Gemeinsamer Unterricht – einfach teilhaben

Kein guter Tag.

Zu Beginn der Pause rennen die Zweitklässler aufgeregt zurück in die Klasse: „Frau Weh, Frau Weh, der Jason greift Frau Sommer an!“

Irritiert laufe ich auf den Flur. In einer Traube von Kindern liegt Jason schreiend und tretend auf dem Boden. Über ihm die Kollegin, die ihn zu beruhigen versucht. Ich scheuche die Kinder auf den Pausenhof und versuche herauszuhören, was vorgefallen ist. Jason wollte vor dem Pausenzeichen auf den Hof laufen, die anderen Kinder haben ihn zurückgehalten, daraufhin ist er ausgetickt. Jetzt windet er sich kratzend, beißend, tretend und beschimpft die konsternierte Frau Sommer. Ich komme ihr zu Hilfe, immer noch völlig irritiert. Solche Vorfälle haben wir hier noch selten. Jason ist nicht zu beruhigen, wir lassen ihn weiter wüten und räumen sein Umfeld frei. Ein angebotenes Taschentuch schlägt er mir aus der Hand „Sie sind alle Wichser!“. Ich greife seine Handgelenke locker und sage in bemüht ruhigem Ton, dass es jetzt reicht und wir uns unterhalten können, wenn er sich wieder beruhigt. Er schlägt mir die Fingernägel in den Arm und tritt Frau Sommer in den Bauch. „Lasst mich alle in Ruhe!“

„Lasst mich alle in Ruhe!“, denke ich als ich nach dem Unterricht bei Chefin im Büro sitze und mir anhöre, dass Jason ihr leid tue: Die Familienverhältnisse, die bisherige Schullaufbahn mit bereits erfolgter „besonderer Beschulung“, die jetzige Probezeit in der Regelschule. Er wolle das alles schließlich gar nicht, aber sein Verhalten sei seinem Unvermögen geschuldet sich verbal ausdrücken zu können. Ich lasse die Schimpfwörter in Gedanken noch einmal an mir vorbeiziehen. Meine Handgelenke sind zerkratzt, die Stellen haben mittlerweile zu bluten aufgehört. Die Zweitklässler waren so entsetzt, dass in der anschließenden Unterrichststunde Totenstille herrschte. „Tut es doll weh?“ Nein. Nur innendrin. Chefin will unbedingt Gemeinsamen Unterricht. Schließlich werden jetzt alle Grundschulen sogenannte GU-Schulen. Da dürfen wir doch nicht mauern! Tue ich das? Stelle ich mich einer notwendigen Reform in den Weg? Ja, ich mache mir Sorgen. Mehr als das, ich habe Angst davor alleine in einer Klasse mit 29 Kindern auch noch 6 Jasons sitzen zu haben. Denn schließlich sind es die Förderschulen mit dem Schwerpunkt sozial-emotionale Entwicklung, die zuerst geschlossen werden und deren Schüler auf die Regelschulen rückgeführt werden sollen. Mir erschließt sich der Sinn nicht. Wo liegt der Vorteil einer gleichartigen Beschulung aller? Wer bildet uns Lehrkräfte nachträglich dafür aus? Und wer vertritt die Rechte der anderen Schüler auf „normalen“ Unterricht?

Das schreibt das Ministerium für Arbeit und Soziales zu Gemeinsamem Unterricht, Inklusion und Integration.

Ich fühle mich hilflos, unfähig, wütend, unqualifizert. Nein, wirklich kein guter Tag.

0 Kommentare zu „Gemeinsamer Unterricht – einfach teilhaben

  1. Einen Lehrer auf 29 Kinder halte ich sowieso für zuwenig. Mir hat gefallen, was ich von Falko Peschel gehört habe. Hier erinnere ich mich besonders an: „Auch das Belehren an sich kann Kinder aggressiv machen“ und die Definition des offenen Unterrichts (mit der freien Wahl des Kindes von Ort und Zeit). Aber das ist wohl selten an Schulen möglich.

      1. Sie ist aber zutreffend. Der Streß, den Integration bei Lehrern verursacht, wird schon nicht genug thematisiert, aber die physischen Risiken fallen bisher fast ganz unter den Tisch. Fragen Sie mal einen Mediziner, was Kratzer und vor allem Bisse gerade von Menschen an Menschen anrichten können. Die sind, was das Infektionsrisiko angeht, wesentlich gefährlicher als die von den meisten Tieren.

      2. Absolut RICHTIG! Vor zwei Wochen, Tritt vor’s Schienbein und Biss in den ARM!!! Soviel dazu! Zum Glück ist mein Tetanus „aktuell“! Menschlicher Speichel ist gefährlich… schlimmer als der von Hunden und Katzen…

    1. Na, Hauptsache, man polemisiert schön. Solche Kommentare befinden sich vom Niveau her ungefähr auf Höhe der BILD-Zeitung.

  2. Schon beim Lesen gruselt’s mich und liebe Frau Weh, Sie (und die Zweitklässler und natürlich auch Frau Sommer) tun mir sehr, sehr leid. Kann Chefin nicht mal ein paar Stunden in der Jason-Klasse unterrichten? Oder gar der/die Verantwortliche im Ministerium? Nur um den Unterschied zwischen Theorie und Praxis zu sehen… „Und wer vertritt die Rechte der anderen Schüler auf “normalen” Unterricht?“ Genau.
    „Mir erschließt sich der Sinn nicht.“ Böse Vermutung: Sparmaßnahme. Der Schüler-Lehrer-Quotient in ’normalen‘ Schulen müsste deutlich ‚günstiger‘ sprich ‚billiger‘ als in Sonderschulen sein, oder?
    (Ist es nicht oft so bei Neuerungen ‚von oben‘? Das als *die* Antwort auf den Pisa-Schock gepriesene 8jährige Gym. spart gegenüber G9 einen Jahrgang Deputatsstunden ein…)

    1. Natürlich geht es (auch) ums Geld. Sonderschullehrer sind A13, Grundschullehrer A12. Das (und die Tatsache, dass unsere Klassenstärken wesentlich höher sind) macht schon eine ganze Menge aus.

