Generalprobe

BOAH, verdammte Scheiße, JUNGS!

Die CrazyFunkyChicken sitzen in der eiskalten Kirche und bemühen sich nach Kräften, eine anständige Generalprobe auf die Beine zu bringen. Vielmehr einige CrazyFunkyChicken bemühen sich. Ein paar andere haben den Ernst der Lage noch nicht durchschaut. Es ist die letzte Probe vor dem Gottesdienst und ja, wir sitzen vorne. Ganz vorne. Alle können uns sehen. Das regt die minderrhythmischen Trommlerjungs auf. Und an. Nicht anders kann ich mir erklären, dass der eine dem anderen genau in dem Moment mit voller Wucht aufs Trommelfell – nicht das körpereigene –  haut, als ich mit der Einmessung der Mikros beschäftigt bin. Dem jüngsten Gerichte gleich donnert die Rückkopplung durch die Gänge. Zurückgeworfen von 800 Jahren Echo. Begleitet von den schrillen Schreien der blockflötenden Mädchenmannschaft, die mehr oder minder aufmerksam auf ihren Stühlchen hockt. Die Missbilligung über die Ruhestörung scheint den Heiligenfiguren um uns herum ins Gesicht geschrieben. Schräg über mir schwingt Bonifatius Axt und Eiche. Runterpegeln, stoßweise den angehaltenen Atem zwischen den Zähnen entweichen lassen und böse Blicke werfen. Weiter gehts.

Ich habe bereits das Cello gestimmt und den dabei verlorengegangenen Pinnöpel kurz vor dem Lüftungsgitter mit der linken Schuhspitze noch stellen können. Die Gitarre ist mit einem Mikro vor dem Schallloch ausgestattet (sie grinst stolz), zwei Keyboards sind angeschlossen, die Querflöte – eine fällt aus wegen Magen-Darm –  nah ans Fenster platziert. Hundert Meter Kabel sind verlegt und ich habe nicht mal entnervt geknurrt, als die Geige mir beichtet, sie habe die Noten zu Hause liegen gelassen. Aber jetzt kämpfe ich mit den geliehenen Funkmikros. Sie halten nicht, sie riechen komisch, sie haben Aussetzer. Selber schuld, Frau Weh.

Ich komme mir ein bisschen vor wie eine EinMannBand. Vor mir das Keyboard, im Gesicht klebt das Mikro, die Augenbrauen geben Einsätze, der Mund souffliert den Solosängern und hinter mir fordert Roland, der Kasten, meine Aufmerksamkeit. Roland ist mein treuer Begleiter bei kleinen bis mittelgroßen Gigs. Und heute ist er bis zum Anschlag vollgestöpselt. Das nimmt er mir etwas übel und grollt tieffrequent (aber stetig) herum. Wenn das so weitergeht, dann möchte ich bald einen eigenen Techniker. Mit Monitorbox und coolem Overall. Oder ich läute eine erneute Renaissance ein und packe die Orffinstrumente wieder aus. Pling. Plong. Da fällt mir ein, Chefin hat mir heute voller Stolz berichtet, sie würde mir nächstes Jahr ein iPad zukommen lassen. Das wäre ja sowas von toll für den Musikunterricht! Letzte Woche habe ich fünf neue Cajons bekommen. Ich sollte darüber nachdenken, ob ich käuflich bin.

MITTWOCH – NICHT VERGESSEN:

  • Pflaster zum Mikrokleben (hautfarben, nicht pink!)
  • Wäscheklammern!
  • Kirchenschlüssel (Hosentasche)
  • angstschweißfestes und fleckresistentes Make Up
  • bei Gelingen der Veranstaltung unbedingt höheren Preis bei Chefin aushandeln!

Romeo und Hallo, Julia!

„Frau Wehee? Wie heißt es denn jetzt richtig? Halle-lulja oder Halle-julia?“

Victoria ist sich nicht sicher, möchte aber auch nichts falsch machen.

