einer noch

Vogelzwitschern vor dem Fenster, entfernt ist das Plätschern der Dusche zu hören, ansonsten … Stille. Es ist der letzte Ferienmorgen, ich sitze am Schreibtisch und lasse Blick und Gedanken schweifen. Das waren wirklich, wirklich schöne Ferien. Was mir schwerfällt, das Ruhenlassen der Arbeit, das Abschalten und Abstandgewinnen, habe ich dieses Mal gut umsetzen können, was sich im gesamten Familiengefüge bemerkbar gemacht hat. Wir haben viel unternommen, aber auch ganze Tage im Schlafanzug verschlumpft und es war sooooo gut. Nebenbei hat das größere Wehwehchen ein Referat und eine Quartalsarbeit schreiben müssen, doch im direkten Vergleich immer noch mehr Zeit mit Minecraft und Eisessen verbracht. Was für ein Glück! Vokabeln hätten wir etwas intensiver üben können und ein Blick auf die letzten Lateinhausaufgaben hat mich schaudern lassen. 11 Wochen noch. Das wird schon.

Heute also noch ein letzter Tag im Schwimmbad ohne Blick auf die Uhr. Und dann, am Abend,  die Alltagsroutinen: Butterbrotdosen vorbereiten, Dinge parat legen, Mensageld für das große Wehwehchen nicht vergessen, neue Turnschuhe in Miniwehs Kindergartenrucksack packen. Meine Schulsachen liegen bereits gestapelt und abfahrbereit. Drei Tage habe ich intensiv an der Planung bis zu den Sommerferien gearbeitet und mir so einen Entspannungsvorschuss aufgebaut. Was in den nächsten, erfahrungsgemäß extrem anstrengenden Wochen folgt, ist Terminarbeit: Vorbereitung der Elterngespräche, letzte Diagnosen, Zeugnisse. Nebenbei Fahrradtraining, Ausflug, Sportfest, ein bisschen singen hier, ein bisschen feiern dort. 11 Wochen. Klingt nach viel Zeit, ist es aber nicht. Die vielen Feiertage zerpflücken den Arbeitsfluss und lassen anstrengend werden, was eigentlich normalen und längst bekannten Ablauf darstellt.

Für die Erstklässler bedeuten diese letzten Wochen eine Phase des Umbruchs und der Umstrukturierung. Die Freiarbeitsphasen werden kürzer, das Arbeitstempo wird angezogen. Neu sind Logicals, kleine Diktate und eine wöchentliche Rätselaufgabe. Die Schreibzeiten werden ausgedehnt und die erste kleine Lektüre gelesen. Viel Stoff, doch auch viel Spaß.

Aber heute … Familie. Noch einmal im wahrsten Sinne des Wortes eintauchen und treiben lassen. Schwimmbadpommes essen und nach Chlor riechen, genervt mit den Augen rollen, wenn die Wehwehchen streiten (und das tun sie …), Herrn Weh an der Badehose zupfen und in der Rutsche auf einen familienproduzierten Stau auffahren. Schimpfen, lachen, abtrocknen (auch zwischen den Zehen!), nasses Zeug einpacken, irgendwas vergessen, Waschmaschine anwerfen, Wehwehchen vor dem Fernseher parken, Essen machen, küssen und kichern, die Brut ins Bett bringen („Ich will morgen aber nicht in den Kindergarten!“), einen letzten ruhigen Moment auf dem Sofa sitzen und die Ferien Revue passieren lassen. Schön war’s.

Outing

Ich muss es jetzt einfach mal loswerden:

Ich liebe Ganztagskonferenzen!

Niemand, der hektisch an meinem Pulli zupft oder den ich mit einer Frage aus dem Tiefschlaf reiße. Und diese anfänliche Stille! Ach… schön. Den ganzen Tag gemütlich rumsitzen, mal hier, mal dort einer Arbeitsgruppe zugeteilt werden, Kaffee trinken und sich von Experten (oder solchen, die sich dafür halten) zu stets aktuellen Themen (Schulprogramm! Qualitätsanalyse! Inklusion!) belehren lassen. Nebenbei Arbeits- und Fördepläne erstellen, Sachen ausschneiden, Aldiprospekte durchblättern. Zusehen, wie dramatische gruppendynamische Entwicklungen vom Kollegium Besitz ergreifen und hektische rote Flecken von Wangen auf Dekolletés plumpsen.