      Danke für den schönen link!

      1. Oh, interessanter Aspekt, den ich noch nicht kannte bzw. den ich mir nicht bewusst gemacht habe. Danke f.d. Hinweis … eine andere Art wie man an Bildung sparen kann (und auch noch positiv verkauft)

  3. Ach ja, nochwas: Sie sind nicht unqualifiziert, sondern schlicht und ergreifend einer völlig realitätsfernen Ideologie ausgeliefert.

  4. Mir tut Jason leid, aber Sie, Frau Weh, ebenso. Der Sinn von Inklusion kann ja nicht sein, alles schönzureden und die Kinder ins Haifischbecken bzw die Haifische ins Kinderbecken zu werfen, ohne ausreichend Personal bereitzustellen, den Betreuungsschlüssel anzupassen und die vorhandenen Lehrer zu schulen.

    Können Schulleitungen sich weigern, GU-Schulen zu werden, wenn sie nicht das notwendige Fachpersonal, die entsprechende Ausstattung und die Fortbildungen für die Lehrer kriegen? Dann sollten sie es tun.

    Sie brauchen erst mal ein großes Eis und Herrn Weh.

  5. Oje. Das Schlimme ist, dass unter dem Deckmäntelchen der Inklusion Sparpolitik betrieben wird. Ich freue mich über jedes Kind, dass es auf der Regelschule schafft – aber was tut man mit Klassen, in denen man eigentlich noch drei fähige Ganztags-Schulhelfer und den ein oder anderen ruhigen Nebenraum bräuchte, um die Kinder adäquat zu unterstützen?

  6. Als Lehrerin sollte man gelernt haben zu differenzieren … nicht nur im Klassenzimmer, sondern auch in den eigenen Gedanken und gewählten Worten. In vielem haben sie sicher recht! Doch eine so undifferenzierte Kritik am GU ist schwer ertragbar … findet ein Sonderpädagoge im GU einer Grundschule (wo auch nicht imemr alles gut, aber vieles sehr viel besser als im anderen System läuft!) und Vater eines Kindes mit DownSyndrom. Wege entstehen dadurch, dass man sie geht! (Kafka)

    1. Sind sie an Ihrer Schule auch alleine mit 29 Kindern, darunter auch nur eines mit sozial-emotional auffälliger Entwicklung?

      Mir ist nicht ganz klar, was Ihnen hier als „undifferenziert“ aufstößt. Sie haben laut eigener Aussage Sonderpädagogik studiert, sind also vom Fach. Andere Pädagogen sind aber nicht automatisch Sonderpädagogen, so gut sie auch sein mögen.

      Mich als Leserin des Blogs hier würde interessieren, was Sie als Fachmann Ermunterndes zu der Situation zu sagen haben. Positive Erfahrungen mit der Integration? Schlaue Methoden der Schulleitung, die Rahmenbedingungen zu verändern, so dass genug Betreuung für die Kinder da ist, die sie brauchen? Aufmunternde Worte, um den Pädagogen, die schließlich keiner gefragt hat, ob sie den Weg gehen wollen, selbigen schmackhaft zu machen.

    2. Mich als pädagogischen Laien aber besorgtem Ehemann würde es sehr interessieren, welche Ratschläge Sie als GU-erprobter Fachmann für das weibliche Grundschulpersonal haben, solchen Gewaltausbrüchen zu begegnen.

      Wenn ein ausrastender Zweitklässler seiner Lehrerin Kratzer, Tritte (und Schlimmeres) zufügt, halte ich das bereits für grenzwertig, auch wenn dies ja scheinbar bereits zum deutschen Schulalltag gehört. Ich denke sogar leicht zynisch, besser eine Lehrerin, als unschuldige Mitschüler.

      Aber muss erst Jasons großer Bruder aus der Vierten kommen, der
      seiner Lehrerin körperlich ebenbürtig oder sogar überlegen ist, und diese ernsthaft verletzen? Ich für meinen Teil möchte nicht anfangen müssen, mir um die körperliche (und emotionale) (Un-)Versehrtheit meiner Frau Sorgen machen zu müssen.

      Ich habe nichts gegen Inklusion und GU-Schulen. Aber dann doch bitte nur an Schulen, die die notwendige Ausstattung besitzen und mit ausreichend qualifiziertem Personal, das sich freiwillig für die Arbeit an einer solchen Schule entschieden hat. Alles andere ist in meinen Augen ausgemachter Blödsinn, und nutzt weder den Kindern noch den Lehrern oder sonst irgendwem.

    3. Ich bin froh, dass Sie diesen ersten (ebenfalls nicht sehr differenzierten) Kommentar noch weiter erläutert haben.

      Im Grunde genommen sind unsere Standpunkte nicht allzu weit voneinander entfernt. Aber bitte beantworten Sie mir eine Frage:

      Würden Sie wirklich wollen, dass ich Ihr Kind unter den an meiner Schule gegebenen Voraussetzungen ohne Sicht auf baldige Verbesserung unterrichte?

    4. Hallo,
      ich habe (als Mutter) miterlebt, wie ein Kind eine Lehrerin und eine Referendarin teilweise gleichzeitig beschäftigt hat, während die anderen 22 Kinder daneben saßen und lerntechnisch in die Röhre guckten.
      Erst als dieses Kind auf die Förderschule „abgeschoben“ wurde, kehrte in die Klasse wieder einigermaßen Ruhe ein.
      Nächstes Jahr soll an unserer Grundschule ein autistisches Kind eingeschult werden. Im Augenblick verweigert das Schulamt (oder wer auch immer) die Abstellung einer/s Sonderschullehrer/in für 4,5 h in der Woche, um dieses Kind zu begleiten. Bisher sieht es so aus, als sei die Schule auf sich gestellt.
      Ist das wirklich der Sinn von Inklusion?