Die Mehrheit der Kinder ist für Halle-lulja. Halle-julia finden sie allerdings auch recht hübsch. Außerdem war da doch irgendwas mit Romeo? „Aber dann sollte es *Hallo, Julia!* heißen. Das klingt doch schöner!“ findet Pascal. Meinen Vorschlag („Es heißt Halleluja. HAAALLELUUUUUUUUUJA.“) finden sie langweilig. Aber es liegt ja in der Natur der Sache, dass ein Lehrer oft den Part des Spielverderbers einnimmt. Man gewöhnt sich dran.

Es tut mir so leid, lieber Carsten, du merkst, ich muss noch einmal mit dem weihnachtlich vernudelten Song anfangen. Die Kinder lieben es nämlich. Sie legen einander die Arme über die Schultern und summen voller Wonne die Strophen mit. Und wenn dann der Refrain kommt… (und der Refrain kommt!)… dann schmettern sie inbrünstig ihre Version des Lobpreises und mir kriecht eine kleine Gänsehaut über die Unterarme, weil es eben irgendwie doch schön ist.

„Und Frau Weh, wenn du mal irgendwann keine Lehrerin mehr sein willst, dann gehst du zum Supertalent, oder?“ will Melissa aus der 3c wissen.

Natürlich. Aber ich bilde ein Duett mit meiner Kollegin Frau Sommer. Die singt nämlich nächste Woche die 2.Stimme dazu. Überhaupt, Frau Sommer und ich, da tut sich was. Ich bin seit diesem Schuljahr nicht mehr ganz so allein im Musikbereich und entdecke wieder, wieviel Spaß es macht, zusammen an einer Sache zu arbeiten. (Lehrer sollten sich generell viel mehr zusammentun und weniger ihr Einzelkämpferdasein fristen). Morgen üben wir. Nach der 6.Stunde. Da sollten die Stimmbänder ja langsam geölt sein. Ich freu mich drauf und überhaupt bin ich dieses Jahr überraschend entspannt in der Vorweihnachtszeit. Liegt bestimmt am Bloggen 🙂

Halleluja!

Meine Güte, ich bin heute aufgewacht und – ich muss es in aller Bescheidenheit sagen – hatte gleich zwei geniale Ideen auf einmal:

1. Ich bespreche morgen im Kreis die von mir aufgestellte neue Sitzordnung (vielen Dank für die Kommentare und links. Der FAZ-Artikel trifft es genau!) und lasse die Kinder herausfinden, warum ihr neuer Platz haargenau der richtige für sie ist. Meine Zweitklässler knobeln gerne. Und sie machen gern mal ein Spielchen. Wenn ich sie also morgen auffordere – der Ehre oder vielleicht als Anreiz auch einer zusätzlichen Stunde Freiarbeit halber – herauszufinden, warum ich sie genau so und nicht anders gesetzt habe, dann werden sie Grüppchen bilden und gemeinsam versuchen, die Nuss zu knacken. Und ich habe zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Die Sitzordnung steht und die Zweitklässler werden es toll finden. (Soweit zumindest die Theorie. Ich werde dann mitteilen, ob es funktioniert hat.)

2. Das CrazyFunkyChicken-Problem. Noch vier Proben, dann folgt der Weihnachtsgottesdienst. Da es unwahrscheinlich ist, dass die Chaostruppe sich bis dahin noch in Philharmonikersphären aufschwingt, setze ich eben noch eins drauf. Ich packe – sozusagen als Sahnehäubchen – einfach noch den Schulchor (dessen Auftritt und die damit verbundene Probenarbeit ja bereits diese Woche beendet ist) mit einem zusätzlichen Stück dazu. Halleluja! Die Rettung! In diesem Fall von Leonard Cohen. Runter transponiert passt das allseits beliebte und bekannte Hallelujah auf die leeren Saiten von Cello und Geige, Trommel geht immer, Gitarre auch. Erste Strophe passt schon, eine zweite füge ich mit weihnachtlichem Text an. Die Strophen singe ich Solo mit Headset (zusätzlicher Coolnessfaktor!), Chor summt die Melodie mit, das Halleluja zweistimmig von allen, fertig! Damit hätten wir den Ohrwurm, den jede gute musikalische Veranstaltung braucht, der das gesamte Auditorium einfängt und stimmungsvoll nachhallen wird. Ja, vor Rührung weinen werden sie!

Wer spricht da noch über ein gequältes Saxophon? 🙂