Es stimmt, ich habe gebrüllt.
…
Naja, zumindest die Stimme erhoben.
„Ja, und?“ werden sich jetzt manche der mitlesenden Kollegen fragen, „was ist daran besonders?“. Besonders ist, dass ich nie brülle. Das ist einfach nicht mein Ding. Ich finde mich lächerlich, wenn ich brülle. Nicht besonders liebenswert und schon gar nicht überzeugend. Außerdem passe ich auf meine Stimme auf, die brauche ich ja noch ein paar Jahre Jahrzehnte. Brüllen ist… uncool. Und ich glaube auch, es nützt nicht viel. Warum sonst sollten meine Kolleginnen wohl so viel brüllen müssen? Na? Und ich selber werde auch nicht gerne angebrüllt. Das ist unfreundlich und zeugt nicht gerade von gutem Stil. Daher fahre ich eher den gegenteiligen Kurs und werde leise. Ab einer gewissen Lautstärke – ich würde sie als ppp bezeichnen, pianopianissimo – spitzen die Kinder die Ohren und werden nervös.
Heute allerdings hätte das wohl nicht viel genützt. Zumindest wäre es schwer geworden, die Aufmerksamkeit von René, Justin und Nick zu erregen, die sich (deutlich nach Pausenende) noch äußerst vergnügt auf dem Schulhof aufhielten, eine Etage unter uns, während die anderen Zweitklässler bereits wieder munter an der Arbeit waren. Die drei Seuchenvögel derweil natürlich völlig nichtsahnend, dass die Abwesenheit jeglicher anderer Schüler eventuell dezent darauf hinweisen könnte, DASS DER UNTERRICHT BEREITS WIEDER BEGONNEN HAT. ALSO RAUF IN DIE KLASSE UND ZWAR PRONTO!
„Aber wir haben gar nicht mitbekommen, dass keiner mehr d…“
REGELN! ALLE DREI! MIT UNTERSCHRIFT DER ELTERN!
Dreistimmiges Gejammer: „Ooooooh, Frau We-heeee!“
UND JETZT IST AB-SO-LU-TE RUHE UND ES WIRD GEARBEITET!
!!!
Und es war Ruhe. Und es wurde gearbeitet. Den restlichen Schultag.
Ich war ganz entzückt 🙂
Dumm nur, dass ich mir das nicht anmerken lassen durfte…
Ich habe eine ungebrüllte Frage: Erlebst Du das Elend der von „Modesty“ erwähnten Schulkinder?
„Immer mehr Menschen leben auf der Straße, von der Hand in den Mund. Was ist denn daran kein Elend? Und hierzulande werden die Leute auch mit immer weniger abgespeist – im in diesem Jahr bekamen Hartz-IV-Empfänger im durchschnitt so wenig Geld wie noch nie seit Einführung von H4. Verhungern tun die damit noch nicht, aber auch hier ist es soweit, dass Vereine Geld sammeln, damit Schulkinder eine warme Mahlzeit pro Tag bekommen. Und zwar nicht, weil die Eltern das Geld versaufen – wenn die Mietkosten die vorgesehen Sätze übersteigen, bleibt halt nichts mehr fürs Essen, für Kleidung sowieso nicht. Und das alles, weil der Kapitalismus so gut funktioniert!“
„Modesty“ sagt mir nichts.
Wir haben Kinder an der Schule, bei denen das Geld knapp ist. Aus welchen Gründen kann ich nur mutmaßen und auch das steht mir nicht zu, finde ich.
Wir haben gute Erfahrungen mit dem Bildungspaket gemacht. Wenn man die Bürokratie durchschaut hat (und dafür bekommen wir immer schnelle Hilfe vom zuständigen Jugendamt), dann ist das keine schlechte Sache. Für spezielle Schulausflüge etc. haben wir einen Förderverein, der unbürokratisch hilft, wenn Hilfe nötig ist. Kinder, die Hunger leiden, haben wir in unserem Einzugsgebiet nicht.
Egal, welche Formen Armut annimmt, wichtig ist, dass man die Augen offen hält und auf Zeichen achtet. Denn nur so kann man von außen eingreifen.
Das ist auch gefragt, wenn es um das Kindeswohl geht. Mit solchen Fällen haben wir leider mehr mit zu tun.
Danke! Ich hatte leider den Link nicht eingefügt:
http://gedankenerbrechen.wordpress.com/2012/04/16/finanzkrise-als-glaubenskrise-die-irrtumer-der-okonomen/
Hihihi! Frau Weh rastet aus. Ich stelle mir das grad vor. Und das mühsam unterdrückte entzückte Lächeln danach. 😀
War wirklich eine Wohltat! 😉
… aber zum Glück, kann man sich ja zum breit grinsen einmal kurz zur Tafel umdrehen und „spontan was anschreiben“ …. ach, auch Lehrer sind nur Menschen und wenn es nicht immerzu passiert, dass man mal etwas LAUTER wird, dann finde ich das durchaus OK