      1. Nein, natürlich nicht. Da ist noch viel Verbesserungspotential drin. Ich hoffe für alle – Kinder, Lehrer, Eltern – dass diese Schwachstellen beseitigt werden können.

    5. „Doch eine so undifferenzierte Kritik am GU ist schwer ertragbar“. Sehe ich auch so, bin Mutter eines sehr ruhigen Jungen und froh über den GU Unterricht.

  7. Arme Frau Weh! Darf man sich öffentlich kritisch über Inklusion äußern? Ich bin auf weitere Kommentare gespannt!
    Habe einen Jason im ersten Schuljahr in der Klasse gehabt. Das war schrecklich, für alle Beteiligten. Ich möchte nicht wissen, was die Erstklässler in diesem Jahr alles zu Hause erzählten… ich ging jedenfalls auf dem Zahnfleisch. Keine Ahnung, wie wir inklusiv ohne zusätzliche Fortbildung, Lehrerstellen, Material und Räumen arbeiten sollen – und wem das helfen soll? Ich werde einem Kind mit besonderem Förderbedarf so nicht gerecht.

  8. Keiner zweifelt an der Idee der Inklusion, es hapert meistens an der Umsetzung in der Realität. Die Förderstunden sind meistens die ersten Stunden, die bei Erkrankung eines anderen Kollegen gestrichen werden, und werden die Förderschulkollegen krank, gibt es so schnell keinen Ersatz für sie. Leider habe ich die Erfahrung gemacht, dass man viel zu oft alleine gelassen wird, obwohl es die Konzepte anders versprechen. Würde das Konzept wie angepriesen umgesetzt, wäre es super, aber als reine Sparmaßnahme leider für die Grundschulen kaum machbar.

    1. Ich empfinde deinen Beitrag als sehr passend. Inklusion ist kein leichter Ausweg und sollte auch nicht als solcher gesehen werden. Die momentane Klassengröße, zusammen mit einer Förderschule ist nicht einfach realisierbar.
      An meiner Praktikumsschule wurde integrativ gearbeitet und der normale Klassenlehrer wird ungefähr ein Viertel der Zeit von andere Pädagogen unterstützt. Erste Klassen sind hierbei aber noch eher im Förderbedarf.

  9. wir hier in Berlin sind jetzt bei INKLUSIONSSCHULEN angekommen, … mein Sohn ist ein Integrationskind und leidet wirklich sehr darunter, dass zum einen 5-9jährige in der Klasse sind … er kann sich nicht konzentrieren und hat das ganze Jahr nur die Stunden abgesessen. Es ist weder gut für „normale“ Kinder noch für „auffällige/behinderte“ Kinder. Mal ganz davon abgesehen, dass es purer Stress für die Grundschullehrer ist. Ich bin gar nicht überzeugt von dem ganzen JÜL (JahrgangsÜbergreifendesLernen) oder Integrations-/Inklusionszeugs, aber was die USA und England machen, dass können wir deutschen doch auch! *kotz*

  10. Ich bin selbst Sonderpädagogin und mir tun alle Beteiligten leid. Ich selbst springe zwischen zwei Schulen hin und her und weiß, dass ich sowohl die Kollegen und insbesondere die Kinder mit der Situation überfordere. Ich werde an der Grundschule sehr freundlich auf- und angenommen, doch komme ich einmal in der Woche und muss mich jede Woche aufs Neue auf die Suche nach einem Raum machen. Schleppe Materialien hin und her und weiß, dass das mein Einsatz zu gering ist. Da hat man schon ein schlechtes Gewissen und seiner eigenen Klasse gegenüber auch. Weiß man doch, dass es gerade den Schülern meiner Förderschule und insbesondere der ESE – Kinder nicht gut tut, dass ich nicht jeden Tag da bin. Und dann hört man von oben, dass insbesondere wir Sonderpädagogen Lernen überflüssig sind, dass können die Grundschullehrer selbst. Liebe Frau Weh, sie tun bestimmt ihr Bestes, aber bei den jetzigen Rahmenbedingungen bleiben alle auf der Strecke. – Und wofür der ganze Papierkram – könnte ich da nicht besser meine Zeit auf Erstellen und Planen von Unterrichtsmaterialien, Unterricht und Förderung verwenden? Traurig wie sich das zur Zeit entwickelt….

    1. Richtig, die ganze Bürokratie kommt ja noch dazu. Ich habe im letzten Jahr Stunden um Stunden mit Hilfeplangesprächen, Förderkonferenzen und Förderplänen zugebracht. Das liegt jetzt alles ordentlich abgeheftet in diversen Ordnern.

    1. Es ist für mich unendlich erleichternd, dass es nicht nur mir so geht. Also… stellvertretend für alle Kommentare…danke fürs Lesen und Antworten!

  11. Hallo Frau Weh, mir geht es was den Bereich Inklusion angeht genauso wie Ihnen! Hilfslosigkeit, Ratlosigkeit und ein Gefühl an mangelnder Qualifikation befällt einen… und die Frage: Wie soll es werden. Ich finde es gerechtfertigt, diese Kritik zu äußern, auch wenn es an bestimmten Schulen gut läuft, die Rahmenbedingungen optimaler sind etc. Aber muss sich diese Fragen doch wohl stellen dürfen!
    Ich kann mich Arnie nur anschließen!

  12. Als überzeugte Gesamtschullehrerin, Klassenlehrerin einer GU-Klasse mit drei (!)- GU-Kindern und Mitglied der Schulleitung meiner Schule kann ich nur sagen… GU ja bitte, aber nicht zum Nulltarif. So wie es jetzt angedacht ist,geht es âuf Kosten aller Kinder und der Lehrkräfte. Sehr schade. Aber ich vermute politischer Gedanke ist, dass Inklusion scheitert und man dann sagen kann, die Eltern haben es abgelehnt.

  13. Ich kann Sie voll und ganz verstehen, liebe Frau Weh!
    Solche Situationen, wie Sie sie beschreiben, habe ich mehrfach erlebt.
    Es ist einfach nur schlimm.