Ich liebe es.

Wenn es läuft, hat man sich am Ende des Tages gut erholt, den Unterricht für die Folgewoche geplant und eventuell sogar noch was dabei gelernt. Ehrlich, ich möchte mal eine ganze Woche lang nur konferieren!

Ärger, du kannst mich nicht anschmieren

Ich glaub, ich mach mir jetzt doch mal Sorgen. Es läuft nämlich gerade alles. Das ist zur Zeugniszeit – gelinde gesagt –  ungewöhnlich.

Die Zeugnisse sind geschrieben, unterschrieben, gesiegelt und kopiert. Lediglich bei zweien habe ich versehentlich statt des Schulsiegels den „Achtung, wir haben Läuse!“-Stempel benutzt. (Ich bin doch recht froh, dass mir das zügig aufgefallen ist!) Sogar die Proben für die Verabschiedung der Kolleginnen laufen erstaunlich gut. Das Luftpumpenorchester wird ein Knaller und die Viertklässler holen bei Come To Sin wirklich das Letzte aus den Glockenspielen raus, das hat richtig Boom Chica Wah Wah! Sogar die Cajons habens jetzt verstanden und halten einigermaßen ihren Rhythmus. Lediglich die CrazyFunkyChicken sorgen für Spannung, aber da habe ich mittlerweile meinen Frieden mit geschlossen. Ist es nicht wunderbar, dass ich jederzeit mit den Achseln zucken und „wir sind halt in der Grundschule!“ sagen kann? Was bin ich gerade froh, dass ich bin, wo ich bin!

 

 

Wer suchet, der findet

Nein, ich nehm Suchbegriffe nicht persönlich. Überhaupt kann ich mich nicht beschweren, hier landen in der Regel ganz vorbildlich saubere Anfragen. Viel gesucht wird nach Material für Grundschule oder Religionsunterricht, Warm Ups für den Musikunterricht, Löwenzahn im Sachunterricht, Kamishibai und Bulunbulun. Inklusion ist oft dabei und manchmal auch Supermom. Also alles ganz harmlos. (Die Schweineblasen-Geschichte jetzt mal außen vor gelassen, die hat genau wie die Episode mit den Gummihandschuhen und den Luftpumpen-Instrumenten ordentlich Wirbel gemacht…)

Dennoch kommen manchmal lustige Anfragen. Eine Auswahl der letzten Tage:

  • hochbegabte beziehung
  • pärchen kotzen
  • religion tolles schulfach nicht
  • schprachfehler f
  • kuscheln mit fühlsäckchen
  • sei dir selbst eine insel
  • langweiliger unterricht
  • oje
  • ich bin zu müde für karneval
  • tut das der frau weh
  • zeig mir wer blöde ziege gesagt hat
  • lustige nasen
  • ich hätte gern mehr freizeit
  • schweine blasen
  • schlechte unterrichtsvorbereitung
  • stachelgummi
  • farbskala hundefell
  • frau weh grundschullehrerin
  • tääää
  • töte puschi
  • lust und liebe lehrerin
  • ich habe angst vor eltern
  • wozu dient der korken auf der thermoskanne?

Ich gebe zu, dass mich manche dieser Anfragen tatsächlich ins Grübeln bringen. Besonders die Sache mit der schlechten Unterrichtsvorbereitung kommt hier immer wieder. Ich meine, wer googelt das denn? Und warum? Und haben eure Thermoskannen eigentlich Korken?

