Gut gebrüllt, Löwe!

Es stimmt, ich habe gebrüllt.

Naja, zumindest die Stimme erhoben.

„Ja, und?“ werden sich jetzt manche der mitlesenden Kollegen fragen, „was ist daran besonders?“. Besonders ist, dass ich nie brülle. Das ist einfach nicht mein Ding. Ich finde mich lächerlich, wenn ich brülle. Nicht besonders liebenswert und schon gar nicht überzeugend. Außerdem passe ich auf meine Stimme auf, die brauche ich ja noch ein paar Jahre Jahrzehnte. Brüllen ist… uncool. Und ich glaube auch, es nützt nicht viel. Warum sonst sollten meine Kolleginnen wohl so viel brüllen müssen? Na? Und ich selber werde auch nicht gerne angebrüllt. Das ist unfreundlich und zeugt nicht gerade von gutem Stil. Daher fahre ich eher den gegenteiligen Kurs und werde leise. Ab einer gewissen Lautstärke – ich würde sie als ppp bezeichnen, pianopianissimo – spitzen die Kinder die Ohren und werden nervös.

Heute allerdings hätte das wohl nicht viel genützt. Zumindest wäre es schwer geworden, die Aufmerksamkeit von René, Justin und Nick zu erregen, die sich (deutlich nach Pausenende) noch äußerst vergnügt auf dem Schulhof aufhielten, eine Etage unter uns, während die anderen Zweitklässler bereits wieder munter an der Arbeit waren. Die drei Seuchenvögel derweil natürlich völlig nichtsahnend, dass die Abwesenheit jeglicher anderer Schüler eventuell dezent darauf hinweisen könnte, DASS DER UNTERRICHT BEREITS WIEDER BEGONNEN HAT. ALSO RAUF IN DIE KLASSE UND ZWAR PRONTO!

„Aber wir haben gar nicht mitbekommen, dass keiner mehr d…“

REGELN! ALLE DREI! MIT UNTERSCHRIFT DER ELTERN!

Dreistimmiges Gejammer: „Ooooooh, Frau We-heeee!“

UND JETZT IST AB-SO-LU-TE RUHE UND ES WIRD GEARBEITET!

!!!

Und es war Ruhe. Und es wurde gearbeitet. Den restlichen Schultag.
Ich war ganz entzückt 🙂

Dumm nur, dass ich mir das nicht anmerken lassen durfte…

Das Schulsystem und ich

Das Schulsystem und ich verstehen uns manchmal nicht so gut.

Immer sagt es, wo es langgehen soll. Nie fragt es mich nach meiner Einschätzung. Dauernd kommandiert es mich herum. Mal soll ich jahrgangsübergreifend arbeiten, ein paar Jahre später – ätsch! – bitte nicht mehr. Einmal ist des Pudels Kern der Sachunterricht (worüber sich der Deutschunterricht leise beschwert), dann kommt plötzlich Englisch groß raus. („Sachunterricht? Jeder Unterricht ist Sachunterricht!“) Der Deutschunterricht weint derweil leise vor sich hin und bekommt zum Trost flächendeckend „Lesen durch Schreiben“ verpasst. (Na, danke auch.) Merkt man vorsichtig an, dass die Rechtschreibleistung der Viertklässler erschreckend ist, bekommt man zu allem Übel auch noch die Auflage, wöchentlich eine Stunde des Deutschunterrichts im PC-Raum zu verbringen. Medienerziehung. Als ob das das Problem wäre…

Das Schulsystem arbeitet Hand in Hand mit seiner launigen, pubertären Schwester, der Bildungspolitik. Ständig ändert sie ihre Meinung. Das macht den Umgang mit ihr nicht einfach. Alle Jahre wieder hat sie neue, tolle Ideen, die das Schulsystem dann umsetzen soll. Ich bin nur ein winziger Teil in diesem System. Um solche winzigen Teilchen wie mich in die richtigen Bahnen zu lenken, bedarf es einer vermittelnden Instanz, der Chefin. Die Chefin ist Fan vom Bildungssystem. Neue Ideen findet sie prinzipiell gut und will sie sofort umsetzen.

Neue individuelle Förderpläne? OH, BITTE!

Flexible Eingangsstufe? HIER, HIER!

Inklusion? JAAAA!

Dann schreiben wir uns neue Begriffe auf die Fahnen, reißen die Fenster auf und wedeln wild damit herum. Lasset die Kindlein zu uns kommen!

Manchmal vergessen wir vor lauter Geschäftigkeit allerdings die alten Fahnen wieder einzuholen. Die hängen dann derangiert und traurig auf der Fassade. Bis sich irgendwer an sie erinnert, sie verschämt in Umzugskartons packt und in den Keller stellt. Dort stehen sie dann neben den Rechtschreibkarteien von Sommer-Stumpenhorst und den anderen großen Ideen. Try and error. Konvolut des Scheiterns.

In der letzten Konferenz hat Chefin gesagt, wir sollten doch mal wieder den Keller aufräumen…

Husten, Schnupfen, Heiterkeit

„Frau Weh, weinst du?“ fragt Lotte besorgt.

Fachmännisch mischt sich Justin ein: „Nein, die hat was anderes, guck mal, wie rot der Kopf ist.“

„Kannst du eigentlich ohne Brille was sehen?“ will Benjamin wissen.

