Der erste Elternabend

Ich atme tief durch, als ich am Abend vor der ersten Klassenpflegschaft die Tür aufschließe. Der Raum strahlt vor Sauberkeit, alles ist vorbereitet für den großen Tag. Doch zunächst gilt es die neuen Eltern kennenzulernen und – ganz sanft, aber bestimmt – in eine schuloptimistische Grundstimmung zu versetzen. Wie immer bei diesen aufregenden ersten Elternabenden werde ich auch diese Elternschaft um einen gesunden Vertrauensvorschuss bitten und um die Ruhe, die sowohl die Kinder, als auch ich brauchen, um einander kennenzulernen. Diese ersten Schulwochen sind die wichtigsten, sie legen den Grundstein für all das, was kommt. Gelingt es, einen durchdachten und herzlichen Anfangsunterricht mit den Erstklässlern zu gestalten, so schaffen wir eine gute Basis für den enormen Lernzuwachs, der im 1. Schuljahr vonstatten geht.

Immer sind es diese verflixten ersten Wochen, die zählen: Bei einer Schwangerschaft, nach der Geburt, eigentlich nach jedem Wechsel, jeder Wegmarke, die ein Mensch durchläuft. Jetzt gilt es. Die Vorbereitung, der offene Blick, auch die Fähigkeit Kinder, Eltern und Begebenheiten annehmen zu können, wie sie sind. Dieses Mal besonders spannend, weil auch für mich alles neu ist.

Doch es bleibt nicht viel Zeit zu grübeln. Die ersten Eltern kommen zeitig und freuen sich über den schönen Raum, der ab morgen für viele Stunden zum Lernort ihrer Kinder wird. Ich lade sie ein, sich umzuschauen, Fragen zu stellen und auch Dinge in die Hand zu nehmen. Schnell wird es fröhlich im Raum, es wird gelacht und ich sehe, wie die Scheu langsam weniger wird. Dann ist es kurz nach acht. Alle Eltern sind da, was ganz neu für mich ist, bei manchen sogar beide Elternteile. Wir müssen Stühle aus der Nachbarklasse holen und es wird eng im Raum. Ich begrüße die Eltern herzlich und meine es so. Wie wird es wohl werden in ein paar Tagen, ein paar Wochen, nächstes Jahr? Nach ein paar Worten zu meiner Person (und dem dezent versteckten Hinweis, dass die Kinderplanung im Hause Weh abgeschlossen ist) die ersten Lacher, das Eis ist gebrochen. Ich erläutere den Einschulungstag, die Arbeitsweise der ersten Schulwochen und – mehrfach – die Wichtigkeit der persönlichen Ansprache, wenn es Probleme gibt: „Wenn Sie das Gefühl haben, es läuft nicht rund, dann erzählen Sie das nicht beim Bäcker, sprechen Sie mich an!“ Es werden Fragen gestellt und beantwortet, Geld eingesammelt, Material verstaut und besorgte Mütter beruhigt. Am Ende gibt es kurzen Applaus und nette Rückmeldungen. Ein paar zu persönliche Dinge für die große Gruppe werden noch im Gespräch geklärt und erst am Ende, wenn ich das Licht ausschalte und die Türe hinter mir schließe, merke ich, wie erledigt ich bin, wie anstrengend (und wichtig) doch dieser erste Kontakt ist. Heute ist er sehr gut gelaufen. Vielleicht auch, weil die Eltern mir die große Freude über die neue Schule angesehen und positiv aufgenommen haben.

Im Auto spüre ich die Erleichterung und die aufkommende Neugier auf die neuen Erstklässler. Meine Erstklässler. Die kommenden Wochen werden der Wahnsinn. All das Gewusel und Gezupfe, die vielen, vielen, vielen Fragen! Tränchen wird es geben und hoffentlich viel Freude und Spaß. Ich werde Pflaster kleben und auch mal schimpfen müssen. Ein ganzer Stapel Bücher will vorgelesen, viele Lieder wollen gesungen werden. Wir werden uns kennenlernen und eine Gemeinschaft werden. Abends werde ich wie ein Stein ins Bett fallen und denken, dass das nie etwas wird mit den Erstklässlern, so ein quirliger Haufen! Und dann wird es doch etwas werden, weil es immer etwas wird. Und es wird gut werden.