Stramme Schenkel

Lieber Googlenutzer,

natürlich hat jeder von uns andere Interessen. Ich zum Beispiel sortiere gerne den Inhalt meines Kleiderschranks nach Farben. Das entspannt mich. Dasselbe gilt für die Bücherregale. Daran kannst du schon erkennen, dass ich auch gerne lese. Genau wie du übrigens auch gerne lange Stories. Allerdings habe ich mich bisher noch nicht für die strammen Schenkel von Mami interessiert, nach denen du gestern (vergeblich?) auf meinem Blog gesucht hast.

Aber ich könnte dir ein paar Tipps geben, wie du es selber zu strammen Schenkeln bringst: Da wäre zum Beispiel die Möglichkeit mit dem Fahrrad in die Leihbücherei zu fahren, statt einfach nur im Internet herumzusuchen. Ach, du meinst, die Bücherei führe die gesuchte Lektüre nicht? Naja, das könnte sein, ist ja doch eher speziell. Aber in einer Buchhandlung könntest du mal nachfragen, die haben ja ziemlich viel. Oder können es dir zumindest besorgen. Also nicht wie du jetzt vielleicht denkst Dort gibt es auch ausgesucht gutes Material zum Thema Fitness. Ich empfehle immer gerne die Pilates-DVD von Barbara Becker. Die ist für Einsteiger gar nicht schlecht und auch wenn deine Schenkel bereits ein bisschen trainierter sind, ist das ein gutes Workout.

Ob Barbara Becker Mutter ist? Ja, ist sie. Ich meine mich zu erinnern, dass sie zwei Söhne mit Boris hat. Ja, genau, mit dem Boris. Dessen Beine sind auch recht stramm, denke ich.

Was das jetzt mit Kuschelpädagogik zu tun hat? Du hast dir etwas anderes darunter vorgestellt? Nun ja, so geht es vielen, die sich zum ersten Mal in ihrem Leben auf der anderen Seite des Lehrerpultes wiederfinden. Das ist der Praxisschock, völlig normal. Aber ich muss jetzt leider Schluss machen, lieber Googlenutzer, Supermom wollte sich noch anmelden und mit mir das Frühstück für den Ausflug besprechen. Ob Supermom straffe Schenkel…?!

Also bitte!

Kurzwoche

So, da bin ich wieder. Die freien Tage haben gut getan, waren aber verblüffend schnell wieder vorbei. Ähnliches äußerte auch Nick heute Morgen als er Justin angrunzte, dass er ihn nicht wirklich vermisst hätte. Er garnierte seine herzliche Begrüßung mit einem zärtlichen du altes Doofgesicht! und einem brüderlichen Karnickelfangschlag. Ganz anders Victoria und Pauline, die sich mir in die Arme warfen, als lägen nicht nur vier Tage sondern vier Jahrhunderte der Trennung hinter uns. Die Damen lieben es derzeit theatralisch. Ganz wie ihre großen Vorbilder Rocky und CeCe aus Shake It Up. Völlig überzogen, quietschig und sehr amerikanisch. Auf meinem Schreibtisch wartete derweil eine von Mia-Sophie im Karnevalszug geschnappte Rose, nebst der im Vertrauen zugeraunten Geheimbotschaft, dass sie nächstes Jahr Kinderprinzessin werde. Spannend, wo Supermom doch so eisern darauf achtet, dass das Kind keine Süßigkeiten zu sich nimmt. Armes Ding. Man stelle sich mal vor: Mia-Sophie auf dem Prunkwagen, die Arme voller Kamelle und im Täschchen eine trockene Reiswaffel in Bioqualität für den kleinen Hunger zwischendurch. Das klingt nach richtig viel Spaß.

Insgesamt lief der Tag gesittet und relativ ruhig ab. Selbst die Aufsicht war harmlos, was ich dem Sonnenschein anrechne. (Ich glaube bei Sonne passiert irgendetwas mit den Aggressionshormonen. Vielleicht schrumpeln sie ein oder so.) So war dann auch lediglich ein verletztes Kinn zu flicken und ein Carepaket (drei Rollen Toilettenpapier, zweimal Handtücher) in die Mädchentoilette zu schicken. Die restliche Pause konnte ich meine Nase in die Sonne halten und den Sommersprossen etwas Starthilfe geben. Von mir aus kann es gerne so weitergehen.