    Ich muss ganz ehrlich sagen, dass mir mittlerweile die anderen Kinder und Lehrer viel mehr leid tun, als das GU-Kind selbst. Das steht einfach in keinem Verhältnis mehr.

    GU kann m.E. nur funktionieren, wenn genügend Personal, Räume und kleine Klassen vorhanden sind. So wie es zur Zeit an den meisten Schulen läuft (laufen muss), ist es eine einzige Katastrophe und geht auf Kosten aller Beteiligter.
    Ich frage mich wirklich immer wieder, wo das noch enden soll und bin zunehmend frustriert, was ich im Schulalltag mittlerweile erleben muss.

  14. Da habe ich auf Enter gedrückt und war noch gar nicht fertig. Tsss.

    Ich bin Mutter eines Kindes mit Entwicklungsverzögerung. Mein Sohn geht an eine Förderschule. Und das ist gut so!!!
    In einer Integrationsklasse würde er völlig untergehen. Er ist ein lebensfroher Junge, der Feude an Schule und Lernen hat. Aber eben in geschütztem Rahmen. Eine Klasse mit 6 Kindern, eine Lehrkraft, eine Erzieherin und viele Hilfkräfte ringsum. Anders wäre es nicht händelbar.
    Ich bange um die Zukunft meines Kindes.
    Es sickern Informationen durch, dass auch die Werkstätten abgeschafft werden sollen.
    Wo führt das noch hin???

    1. Auf welche Lebensrealität treffen unsere Kinder mit Behinderungen denn, wenn die Zeit der Aussonderung in Sonderkindergärten und Sonderschulen vorbei ist? Auf welche Gesellschaft bereiten wir sie vor? Und wer oder was gibt uns Eltern das Recht für unsere Kinder zu entscheiden, sie außen vor zu lassen?
      Lernen durch die Herausforderung anderer Kinder ohne Behinderungen ein weiterer sehr wichtiger Punkt der unserer Kindern mit Behinderungen in den aussondernden System vorenthalten wird …

      Allen die entsprechende Ressourcen und gute Bedingungen für den GU fordern gebe ich Recht – natürlich! Guter Gemeinsamer Unterricht braucht entsprechende personelle, materielle und organisatorische Ressourcen. Aber warum soll in Deutschland nicht erfolgreich möglich sein, was europaweit und weltweit die Regel ist – ein integratives/inklusives Bildungssystem?! Kanada – Italien – Norwegen – Finnland – Schweden (darunter Pisasieger) und und und. Dazu viele schon sehr gute Beispiele von integrativen Kindergärten und Schulen in Deutschland (siehe z.B. Jakob-Muth-Preis oder „Inklusionslandkarte“)! Was wollen wir noch, um zu verstehen dass es geht, um uns auf den Weg zu machen?! Und natürlich müssen dabei Fehlentwicklungen wie in diesem Blog angesprochen vermieden werden bzw. wenn sie auftreten konsequent durchdacht und verändert werden.

      Aber … Inklusion (also die Teilhabe aller Menschen an allen Lebensbereichen) ist ein Menschenrecht und durch die Ratifizierung ins Bundesgesetzbuch übernommen. Inklusion ist auch im Bildungssystem nicht weltfremd wie unzählige Länder und viele gute Beispiele in Deutschland schon zeigen. Wichtig dafür ist allerdings, gemeinsam gestalten und verändern zu wollen und zwar alle Beteiligten! Und bessere Bedingungen muss man gemeinsam einfordern!!!

      1. Nicht ganz. Die deutsche (Über)Interpretation der UN-Richtlinie ist durchaus umstritten. „Teilhabe an der Bildung“ heißt nämlich gar nicht unbedingt, daß alle Schüler in einen einzigen Schultopf bzw. ein einziges Klassenzimmer geschmissen werden. Es heißt primär erstmal, daß auch Behinderte _überhaupt_ Bildung erhalten. Lesen Sie mal das Buch „Mein Weg führt nach Tibet“ von Sabriye Tenberken. Es handelt von einer blinden Deutschen (damals schon gut gebildet, übrigens), die zusammen mit ihrem niederländischen Freund in Tibet die ersten Blindenschulen aufgebaut hat und durchs ganze Land zog, um blinde Kinder zu finden und die tibetischen Eltern zu überzeugen, sie bei ihr zur Schule zu schicken.( Bis dahin wurden diese Kinder nämlich als Schande der Familie versteckt – egal wie intelligent sie waren.) _Sowas_ war das vorrangige Ziel der UN!

        Auch die Förderschulen sind ein Teil der deutschen Bildungslandschaft, und insofern ist die Teilhabe Behinderter am deutschen Bildungswesen durchaus schon gewährleistet. Das beweisen zig behinderte Hochschulabsolventen z.B. in Marburg (Blindenbildung)

        Ironischerweise ist es auch noch gar nicht so lange her, daß die UN Deutschland für die im internationalen Vergleich recht gute Umsetzung der speziellen Beschulung Behinderter sogar explizit gelobt hat. Und dieses System wird nun zerschlagen, um ein Sparmodell umzusetzen, das am Ende allen Beteiligten schadet und nur nach außen das Image poliert. Hauptsache, man kann vermelden, daß jetzt alle gleichgemacht sind. Die Kollateralschäden kehren wir mal schön unter den Teppich… Na Mahlzeit.

      2. PS: Überhaupt finde ich die ganze Argumentationskette ziemlich bezeichnend:

        „Behinderte sollen bitteschön nicht unter sich bleiben müssen!“

        Ach? Diese Schüler sind also selbst aus Sicht ihres eigenen Umfeldes nicht die gegenseitige Bereicherung, als die sie für die Regelschüler gepriesen werden? Die Regelschüler werden also den Behinderten vorgezogen, als Umgang für das eigene behinderte(!) Kind?

