Little fence of horrors

Der Zaun ist über Nacht gewachsen. Ich bin mir ganz sicher.

Es ist große Pause, ich habe Aufsicht und bin – wiederholt – zum locus delicti gerufen worden. Diesmal hat es Janas Jacke erwischt, sie hängt oben über der Kante und sieht traurig aus. Luis, der verantwortliche Übeltäter, hat sich auf dem Jungenklo verschanzt. Wegen der dort anzutreffenden olfaktorischen Beleidigung verschiebe ich die Anhörung auf später und blicke skeptisch nach oben. Wie gesagt, gestern kam er mir kleiner vor, der Zaun.

„2 Meter! Immernoch! Gestern, heute und morgen auch noch!“ bellt der Hausmeister. Dieser Zaun kostet auch ihn Nerven. Nichts als Dreck haben die Arbeiter hinterlassen. Und wer muss das jetzt wieder wegmachen? Und überhaupt.

„Aber ich komme gar nicht an die Jacke dran. Das können doch keine 2 Meter sein.“, verteidige ich mich. Herr Heinzes Blick misst mich von oben bis unten ab. „Na, Mädschen, also das kann ich mir jetzt auch gar nicht erklären!“, sagts, grinst und zieht die Jacke vom Zaun. „So und jetzt passte mal ganz genau auf! Wenn ich mal nicht da bin, dann musste hier den Bolzen zunächst einmal hoch ziehen, dann rausdrehen, dann nach unten schieben, das Tor aufziehen, feststellen und dann das Ganze wieder zurück!“

(Ich summe leise das Lied vom Nippel und der Lasche vor mich hin.)

„Haste jetzt auch zugehört, Mädschen? Ihr seid hier verantwortlich!“

„Andernfalls Prozess am Hals!“, nicke ich ernsthaft und wiederhole „rauf, rein, raus, runter, fertig! Schon verstanden.“

Leider werden wir unterbrochen, da ich im Augenwinkel bemerke, dass die Zweitklässler ein neues Spiel erfunden haben. Darin sind sie große Klasse. Sie haben schon so bemerkenswerte Spiele erfunden wie „Socken werfen“, „Strohhalm-Dart“ oder auch „Das lustige Rülps-ABC-Spiel mit Ekel“. Ihr kreatives Potential schlägt das ihrer Lernbereitschaft um Längen. Den Zaun haben sie sogleich fröhlich als neues Spielgerät in ihr reichhaltiges Repertoire aufgenommen. Jetzt hat sich gleich ein ganzes Knäuel aus Armen, Beinen und Köpfen an einem der raufreinrausrunter-Tore gebildet und schwingt lustig hin und her. Immer mehr Kinder werfen sich juchzend hinein und klammern sich an Hälse, Schultern oder was auch immer da so rausguckt. Ich seufze leise. Immer muss ich Spielverderberin sein.

Im Laufe der Pause werde ich noch zwei Erstklässler verarzten, die im vollen Lauf gegen den Zaun knallen werden (ihn in unauffällig grün zu streichen war vielleicht nicht die beste Idee), eine – zugegeben dünne – Viertklässlerin unter dem Zaun hervorziehen und mich selber beinahe strangulieren, als ich mit dem Schal an einem der Tore hängenbleibe.

Na das kann ja noch heiter werden.

0 Kommentare zu „Little fence of horrors

  1. Danke Frau Weh, für den erheiternden Beitrag! (auch wenn es vermutlich in der Situation nicht ganz so erheiternd ist 😉 ) Weiter so! :))

  2. Hmmm… vielleicht werden deshalb durch so viele Schulhauszäune Bänder oder Stoffstreifen gezogen …. hatte ich mir noch gar nicht überlegt, dass das vielleicht gemacht wird, damit der Zaun besser gesehen wird!
    Auch ich danke ganz herzlich für die Beiträge „frisch von der Leber“. Sie tun so gut!!!

  3. „Immer muss ich Spielverderberin sein.“ – dabei würde man manchmal so gern mitspielen 😀
    Ein Nachtrag zu Deinem Seufzer „Was soll ich mit einem iPad?“ (entschuldige, bin zu müde, um nach dem Blogeintrag zu suchen):
    Hier gibt’s Infos und die Chance auf eine Testphase mit 5 Stück: http://www.hsd.de/events/146.html
    Bin angemeldet (vom Chef genehmigt) und gespannt 🙂

  4. Wir hatten immer einen Zaun um Schulhof und sonstiges Schulgelände. Sonst wären wir wohl in den Hofpausen sonstwo gelandet und an dem Tag nicht wiedergekommen. 🙂

    Für den Zaun lassen sich doch sicher hübsche (wegen Supermom auch ungiftige ;)) Kletterpflanzen finden, die vielleicht auch noch blühen oder im Herbst schöne Blätter bekommen. Dann ist wenigstens der Aufprall nicht so hart. 🙂

    1. Gute Idee. Die uns anvertrauten Padawan sind allerdings offensichtlich lernfähig. Einmal dagegengelaufen, zack, gelernt. Keine weiteren Unfälle.

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