Tatsächlich war das aufregendste Erlebnis des Tages, dass ich mir im Musikunterricht bei den Viertklässlern einen Fingernagel abgerissen habe.

Beim Klavierspielen.

Zwischen zwei Tasten.

Wäre jetzt wohl der Zeitpunkt gekommen, um über künstliche Nägel nachzudenken?

Feiertagsgedanken

Noch feiermüdeaberglücklich von der gestrigen Party, Silje Nergaard im Ohr und den Resten eines spektakulären Lacks auf den Nägeln sammle ich die Reste von Frau Weh zusammen und lenke meine Gedanken wieder testweise schulwärts.

Und schweife umgehend wieder ab. Wann haben die Wochenenden angefangen so wahnsinnig wichtig zu werden? Waren wir im Studium und Referendariat noch ständig unterwegs und unter Strom, so brauche ich mittlerweile die Wochenendtage zum Auftanken, Familie(gerne)haben, Merken, dass das Leben auch außerhalb der Schule mich braucht – und umgekehrt. Ich liebe meine Arbeit und ich mache sie (meistens) gerne. Tagtäglich. Aber sie verbraucht Energie, manchmal Unmengen davon, die irgendwie wieder rein muss. Es gab schon Zeiten, da habe ich das nicht so gut hinbekommen mit dem Gleichgewicht. Daraufhin habe ich reflektiert und analysiert, umgedacht und wieder verworfen, mich von Unwichtigem getrennt und Prioritäten neu sortiert. Jetzt geht es besser, auch, weil ich erkannt habe, wie kostbar diese zwei schulfreien Tage sind. Ich müsste lügen, wenn ich behaupten würde, die komplette Wochennach- und vorbereitung ginge mir freitags nach der Schule leicht von der Hand, aber dafür ist das Samstagsmorgengefühl unbezahlbar.

Und so aufgetankt starte ich dann montags in die Schulwoche.

(Und habe Konferenz…)

 

In diesem Sinne, habt ein schönes Wochenende!

 

 

 

 

Die andere Seite

Familie Weh beim Samstagsfrühstück.

Das Miniweh klettert mit einem laut vernehmlichen „Mama, Arm!“ aus seinem Stuhl. Dabei kippt es seinen Becher (glücklicherweise mit Minerwalwasser und Strohhalm gefüllt) um. Herr Weh wischt routiniert mit dem bereitliegenden Tuch auf. Eine undefinierbare Mischung aus Krümeln, Klebematsch und Wasser verteilt sich über der Tischplatte. „Oh, Wassa da!“ empört sich das Miniweh und stapft mit den Füßen durch die Lache, die sich am Boden gebildet hat. Herr Weh schimpft, woraufhin das Miniweh fröhlich und Fußtapsen hinterlassend seinen Weg um den Tisch herum aufnimmt. Ich trinke Kaffee, streiche ein Honigbrot und denke laut über die Wochenendeinkäufe nach. Die Frage, ob wir Huhn oder Fisch zum Salat nehmen, ist noch nicht geklärt. Das mittelgroße Wehwehchen liest derweil hinterm Adventskranz versteckt die tägliche Kalendergeschichte vor und bedient sich der ihm und mir aus der täglichen Praxis gut bekannten Möglichkeit, im allgemeinen Aufruhr noch zu Beachtung zu gelangen: es erhebt die Stimme:

„Die kleine Elsbeth war ein glückliches Mädchen!“

Ich wäre ja für Hühnchen. Der Fischwagen ist schließlich freitags da und nicht samstag. Allerdings gab es gestern auch schon Geflügel. Das spräche mehr für Fisch.

„Sie lebte in einer großen Wohnung und hatte ein kleines Zimmer ganz für sich allein!!“

Das Miniweh erklettert meinen Schoß, patscht mir glucksend seine Marmeladenfingerchen ins Gesicht „Mama, Mini, Kuss!“ und presst sein Gesichtchen in das Honigbrot, das ich gerade zum Mund führen wollte. Hühnchen, wir bleiben bei Hühnchen. Mit einem beleidigten määääauhi springt die Familienkatze (flohfrei!) auf Herrn Wehs Schoß, der sie mit einem lauten „Verdammt, Herr Schmidt!“ herunterwirft. Dabei stößt er an den Tisch. Die Kerzen auf dem Adventskranz flackern.