        Irgendwas paßt da doch nicht… Und bisher hat auch komischerweise noch niemand gefordert, Regelschülern umgekehrt Zugang zu den Förderschulen zu gewähren, oder habe ich da was verpaßt? Dabei sind die prima ausgestattet und haben meist einen traumhaften Betreuungsschlüssel. Seltsam, das Ganze.

      3. Super argumentiert, liebe Ute!! Ich bin echt beeindruckt. Danke! Herzliche Grüße von Arnie

  15. Hallo, an der Grundschule in unserem Dorf (1.-4. Klasse, 47 Kinder) ist die 1. und 2. Jahrgangsstufe kombiniert, woraus sich eine Klassenstärke von 25 Kindern ergibt. In dieser Klasse sind 3 Integrationskinder, wobei jedes Kind eine/n Schulbegleiter/in hat. Das erleichtert doch einiges, möchte ich behaupten. Ist das an Ihrer Schule anders geplant? Gibt es da noch kein Konzept seitens der Schulleitung oder des zuständigen Schulamtes? Bei uns scheint alles recht gut zu laufen. Die Kids mit Handicap lernen ihren Möglichkeiten entsprechend und wer für weiterführende Schulen lernt, hat sein Ziel bisher auch nicht verfehlt.

    Viele Grüße und Wünsche für ein besseres Morgen,
    Matze Brietz

    1. Das ist ja das Paradies. Jedes I-Kind mit Schulbegleiter. Bei uns sieht die Realität anders aus. Wir haben noch nicht einmal genügend Förderlehrer für die I-Kinder.
      Und außerderm: Wenn ich Förderschullehrer hätte werden wollen, hätte ich Sonderpädagogik studiert. Das habe ich aber aus vielen Gründen nicht getan. Jetzt stehe ich da und soll Förderschulkinder unterrichten? Das kann es doch nicht sein.

      1. „Und außerderm: Wenn ich Förderschullehrer hätte werden wollen, hätte ich Sonderpädagogik studiert. Das habe ich aber aus vielen Gründen nicht getan. Jetzt stehe ich da und soll Förderschulkinder unterrichten? Das kann es doch nicht sein.“

        Sie sind Lehrerin geworden und wollten Kinder unterrichten! Richtig? Wie ist den Ihr Bild von Kindern, wie ist ihr Bild von Kindheit und Chancengerechtigkeit in Deutschland?! Sind Kinder mit Behinderungen und/oder Beeinträchtigungen keine Kinder die gleiche Chancen und Teilhabe verdienen?!

        Immer mehr Kinder in Deutschland wurden und werden aber in Deutschland auf Förderschulen abgeschoben. Und der große Teil davon sind Kinder, die keine Behinderungen haben! Stattdessen sind es Kinder die Lernbeeinträchtigungen und/oder besondere Förderbedarfe im Bereich ihrer emotionalen und sozialen Entwicklung haben (Förderschulen Lernen und emotionale und soziale Entwicklung) oder die besondere Förderbedarfe in ihrer sprachlichen Entwicklung aufweisen! In Deutschland gehen 42,6% aller Förderschüler auf die Förderschule Lernen (diesen Förderschultyp gibt es nur in Deutschland – die Etikettierung „lernbehindert“ gibt es nur bei uns!); 12,2% der Förderschüler gehen auf die Förderschule emotionale & soziale Entwicklung, 10,7% gehen auf die Förderschule Sprache.
        Insgesamt sind dies 65,5% aller Förderschüler, die keine wirkliche Behinderung (im Sinne einer geistigen oder körperlichen Behinderung oder im Sinne einer Sinnesbehinderung haben). Ein Großteil dieser Schüler bekommt aufgrund seiner Herkunft (soziales Milieu, Migrationshintergrund) etc. keine Chance und wird abgeschoben! Dies ist nicht nur im Gutachten von Klemm und Preuss-Lausitz für NRW nachgewiesen.

        In diesem Blog ist „verstänlicherweise“ sehr viel negatives zu lesen. Das hat sicher viel mit Überfordeung durch mangelnde Unterstützung in den Regelsystemen zu tun. Würden bei uns in Deutschland mutigere Entscheidungen getroffen und Ressourcen aus dem Förderschulsystem konsequenter durch Auslaufen bspw. der Förderschulen Lernen, emotionale und soziale Entwicklung und Sprache in die allgemeinen Schulen gesteckt, dann könnten wir flächendeckender das gleiche erreichen wie die absolute Mehrheit des europäischen Auslands: nämlich eine für alle Beteiligten gute und vernünftige Integration/Inklusion von Schülern mit Beeinträchtigungen und Behinderungen im allgemeinen Bildungssystem! In erster Linie würde das den Kindern gut tun und auch wir Erwachsenen (Erzieher, Lehrer, Eltern behinderter und nicht behinderter Kinder und alle anderen Beteiligten) würden nach einiger Anstrengung bemerken, wie gut das gehen kann.

        Wie gesagt treten in diesem Blog leider hauptsächlich die Widersacher eines inklusiven Bildungssystems auf. Hier weiterhin zu antworten wird daher aufgrund von Zeitknappheit nicht möglich sein. Ich möchte aber auf „unsere Homepage“ verweisen, die einige Antworten geben kann und die sachlich informieren und motivieren möchte. Vielleicht beantworten sich hier auch weiter oben an mich gestellte Fragen: http://www.inklusion-olpe.de.

        Grüße in die Runde und die Hoffnung, dass sich auch Befürworter noch mehr einmischen…!

      2. Seltsame Interpretation. Analogie aus einem anderen Bereich: „Sie wollen doch Menschen helfen, oder? Dann werden Sie ja wohl auch ein paar Stents in die Herzkranzgefäße setzen können, auch wenn Sie nur Zahnmedizin studiert haben!“

        Dieses Negieren der Extra-Anforderungen und -Anstrengungen trägt doch gerade dazu bei, daß die Lehrer sich ausgeliefert und alleingelassen fühlen mit der Problematik.

