Von Konsumlust, Käuflichkeit und Klopapier

Ich will überhaupt kein iPad! Was soll ich denn mit einem iPad in der Schule anfangen? (Sebastian, weißt du da was zu?) Und warum wird auf einmal bei allen Fortbildungen, die Chefin besucht, damit geworben, dass die vorgestellten Produkte so wahnsinnig toll für den Musikunterricht wären?

Je mehr ich darüber nachdenke, umso verstimmter werde ich. Wieso ist eigentlich Geld für sowas da, aber keins für Seife in den Klassenräumen? (Von dem fiesen grauen IchwareinmaleinBaumundmusstesterben-Klopapier ganz zu schweigen.) Ich würde mich über das Planetenmodell freuen oder über einen kompletten Drum Circle. Wenns was mehr persönliches sein soll, dann gäb es da diesen einen entzückenden Mantel von Ewa i Walla oder endlich ein Paar nudefarbener Lackpumps in 37,5, die ich allerdings niemals anziehen werde, weil es in meinem Leben derzeit wenig Gelegenheiten dafür gibt. (Ich habe ein Faible für schöne, nutzlose Dinge.)

Ja, ich fürchte, ich bin bestechlich. Wenn ich mal im Kopf überschlage, was auf mein Bitten hin in den letzten Jahren für den Musikbereich angeschafft wurde, dann komme ich auf circa 100 Posten und eine recht stattliche Summe. Kleinpercussion, Effekte, verschiedene Trommeln, Keyboards, Roland, der Kasten, ein Mischpult, Boomwhackers, ein ordentlich großer Fernseher, neue CD- und DVD-Player, neue Boxen, neue Bühne, neuer Fußboden, letzte Woche der Satz Cajons. Fürs nächste Jahr füge ich der Liste ein paar eigene Funkmikros (also, wenn das morgen klappt, wenn nicht, wünsche ich mir ein Marimbaphon und ein Schlagzeug). Chefin macht es möglich. Wen interessiert die Haushaltssperre, wenn die Schule dringend einen Satz Sambainstrumente braucht? Dafür hat Chefin meinen größten Respekt.

Herr Weh bemängelt immer, dass bei Lehrern der persönliche (Mehr-)Einsatz nicht extra honoriert wird. Aber das stimmt so nicht. Vom Computerbereich einmal abgesehen, hat wohl kein Fachbereich unserer Schule in den letzten Jahren so aufgestockt wie meiner. Aber Chefin macht es nicht nur mir zuliebe. Vielmehr weiß sie, dass ich seit einiger Zeit mit dem Gedanken spiele, die Schule zu wechseln. Aber mit jeder Juju-Bohnen-Kette, die in meine Instrumentenschatzkammer einzieht, weiß sie, dass sie mir die Entscheidung schwerer macht. Denn mal ehrlich, wer gibt so eine Fülle auf, wenn er nicht weiß, wie die nächste Schule ausgestattet ist?

0 Kommentare zu „Von Konsumlust, Käuflichkeit und Klopapier

  1. Ein Marimbaphon?
    Wow. Sowas hab ich im Sommer mal im „Musikhaus Thomann“ live begutachten (und spielen können)… Dazu braucht man aber die entsprechenden…ähm… DraufhauDinger (keine Ahnung, wie die heißen, ich hab nur Werken als Fach *g*) – also ging ich zum Fachmann und fragte nach den Schlagstöcken für das „Riesen-Xylophon“…. und habe erstmals einen RICHTIG abschätzenden Blick geernet – ups! 😉
    Aber der Klang ist echt wahnsinn – vielleicht klappts ja 😉

    1. Ups, das war allerdings ein Fettnapf. Eine Marimba ist schon eine Nummer größer als das typische Schulxylophon. Wird übrigens mit Schlägeln gespielt.

  2. iPad-Musik: Letztes Jahr wanderte dieses geniale Weihnachtsmusik-Video durchs Internet. http://www.youtube.com/northpointministries#p/a/u/0/F9XNfWNooz4
    Ich hab ernsthaft überlegt, vor den Sommerferien ein entsprechendes Projekt anzubieten (bestimmt hätten genug Schüler iPods, iPhones und vielleicht auch iPads mitbringen können), bin aber leider krank geworden.
    Bei *der* Ausstattung würde ich auch bleiben, super! Aber ‚Hardware‘ ist natürlich nicht alles, das Menschliche muss auch passen.