„Außerdem hatte sie ein kleines Fräulein, das sich nur um sie kümmerte!!!“

So ein kleines Fräulein wäre schon nett. Wir hatten mal eine Putzfrau. Das waren goldene Zeiten. Zumindest bis die ganze Bande dann wieder zu Hause eintrudelte und alles in den Ursprungszustand versetzte.

Herr Weh seufzt. „Wie hältst du das eigentlich aus?“

„Wieso?“, ich wische gerade Grabbel und Honig vom Miniweh und denke an den Wahnsinn, der manchmal die Zweiklässlerbande erfasst, „ist doch alles ganz entspannt hier.“

Bitte nicht stören

Gestern bin ich im Baumarkt unterwegs gewesen. Energiesparlampen, ein neuer Klodeckel (die Wehwehchen kriegen Klodeckel klein wie Termiten ein Gartenhäuschen, unvorstellbar), dies und das. Im Mittelgang zwischen Schwingschleifern und dem Schöner-Wohnen-Farbwelt-Mischer stand eine kleine Holzbank. Ein hässliches flaches Kissen lag auch darauf. Darüber ein Schild mit der Aufschrift

RUHEZONE

FÜR UNSERE KUNDEN

BITTE NEHMEN SIE PLATZ!

Im Radius von 3 Metern standen verschiedene Monitore, auf denen lautstark  Do it yourself-Videos liefen („Führen Sie den Exzenterschleifer mit leichtem Andruck über die Arbeitsfläche“, „…fragt man sich häufig, welcher Mörtel füllt Fugen zuverlässig…“, „Um den Zylinder zu fixieren, werden nun Zylinder und Schloss miteinander verschraubt“). Die plärrende Durchsage („Frau Wink-Lammel 208, Frau Wink-Lammel bitte!“) komplettierte das akustische Fiasko. Außerdem zog es wie Hechtsuppe. Fürwahr, ein schöner Platz zum Verweilen. Wie verzweifelt oder fertig muss man sein, um gerade hier auszuruhen?

Nun, ich weiß es.

Unser Lehrerzimmer ist auch so ein theoretischer Ort der Ruhe. Praktisch will immer irgendjemand irgendwas von einem. Mal ein paar Minuten Ruhe tanken? Für einen kurzen Moment die Gedanken oder das Material für die nächsten Stunden sammeln? Fehlanzeige. Die größte Hürde liegt in der offenen Tür des Chefinbüros. Da kommt man in der Regel nicht vorbei, ohne einen Auftrag oder einen Kommentar mitzunehmen, den man bis dato gar nicht vermisst hatte. Ich wollte heute nach sechs wahrlich zermürbenden Stunden einfach nur kurz meine Sachen holen und der Referendarin Mut zusprechen. Unglücklicherweise hatte ich die Rechnung ohne Chefin gemacht.

„Aaaah, Frau Weh!“

„Hmmja?“

„Weißt du, ob die schulinternen Curricula für Musik und Religion bereits existieren?“ Blöde Frage. Denn erstens gibt es außer mir niemanden, der das machen würde und zweitens habe ich das noch nicht gemacht. Sonst wären sie ja da. Ich weiß das. Chefin weiß das. Aber irgendwie muss man das Gespräch ja beginnen.

„Ich weiß nicht, hat die schon jemand geschrieben?“ Manchmal hilft es ja, sich blöd zu stellen.

„Das ist wohl deine Aufgabe.“ Ach nee. Überraschung.