        Dieser unterschwellige Vorwurf, wer das als Lehrer nicht packt und sich von der Regierung über den Tisch gezogen fühlt, sei ein lustloses Weichei und hätte ein „falsches Bild“ von Kindern, diese Unterstellung, man spräche den Kindern generell die Chance auf Integration ab – was soll das denn bitte? Das ist doch völlig unsachlich und nebenbei bemerkt auch unfair.

        Und so ganz am Rande sollte man sich vielleicht mal über die Besoldung von Lehrern unterhalten, die als „normale“ Primarstufenlehrer eingestellt wurden, nun aber die Arbeit von Förderschulpädagogen leisten sollen.

      3. @ Heinemann
        Danke für den Link und danke für den tollen Beitrag. Ich war sehr glücklich darüber als man mir von dieser möglichkeit des GU Unterricht erzählte. Auf der suche nach mehr Info, bin ich auf diese Seite gestoßen. Schade das hier keiner an die Kinder denkt, die nun nicht so sind wie die anderen, denen man als Eltern aber helfen möchte und muß, damit die Zukunft dieser Kinder so normal wie möglich wird.

    2. Vielen Dank für die guten Wünsche!
      Integrationshelfer haben nicht zwingenderweise auch eine pädagogische Ausbildung, sind also nicht unbedingt der Stein der Weisen. Und es gibt auch nicht automatisch für jedes Inklusionskind einen Helfer dazu, siehe mein heutiger Beitrag.

      Nicht die Idee an sich ist falsch, aber die gedankenlose Umsetzung.

  16. Aber hauen die da nicht schon wieder was durcheinander? In der Stellungnahme des Ministeriums… ist doch von Menschen mit Behinderungen die Rede? Da denke ich an geistige oder körperliche Behinderungen. Etwas, womit Menschen geboren werden, oder was durch Krankheit oder Unfall zugefügt wird.
    Kindeer mit sozial-emotionalen Entwicklungsstörungen gehören da doch nicht dazu? Denn es sind ja ENTWICKLUNGSstörungen, die ihnen die Umwelt erts zugefügt hat. Allein für diese Kinder finde ich es ungerecht, sie in Regelschulen zurückzuführen, brauchen sie doch besondere Unterstützung, um ihre teilweise heilbaren Defizite bestmöglich verringern zu können.

  17. …inklusion = momentan eine reine sparmaßnahme, ähnlich der abschaffung des differenzierten schulsystems in berlin oder der einführung des g8 in bayern. und zwangsbeglückung durch inklusion (für beteiligte lehrkräfte wie für beteiligte kinder) ist grundsätzlich eine dämliche idee. die wahrheit ist konkret („ist inklusion in diesem einen konkreten einzelfall sinnvoll, machbar, gewollt oder nicht?“), nicht ideologie („inklusion ist sch*** blablubb“ vs. „inklusion ist ein menschrecht blabubb“).

    1. Im Prinzip richtig. De facto ist es aber längst ein gesellschaftliches Tabu, jemals zu dem Schluß zu kommen, für Kind XY sei eine Förderschule besser. Das wird fast immer mit dem „Argument“ abgebügelt, man wolle sich ja nur nicht genug Mühe geben.

      Inklusion ist inzwischen in Deutschland keine individuelle Chance mehr, sondern ein Dogma.

      1. ein hoch auf dogmen. es ist ja so schön, wenn man weiß, wie die welt so ist. inklusion = geil, förderzentren = sch****. super, so diffenerenziert und ideologiefrei, diese sicht auf die welt…

      2. Ist so, leider. Ein Wort gegen Inklusion – und sei es nur bei einem bestimmten Kind – und man steht sofort in der braunen, behinderenfeindlichen Ecke.

  18. “Tut es doll weh?” Nein. Nur innendrin.

    Ja, so ist es. Ich könnte jetzt stundenlang von der Schule, an der ich schon unterrichtet habe. Mit allen Kindern des Jahrgangs, Orientierungsstufe heisst das, Klasse 5 und 6, ohne Aufteilung in die Schulformen. Ja, wir hatten Sonderschullehrer, zu Anfang, ja, es gab Teamteaching, als zwei Lehrer in der Klasse, zu Anfang. Dann aber wurde abgebaut, wir wurden zum Steinbruch, eine Katastrophe. Der Widerstand der Eltern hat dann die Schule aufgelöst.
    Später ein weiterer Versuch der Integration.
    Die lernbehinderten Kinder waren meist die Armen, auf dem Pausenhof, bei den Klassenkameraden. In der Stunde konnten die Kollegen das Schlimmste verhindern, aber danach?
    Ich habe damals allen politisch Verantwortlichen, die ich traf, angeboten, mal einen Vormittag mitzugehen. Nur von Stunden zu Stunde.
    Es ist nie einer mit, nie.
    Es hat nie einer geglaubt, dass man fünf Pausenaufsichten braucht für einen Hof.
    Ein Aggressionspotential sondergleichen.

    Ich rede nicht von körperbehinderten Kindern. Darauf kann man sich einstellen, ohne Probleme. Aber was man geistig- und lernbehinderten Kinder antut, das überlegt sich keiner.

    Es geht nicht. Zumindest nicht billig, worauf es, wieder mal, hinausläuft.

    1. Wie steht es mit (behinderten) kranken Kindern. Letztens habe ich eine Anleitung gefunden nach der dann der Lehrer Insulinspritzen soll. Angeblich alles durch die Versicherung bei der Unfallkasse gedeckt. Medikamentengabe? Wie weit soll so etwas den gehen? Was sollen LEHRER! nicht Pflege-/Betreuungspersonal sondern LEHRER! denn noch alles machen?

      1. Das ist eine gute Frage. Wir haben bisher verschiedene medizinische Einweisungen erhalten. Dabei ging es allerdings um Notfallmedikamente bei Diabetikern, Asthmatikern oder Allergikern. Chronisch bedingte Medikamente verabreichen wir (noch?) nicht.