Was haben wir für einen wunderbaren Beruf.

15 Kommentare zu „Der erste Elternabend

  1. Ich wünsche einen rundum gut gelungenen Start! Den Grundstein haben Sie mit dem Elternabend bestimmt schon gelegt. Die Erschöpfung nach solch einem Elternabend kann ich nur zu gut verstehen.
    Wir haben noch Ferien! Danach beginnt für mich ein neuer Abschnitt. Mein Ältester wird eingeschult und das erfüllt mich gleichzeitig mit Stolz und Aufregung. Deshalb bin ich sehr gespannt auf diesen ersten Elternabend, den ich zum ersten Mal aus Elternsicht erleben werde.
    Viele liebe Grüße und alles Gute,
    Kathrin aus dem Südwesten

  2. Oh, bei uns steht morgen die Einschulung an und jetzt verfolge ich mit noch mehr Interesse als bisher deinen Blog. Die 1. Klasse aus der Sicht der Lehrerin – da wird es vermutlich viele Parallelen geben und neue Sichtweisen/Perspektiven für mich als Mutter geben. Ich bin gespannt, was du berichten wirst. 😉

  3. Wow, mir geht gerade das Herz auf. So authentisch und ehrlich geschrieben … Lebhaft kann ich mir den Abend und auch deine Emotionen vorstellen. Es wird sicher toll werden. Einen tollen Start wünscht cubi

  4. Danke für deine ersten Eindrücke. Wünsche dir alles Gute fürs neue Schuljahr, die neue Schule, die neuen Schüler, …. . Freue mich, weiterhin von dir so schöne Worte zu lesen.
    Maja

  5. Dieses gespannte Kibbeln im Buach kann ich gut verstehen. Mein erster „eigener“ Elternabend findet erst im Oktober statt. Das finde ich etwas spät, aber meine neue Schule hanghsbt das bei den „älteren“ Klassen nun mal so. Da ich aber eine 4. übernehme ist es für die Eltern vom schulischen her nichts Neues, sie sind aber sicher neugierig auf mich … und ich auf sie. Ich geb‘ dir recht: die ersten Wochen sind die wichtigsten, um gut zu sammen zu wachsen. Viel Spaß und Freude daran ….!

  6. Auch ich wünsche dir alles Gute, hört sich doch alles sehr gut an!
    Und: Ich finde immer noch (Generation 50 +), dass wir einen tollen Beruf haben. Und dieser Beruf wird noch toller, wenn die Randbedingungen gut sind!
    LG Heike

  7. Ja wir haben einen wunderbaren Beruf. Anstrengend, aber toll und erfüllende. Alles Liebe und Gute für den Neustart. Liebe Grüße Susann.

  8. Irgendwann musst du doch mal schreiben wo du unterrichtest, damit wir pünktlich zum ersten Schultag unserer Tochter umziehen können und sie bei dir einschulen können -riesenLob von Kollegin zu Kollegin (die zur Zeit in Elternzeit ist…)
    🙂

    1. Danke für den netten Kommentar. Ich habe tatsächlich diesmal mehrere Kinder in der Klasse, deren Mütter auch Grundschullehrerinnen sind. Bis jetzt gab es positive Rückmeldungen. Hoffen wir, dass es so bleibt 😉
      Elternzeit ist auch schön, genieß es! 🙂

  9. Wow… beim letzten Absatz sind mir ein klein bisschen die Tränen gekommen. Ich hatte im letzten Schuljahr das Glück und die große Verantwortung, aus diesem „quirligen Haufen“ eine Gemeinschaft, ein „Team“ zu formen. Jetzt, nach den Sommerferien, fällt einem in der Rückschau auf, was die Kinder und ich alles geleistet haben im ersten Schuljahr. Und du hast vollkommen recht, es ist tatsächlich etwas geworden! Und etwas Gutes noch dazu. Ich freue mich jeden Tag dran, und die Kinder auch 🙂
    Danke für diese tollen Worte und alles Gute für die so anstrengenden, aber auch schönen ersten Wochen mit deiner neuen Klasse und in deinem neuen Umfeld!

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