„Ja dann… bis wann?“

„Also Montag…“

„BITTE!?“

„Also Montag sprechen wir in der Konferenz darüber. Es fehlen ja noch andere Arbeitspläne. Kunst zum Beispiel. Du bist doch so engagiert im Kunstbereich…?“

Ich nehme die Beine in die Hand und renne ins Lehrerzimmer. Dort lasse ich mich auf einen Stuhl und meinen Kopf mit einem lauten POING auf die Tischplatte fallen. Die Referendarin schaut mitleidsvoll von ihrem Unterrichtsentwurf auf. Ich entwickle mehr und mehr Verständnis für Kollegen, die sich Sofas, Aquarien und Kaffeemaschinen in ihre Klassen stellen. Der Weg ins Lehrerzimmer ist immer so anstrengend. Ich nehme mir vor, morgen die Senseo einzupacken und mitzunehmen. Außerdem Hammer und Nagel, damit ich meinen Mantel nicht mehr an der Lehrergarderobe aufhängen muss. Vielleicht noch ein hübsches Kissen für meinen Schreibtischstuhl. Oh, und unbedingt so ein Schild BITTE NICHT STÖREN. Nach dem Auspacken und Einrichten kann ich mir die leere Tüte dann prima über den Kopf stülpen.

Falls ich doch noch einmal am Büro vorbei muss.

Annemie, ich kann nit mih

Gestern traf ich beim Einkaufen eine Kollegin, die ich über ein paar Ecken kenne. Sie erzählte mir von den katastrophalen Zuständen an ihrer ehemaligen Schule, die so untragbar waren, dass sie während des laufenden Schuljahres beim zuständigen Schulrat um Versetzung bat. Diese wurde auch bewilligt. An ihrer jetzigen Schule – so erzählte die Kollegin – sei vieles anders, aber die Kinder…! Und die Kollegen…! Sie wäre nicht gerne dort und streiche jeden Abend einen Tag ab auf einer Liste, die ihre verbleibenden Schultage bis zur Pensionierung dokumentierte.

Es seien noch 78.

Gibt man bei google „burn out“ und „Lehrer“ ein, bekommt man ungefähr 483.000 Einträge angezeigt. Schreibt man es mit Bindestrich, schnellt die Anzahl auf über 1.000.000 hoch.

Warum der Lehrberuf – wie so viele soziale Berufe – hierfür prädestiniert ist, darüber brauchen wir wohl nicht sprechen. Wichtiger: wie lässt sich ein drohender Burnout vermeiden? Herr Rau spielt Ukulele. Klasse Sache. Zwei meiner Kolleginnen spielen Tennis, zwei weitere rauchen viel (kompensieren dies aber durch Gartenarbeit), viele essen Schokolade, manche ausschließlich ampelfarbige Lebensmittel. Eine liebe Studienfreundin hatte zeitweilig wochenends einen enormen Männerverbrauch, eine andere besitzt ein Schuhzimmer, das größer ist als ihr Arbeitszimmer. Eine dritte steht morgens von 5.30 Uhr bis 6.30 Uhr auf dem Crosstrainer. Manchmal befindet sich die sogenannte work-life-balance ziemlich nah am Abgrund des Sonderbaren.

Und Frau Weh?

Der ging es im letzten Schuljahr immerhin mal so mies, dass Herr Weh sich Sorgen gemacht hat. Weil sie doch eigentlich so gerne in die Schule geht. Und mit so viel Herzblut. Und überhaupt. Und dann auf einmal gar nicht mehr gern.

Mir fehlen Zeit und der passende Stoffwechsel für Schokolade, Schuhe oder Sport* und wenn hier am Wochenende Männerbesuch vor der Tür stünde, würde mich das wirklich furchtbar stressen. (Ganz davon abgesehen, dass Herr Weh mir was husten würde. Aber kräftig.)

Bleibts also beim Bloggen.

Läuft heute mal ein Tag so richtig, richtig aus dem pädagogischen Ruder, kreisen meine Gedanken nicht mehr um das warumnurwarumnurwarumnur, sondern darum, wie sich der ganze Käse Ablauf so darstellen lässt, dass es andere zum Schmunzeln bringt.

Bis jetzt läuft das ganz gut.

* Hierbei handelt es nicht etwa um eine unsaubere Alliteration, sondern um eine phonetische. Das geht noch durch.