  19. Ich arbeite seit diesem Jahr inklusiv. Klasse 1 mit 30 Schülern, davon 5 inklusiv. Diese Kinder werden bei uns unterrichtet, zählen aber zur Förderschule sozial-emotionaler Bereich und deshalb wurde die Klasse trotz Klassenteiler nicht getrennt ( da in meinem `Teil`nur 25 Kinder sind).In den Berichten der Förderschulkinder steht, dass sie niemals in eine Regelklasse eingeschult werden können und dann setzt sie das Schulamt in solch eine große Klasse.
    Es sind so viele Kinder dabei, die unsere ständige Aufmerksamkeit fordern. So viele Kinder bleiben dabei auf der Strecke, weil die Zeit und Kraft nicht reicht. WIe viel besser wären manche an einer Förderschule aufgehoben, in kleinen Klassen, mit viel Hilfe und einem anderen Lehrplan.
    Das große Glück ist, dass ich in jeder Stunde eine Förderschullehrkraft dabei habe und selbst dann ist es kaum zu schaffen. Wie es im zweiten Schuljahr weitergeht, kann uns jetzt noch niemand sagen.
    Inklusion ja, aber nicht um jeden Preis und auch nicht für jedes Kind das Gelbe vom Ei.

    1. Deine Schülerzahl ist eigentlich ein Schlag ins Gesicht angesichts 5 Inklusivkinder! Da kann man nur den Kopf schütteln, wenn es nicht so traurig wäre.

  20. Ich stimme – entgegen der hier herrschenden Gesamtmeinung – Heinemann in fast allen Pukten zu.

    Dass die Umsetzung des für mich absolut richtigen Gedankens der Inklusion in den meisten Fällen hapert, haben hier viele und nicht zuletzt Frau Weh selbst beschrieben. Das ist schade und viele Begründungen, warum das so nicht klappen kann, sind absolut richtig.
    Der Argumentation, Kinder vom gesellschaftlichen Tun (und das ist die Grundschule in diesem Alter) ausschließen zu müssen, weil sie irgendwie anders sind, stimme ich aber absolut nicht zu.
    Es sind nicht die Kinder, denen wir die Schuld geben dürfen, warum unsere Schule nicht immer reibungslos funktioniert.

    Ich habe an einer Schule gearbeitet, an der seit 15 Jahren GU praktiziert wird. Nicht alles läuft dort reibungslos – nicht für jedes Kind ist diese Schule der richtige Förderort – aber: Es funktioniert. Und zwar gut für GU- und Regelschüler.

    An meiner jetzigen Schule herrscht das genau gegenteilige Klime: GU? Um Gottes Willen. Aber – auch wenn jetzt wieder viele KollegInnen aufschreien* – in vielerlei Hinsicht ist es zumindest bei meinen Kollegen der fehlende Wille, sich auf neue/ andere Dinge einzulassen – und den Unterricht zu individualisieren und zu differenzieren – oder überhaupt erst einmal diese Gedanken zu denken.

    LG Alexandra

    *Achtung,wem dieser Schuh nicht passt, der sollte ihn sich jetzt auch nicht anziehen 😉

    1. „Der Argumentation, Kinder vom gesellschaftlichen Tun (und das ist die Grundschule in diesem Alter) ausschließen zu müssen, weil sie irgendwie anders sind, stimme ich aber absolut nicht zu.
      Es sind nicht die Kinder, denen wir die Schuld geben dürfen, warum unsere Schule nicht immer reibungslos funktioniert.“

      Aber das tut doch niemand. Im Gegenteil lese ich bei vielen Kommentaren die Sorge heraus, den verschiedenen Ansprüchen einer zutiefst heterogenen Großgruppe nicht gerecht werden zu können. Und zwar nicht aus dem Unwillen heraus Neues zu wagen, sondern aus dem Gefühl der Unkenntnis und mangelnden Ausbildung herrührend.

    2. Und dazu kommt noch, dass viele, die das System von innen kennen, bei solchen großen Änderungen sehr misstrauisch sind, weil sie dahinter eine Sparmaßnahme vermuten. Wenn man sich die Personalschlüssel der Förderschulen anschaut, dann kann man sich nicht recht vorstellen, dass die Politiker und Behörden das mit der Inklusion der Kinder eins zu eins auf die „Regel“schulen übertragen wollen, allein schon, weil es so viel Geld kostet, Kinder mit welchen Schwierigkeiten auch immer zu betreuen.

      Ich habe auch nicht gelesen, dass hier irgendwer pauschal gegen Inklusion ist. Bin ich auch nicht. Aber nicht zum Nulltarif, das geht nämlich auf Kosten aller Betroffenen – nur nicht auf Kosten der Politikerinnen, die sich dann mit einem Inklusions-Aufkleber brüsten können.

      1. Ich denke, wir sind mit unseren Standpunkten nicht allzuweit voneinander entfernt 😉

  21. Also ich habe ein nach dem Ref. ein Jahr an einer Föderschule (Sprache) gearbeitet und habe da erlebt, was für ein Paradies das für die Kinder dort ist. Niemand fühlt sich von der Gesellschaft ausgesondert, so wachsen in einem Schonraum auf, der ganz wichtig für sie ist.Vor der ersten Klasse haben sie eine Eingangsklasse, heißt sie haben für die Inhalte des 1 Schuljahres 2 Jahre Zeit – und die brauchen sie auch! Wie soll ich ihnen das an der Regelschule bieten? Und der Witz: Es gab einige Kinder die durchaus an die Regelschule zurückgeführt werden könnten, aber die Eltern weigern sich!!! Weil sie die Förderschule und die Möglichkeiten, die die Kinder dort haben, so sehr zu schätzen wissen!!! Ich kann es verstehen!
    Und mal ganz davon ab. Was ist denn mit Kindern, die nicht ESE oder LB sind? Die Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung haben? Tuen wir denen ALLEN einen Gefallen an der Regelschule? Es gibt doch genügend Kinder mit Förderbedarf, die an der Förderschule in wichtigeren Sachen wie Deutsch und Mathe unterrichtet werden. Die lernen, sich etwas zu essen zu kochen etc… praktische Dinge, die sie in ihrem Leben brauchen! Darüber sollte man auch mal nachdenken!