    1. Tja, das sieht nett aus und es klingt auch nett. Aber ich kann mir nicht helfen, sollten Kinder nicht zunächst an die „Basis“ der Klangerzeugung herangeführt werden? Aber vielleicht bin ich auch nur altmodisch?

      1. Nein, nicht altmodisch, sondern wunderbar geerdet 🙂
        Meine ‚Klientel‘ ist halt anders, pubertierende 8./9.-Klässler, für die Juju-Bohnen und Filmdosenrasseln Babykram sind, kann man vielleicht mit dieser faszinierenden Technik eher zum Mitmachen verleiten.
        (Und ganz ehrlich: Schalte beim Video mal das Bild weg. Was übrig bleibt, klingt nur noch ’nett‘ – nach billigem 80er-Synthie-Sound 😉 )

  3. so gut ist mein 800-Schüler-Gymnasium ja kaum ausgestattet… Tss, schimpft sich musisches Gymmi, aber verfügt gerade mal über ein paar Celli für´s Orchester (und drei Flügel und ein Klavier, aber das ist auch nortwendig!)

  4. Heute war Adventskonzert und jetzt bin ich voll krank. Deshalb nur ein kurzer Vorabkommentar: Obwohl ich ein iPad besitze, kann ich Dir auch nicht wirklich sagen, was man damit konkret im Unterricht anfangen soll, was man mit dem Laptop nicht auch und größtenteils besser machen kann. Mehr dazu morgen, denn so wie es aussieht, bleibe ich morgen krank zu hause. Dann ist bestimmt mal zeit für einen längeren Gedanken dazu. Bis dahin: Gute Nacht 😉

  5. Och Frau Weh: Unterrichten Sie an einer gaaaanz normalen Grundschule? Da sind Sie ja wirklich bestens bestückt für den Unterricht.
    Und die Musikauswahl zum heutigen Thema finde ich einfach mal Klasse! Ich hüpfe jetzt ein bissl durchs Büro

  6. So. Kopfschmerzen, Erkältung, einen Tag dienstfrei genommen. Trotzdem vorsorglich den Unterricht für morgen schon vorbereitet. Als Lehrer „krank“ sein bedeutet irgendwie immer nur, die EINE Hälfte des Berufes aufgrund der Krankheit zu versäumen. Aber egal. Thema „iPad in der Schule“ oder, noch spezieller „iPad im Musikunterricht“:

    Ich bin ja bekennender Applejünger, vielleicht sogar Fanboy, jedenfalls habe ich eigentlich alles, was Cupertino sich so einfallen lassen hat in den letzten Jahren auch gekauft. Auch das iPad. 1 und 2.

    Obwohl Kollegen wie Felix (http://www.edushift.de/) nicht müde werden zu propagieren, dass das iPad den Unterricht revoltiert/en (wird), sehe ich das selber nicht so. Letztlich sind ja zwei Einsatzmöglichkeiten denkbar:

    1. iPad in Lehrerhand
    Ich habe es wirklich in unterschiedlichen Bereichen versucht: Notenverwaltung, Videopräsentation, virtuelle Klaviatur über Beamer, Hörbeispielabspielgerät, etc. Mein Fazit dabei ist und bleibt: Jeder Laptop ist weit flexibler einzusetzen als das iPad. Man muss sich sehr genau überlegen, was man damit machen will. Sollte man auf die Idee kommen, damit produktiv zu arbeiten („Webseite aufmachen, text ausschneiden, in die Textverarbeitung einfügen, Bild aus Wikipedia dazusetzen, Hörbeispiel laden“) stößt man extrem schnell an die Grenzen des iPads. Ja, das geht alles, aber es geht nur „irgendwie“ und über Umwege, Zusatzapps, bla, blubb. Ein Laptop mit den entsprechenden Programmen ist da einfach flexibler einsetzbar. Wobei die integrierte Mobilfunk-SIM im iPad nicht verachten ist und einem, entsprechenden Mobilfunkvertrag vorausgesetzt, natürlich auch da Netz beschert, wo das Schul-WLAN nicht hinreicht.

