und vor Weihnachten besonders mit Extra-Aufgaben beschäftigt (ich sag nur: CrazyFunkyChicken), da kann man doch nicht noch einen Berg obendrauf kippen.
Ha ha, super, das bin ja ich! 😀
und ich brenn dir zu weihnachten eine dvd mit heimwerker-do-it-yourself videos!
Ich hab dich auch lieb 🙂
Ich kann dir sehr gut nachfühlen!
Solche Chefinnen wünscht man wirklich nicht mal seinem ärgsten Feind, hatte selbst jahrelang das Vergnügen.
Nun nach einem Wechsel begegnet mir täglich das genaue Gegenteil: ein Chef, wie man ihn sich nicht besser backen könnte. (Ich würde ihn täglich knutschen, aber das würde er wahrscheinlich falsch verstehen!)
Einen erholsamen Abend ohne Lärm und Zugluft wünscht Frau Reiter
Oh, Frau Reiter, wo ist denn diese tolle Schule??? Einen Mann als Chef finde ich sowieso klasse – und das hört sich so an, wie es sein muss….
Oh, das ist aber toll! Da hast du es ja wirklich gut getroffen.
Oh Oh. Auch ich möchte Ihnen mein Mitgefühl aussprechen. Lehrerinnenchefinnen kann man ja nicht mal in den Urlaub schicken, um sich ein bißchen von denen zu erholen.
Ach Ach
Nee, stimmt wohl 😀
Sie meint doch sicher Montag nächstes Jahr.
Ansonsten schreiben Sie einfach den Lehrplan ab, oh, sorry, copy and paste.
Vorsicht: Schrifttyp wechseln.
Die Kompetenzen wahllos mit K1 bis K9 nummerieren,
die Methoden ebenfalls mit M1 bis M9.
Vermutlich liest das nie wieder einer durch.
So wird es wohl laufen. Aber wie so oft ist es zusätzliche Arbeit, die irgendwie… unnötig ist.
Leider muss ich all eure Gedanken, was Kaffemaschienen etc angeht ein wenig herunterfahren.
Habe eine Senseo in der Klasse stehen gehabt, die in der Frühstückspause von meiner Kollegin und mir benutzt worden ist – und bei Arbeitstreffen mit weiteren Kollegen (und der Chefin) nach dem Unterricht auch gerne von ihnen. Als wir uns dann einen süßen Mini-Kühlschrank zugelegt haben (passte gerade 1 Liter Milch rein!), damit der Kaffee perfekt schmeckt, wurde ich von eben dieser Chefin darüber aufgeklärt, dass diese elektrischen Geräte SCHULSTROM verbrauchen würden – und den müsste ich beim Hausmeister bezahlen.
Danach war uns dann die Lust auf leckeren Senseo-Kaffee vergangen…….
Maschine und Kühlschrank stehen zu Hause, das Betriebsklima ist frostiger geworden (und das, obwohl der Kühlschrank fehlt…).
Mini-Kühlschrank, ich fass es nicht 😉 Aber das mit dem Schulstrom ist der Knaller.
Wir haben eine Saeco im Lehrerzimmer, vermutlich würde ich mit meinem Blümchenkaffee nur belächelt werden.
Sehr schön geschrieben! Dann viel Spaß mit der persönlichen Ruhezone.
An der weiterführenden Schule hatte der Fachsbereichleiter Chemie sich in der Sammlung einen Tisch an einem Fenster eingerichtet und war, wenn nicht im Unterricht, noch am ehesten da zu finden (und konnte eine Tür zu machen, zu der nur wenige einen Schlüssel hatten ;)). Die Biologielehrer müssen in ihrem Materialraum auch noch einen Arbeitstisch gehabt haben.
Zu dem Musikraum gehört doch, wenn ich das richtig verstanden habe, auch noch ein Raum für Instrumente und was man sonst so braucht. Vielleicht findet sich da eine freie horizontale Fläche?
Nana
Der Instrumentenraum ist voll bis obenhin. Aber ich könnte mich unter die Bühne legen.
Ich schwanke beim Lesen der Texte immer zwischen leise und still vor mich hinschmunzeln, Kopfnickend/Bestätigend bis hin zu lautem losbrüllen vor lachen… liebe Frau Weh, ich lese täglich auf dieser Seite – es ist meine Lieblingsseite – um zu erkenne, dass es anderen Grundschullehrerinnen genau so geht wie mir! Das ist überaus unterhaltsam und tröstet einen nach dem ein anderen Tag sehr 🙂 !DANKE!
Das Problem, dass sich nur ergibt, wenn man seine Pause im Klassenraum verbringt und es sich so gemütlich einrichtet ist, dass die Kollegen dann auch die Pause dort verbringen, denn die sind auch froh, wenn sie nicht uns Lehrerzimmer müssen (aus den bereits beschrieben Gründen)!