    1. Ich habe vor langer Zeit als Berufsanfänger an einer Hauptschule ein Sonderschulaufnahmeverfahren für eine Schülerin eingeleitet , die kam dann auch an eine LB-Schule. Das hat diese Schülerin tief traumatisiert, als ich sie Jahre später in einem Supermarkt traf (sie machte dort ein Praktikum) hat sie mir noch weinend erzählt wie sehr sie das verletzt hat und als wie demütigend sie es empfindet an einer „Beklopptenschule“ zu sein.
      Nach dieser Erfahrung habe ich nie wieder ein AOSF gemacht.
      Heute in „meiner“ Gu Klasse könnte ich diese Schülerin einfach als AOSF laufen lassen, und dann Zieldifferent weiterbeschulen. Mit der Aussicht auf Zielgleich und eventuell sogar auf einen Hauptschulabschluss .
      Die Leute die gegen GU sind tun oft so als wenn alles früher super gewesen wäre und die Sonderschulen optimal gefördert hätten.
      Haben sie nicht.
      Es gab auch da Kollegen die sich nen lauen Lentz gemacht haben und das grade an der Förderschule den ganzen Tag mandalas ausmalen ließen. da haben die SchülerInnen dann auch nix gelernt.
      Es gab natürlich auch gute Förderschulen.
      Aber man muss fairerweise dann auch gute Förderschulen mit gut funktionierendem GU vergleichen.
      Kritikwürdig ist natürlich das die Hauptschule (ich bin an einer) den ganzen GU stemmen sollen und die Realschulen einen Teil und sich die Gymnasien und Gesamtschulen zurückhalten.

    2. Als Ergänzung:
      Auch für mich eine Premiere: In „meine“ neue 5 kommt ein GB Schüler.
      Darauf bin ich auch wirklich gespannt.
      Aber ich gehe nicht davon aus, dass es automatisch nicht funktioniert.

  22. Ich bin über einen Artikel in der ZEIT auf diesen Blog gestossen. Als Mutter eines geistig behinderten Kindes stellt sich für mich nächstes Jahr die Frage der richtigen Schulwahl.
    Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass mein Sohn selbstverständlich besondere Förderung benötigt. Allerdings kann ich unter ethischen Gesichtspunkten keine Begründung dafür finden, warum dies an einem Ort geschehen muss, der weit von der „normalen“ Gesellschaft entfernt ist. Vielleicht wird er niemals schreiben lernen und immer auf Hilfe der Gesellschaft angewiesen sein. Ist es da nicht viel wichtiger, dass er akzeptierter Teil der Gesellschaft sein kann? Dass man ihn in der Nachbarschaft als liebenswerten Menschen kennt? Dass die Kinder auf dem Spielplatz bei seinem Anblick nicht betroffen zur Seite sehen sondern ihm als Schulkameraden zuwinken?
    Sonderschulen sind in der Regel nicht wohnortnah, sondern es werden Kinder aus einer bestimmten Behinderungs-Schublade per Fahrdienst oft eine Stunde und länger zu ihren Sammelschulen durch die Gegend kutschiert. So wird er in unserem Stadtteil unter den Kindern zum natürlichen Aussenseiter gemacht. Auch für seinen „normalen“ Bruder ist eine solche Situation nicht schön.
    Andererseits sehe ich aber natürlich auch, unter welch skandalösen Rahmenbedingungen Inklusion hier umgesetzt werden soll. Und dass es in dieser Form zu Lasten der Lehrer aber auch meines Kindes ginge, seinen Platz in der Regelgrundschule einzuklagen.
    Wenn ich ihn aber gleich an der Sonderschule anmelde, wird die Politik irgendwann sagen „ach, keine Notwendigkeit für mehr Finanzmittel für Inklusion. Die Eltern wollen das ja gar nicht.“ Wie soll es dann jemals besser werden.
    Ich habe daher bereits vor langer Zeit unserer Grundschule meine Bereitschaft mitgeteilt, als Mutter die notwendigen Resourcen (Räume, Personal, etc) zu erkämpfen. Leider hat die Direktorin keine Zeit für mich und möchte erst kurz vor knapp mit mir sprechen. So kann das nichts werden.
    Also wird es für meinen Sohn ab nächstem Jahr wohl doch heissen: willkommen in der Parallelgesellschaft. Traurig.

    1. Danke für die ausführliche Antwort, Ja, es ist schwierig. Ich führe genau diese Gespräche seit über einem Jahr mit der Mutter eines meiner Inklusivkinder, die die Entscheidung für die Regelschule immer wieder überdenkt. Ich denke, es gibt so viel persönliches Für und Wider, dass sich eine allgemein gültige Meinung nicht fällen lässt. Einig sind wir uns aber immer darüber, dass die Art der Umsetzung nicht richtig ist, weil alle irgendwo auf der Strecke zu bleiben drohen. Bei mir selber merke ich, dass – da ich keine weitere Lehrerunterstützung habe – ein Hauptteil meiner Energie sich auf ein, zwei Kinder konzentriert und das geht durchaus zu Lasten anderer.

    2. @ Frohbuergerin
      such dir Hilfe bei anderen betroffenen Eltern z. B. über die Landeselternvertretung. Beantrage einen Schulbegleiter für dein Kind. Lass dich von der Schule nicht abweisen.
      Mein autistischer Sohn hat die Regelschule absolviert. War nicht unbedingt einfach für ihn, für mich und zeitweise auch nicht für seine Lehrer. Es ging nur, weil ich unermüdlich drangeblieben bin. Eine passende Sonderschule hätte es für ihn nicht gegeben, sonst hätte ich phasenweise schon mal drüber nachgedacht, ihn aus der Regelschule zu nehmen.

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