    2. iPad in Schülerhand
    Das hat aus meiner Sicht höchstens dann Sinn, wenn wirklich alle Schüler ein iPad haben. Die KAS in Köln experimentiert ja damit und mit André Spang ist ein Musikkollege dort, der unter anderem GarageBand und Co in seinem Musikunterricht einsetzt.
    Da ich selber großes Interesse an allem habe, was man als „Synthesizer“ bezeichnet, muss ich feststellen, dass es wirklich tolle Musikinstrumente für das iPad gibt. Warum ich die im Unterricht einsetzen sollte, wenn ich stattdessen auch auf Keyboards, Trommeln, Boomwhacker, Gitarren, E-Bässe, Schlagzeuge, Orff-Gerammel etc. (ja, wir sind inzwischen auch gut ausgestattet und auch für mich ist DAS der Grund, die Schule wohl DOCH nicht zu wechseln) zurückgreifen kann, erschließt sich mir aber nur bedingt.
    Hier sehe ich beim iPad den Vorteil, relativ wartungsfrei Internetrecherchegeräte in Schülerhand geben zu können. Vielleicht auch Notizmachgeräte. Aber schon da ist es einfach so, dass es sich auf einer echten Tastatur besser tippt als auf dem iPad. Diesen Kommentar jedenfalls hätte ich NIEMALS auf dem iPad tippen wollen 😉

    Mein Fazit zum iPad ist schon seit längerem:
    Es ist ein ganz feines Spielzeug. Das iPad ist super, um auf dem Sofa mal eben was nachzuschlagen, um RSS-Feeds zu lesen oder den SPIEGEL, den ich darauf abonniert habe. Aber das iPad ist momentan nicht das Gerät, das den Unterricht revolutionieren wird. Auch, wenn diverse Medienapologeten da anderes erzählen wollen. Und bitte nicht falsch verstehen: Ich bin gerne bereit, ein neues Medium in meinen Unterricht zu integrieren. Aber es muss einen Mehrwert haben. Einen didaktischen, methodischen oder inhaltlichen Mehrwert. Hat es das nicht, bin ich lediglich dem Wahn aufgesessen, alles, was die neue Medienwelt so mit sich bringt, in den Unterricht zu integrieren.

    Letzter Gedanke:
    Als das iPhone auf den Markt kam, war das Geschrei groß, es würde den Unterricht revolutionieren und es gab iPhone-Schulen (http://www.projektschule-goldau.ch/). Und? Ist irgendwas passiert? Nein. Man darf auch nie ausser Acht lassen, dass Hersteller wie Apple ein gesteigertes Interesse an solchen Leuchtturmprojekten haben. Ob das aber nachhaltig etwas bringt? Fraglich.

    1. Vielen Dank für deine ausführliche Antwort! Und ich stimme zu, auch ich sehe den Mehrwert nicht.
      Schonmal dreimal nicht für den Musikunterricht einer Grundschule. Ich nehme mir die Behauptung heraus, wirklich guten Musikunterricht zu machen, aber ich sehe meine Aufgabe hauptsächlich in der Vermittlung von fundiertem Basiswissen. Darüber hinaus möchte ich den Schülern gewisse Fachtermini an die Hand geben, aber natürlich auch den emotionalen Zugang zu Musik erlebbar machen. Und das läuft für mich nun einmal hauptsächlich über Musik machen.

      Kein iPad kann das Aha-Erlebnis ersetzen, wenn man plötzlich erlebt, was Schwingung eigentlich ist, wie Kolophonium riecht oder dass der Guiro eigentlich ein Kürbis ist.

      Dir gute Besserung, erhol dich gut!

  7. „Wieso ist eigentlich Geld für sowas da, aber keins für Seife in den Klassenräumen?“ – Weil die neuen Touchscreens jetzt auch mit schmutzigen Fingern bedient werden können.

  8. „Vielmehr weiß sie, dass ich seit einiger Zeit mit dem Gedanken spiele, die Schule zu wechseln.“

    Ach bitte, könnten Sie zu uns kommen? Wir bräuchten dringend jemanden, der gerne mit Kindern umgeht und nicht nach dem Studium erschreckt festgestellt hat, dass er sich jetzt mit diesen Blagen abgeben muss.

    Bei uns kamen nach den Sommerferien die neuen Erstklässler in der ersten Zeit weinend aus der Schule. Meine Kleine, jetzt im 2. Schulbesuchsjahr der flexiblen Eingangsstufe, wünscht sich zu Weihnachten nur, nie wieder bei ihrer Lehrerin Unterricht zu haben.

  9. Ja letzten Endes ist es immer das Klima, das einem zum Gehen oder Bleiben bewägt …

    Meine Liebste bekommt zu Weihnachten auch ein (android) tab. Mal schauen, was sie dann tatsächlich damit macht und wie das Surfen auf dem Sofa anders (oder nicht anders) wird … ob sie es gegenüber ihrem geliebten Laptop überhaupt benutzt.

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