Ich kann ihnen nicht antworten. Mich schüttelt ein Hustenanfall, dass mir die Rippen schmerzen. Mein Kopf ist tatsächlich knallrot und vermutlich verschmiert mir gerade die Wimperntusche auf nicht sehr ladylike Weise. Fürsorglich reichen mir ein paar Kinder ein Glas Wasser an. Auch Taschentücher werden mir hilfsbereit von mehreren kleinen Händen zugesteckt. (Erstere nicht alle unbenutzt, letztere nicht alle sauber.)

Nein, ich bin nicht krank, danke der Nachfrage. Tatsächlich habe ich mich verschluckt. An der eigenen Begeisterung. Nachdem die Zweitklässler erfahren haben, dass unsere gemeinsame Zeit begrenzt ist, sind sie zuckersüß, lammfromm und lernfreudig. (Zumindest bis zur ersten Pause.) Sie stürzen sich auf das neue SU-Thema als gäbe es kein Morgen mehr. Sie heften die Fotos an die Tafel und teilen in mehr oder minder verständlicher Rede mit, wo genau ihr Löwenzahn wächst und gedeiht. Als Lennox dann mitteilt, dass sein Löwenzahn im Gebet* wächst, ist es um mich geschehen.

Also mit dem gewöhnlichen Löwenzahn kenne ich mich ja toll aus. Auch mit dem Igel und dem Eichhörnchen. Bienen, Regenwürmer, Frühblüher, Braunkohle, Steinkohle und – wenigstens rudimentär – verschiedene Arten der Energiegewinnung. Alles meine Spezialgebiete. Ich weiß wie man die Cirrocumulus von der Cirrostratus unterscheidet und was das dann fürs Grillwetter bedeutet. Ich sollte wirklich mal zu Wer wird Millionär. Mein punktuelles Wissen ist definitiv was wert. Und so ein bisschen Geld, warum nicht?

„Wieviel verdienst du eigentlich, Frau Weh?“, interessiert sich René.

„Kriegst du etwa Geld hierfür!?“ Nick kann es kaum fassen und reißt die Augen auf.

„Klar, verdient die was. Erwachsene machen doch nix umsonst!“ mischt sich Victoria ein.

Amelie hat auch eine Meinung: „Also mein Papa hat gesagt, die Frau Weh verdient nur das Beste.“

„Deswegen hat sie ja uns!“ befindet Tom1 und tätschelt mir gütlich den Oberarm.

Aber hallo.

 

* Eigentlich wächst Lennoxens Löwenzahn im Beet. Aber beten schadet in diesem besonderen Falle sicher auch nichts.

Wilde Weibchen

Religion, 3.Schuljahr. Kirchentermin.

Die Drittklässler stehen bewaffnet mit Taschenlampe und Lupe im Kreis um den Taufstein und versuchen das Wappen der edlen Stifter zu entschlüsseln. Lilien, Falken, kein Problem. Einzig die in Stein gemeißelten Vierbeiner, Wappentiere derer von und zu, bereiten Probleme.

„Ich habs, das sind Füchse!“, ist sich Yannick sicher.

„Nee, kleine Pferde! Das sind ja wohl voll die kleinen Pferde. So Minipferde. Wie heißen die noch?“, fragt Thorben.

„Schepezewallipferde!“, Lara war am Wochenende mit den Eltern im Zoo.

„Nee, die gibts gar nicht“, widerspricht Lilli, passionierte Voltigiererin. „Wenn, dann sind das Shetlandponys.“ Die anderen protestieren lautstark. Munter geht es weiter: Füchse! Luchse! Hunde! HUNDE! Ja klar, jetzt fällt es allen wie Schuppen von den Augen, das sind doch Hunde. Sieht doch jeder Blinde. Hö hö. Wie einfach.

Mit schnellem Blick auf die Uhr versucht der Schulpfarrer die Kinder in die Richtung derer von Wolfenstein zu manövrieren und gibt den vermeintlich entscheidenden Hinweis:

“ Na, wie heißen denn die Vorfahren der Hunde? Damals, als die Hunde noch ganz wild waren?“

„Aaaaah!“, Thorben klatscht sich die flache Hand auf die Stirn, jetzt hat er es! Ganz sicher ist er sich und lässt sich Zeit mit seiner Antwort: „Das sind dann Weibchen!“

Licht und Schatten

Die zweite Einheit Licht und Schatten bei den Zweitklässlern. Heute wird experimentiert. Alle sind aufgeregt und wuselig. Taschenlampen in allen Formen und Größen werden präsentiert. Ich habe verschiedene Materialien vorbereitet, die die Kinder in Gruppen auf ihre Lichtdurchlässigkeit überprüfen sollen. Aber vorher sollen sie Vermutungen anstellen. Viele wissen nicht, was Leder ist, einige haben noch nie in ihrem Leben Alufolie gesehen. Hmm, Zweifel sind angebracht.

Dementsprechend abenteuerlich sind dann auch die Vermutungen. Einige Ahs und Ohs sind zu hören, als die Kleingruppen im abgedunkelten Klassenraum die Materialien testen. Lustig wird es, als sich die Kinder in Nase und Mund leuchten. Halloween lässt grüßen. Ich hab auch was gelernt, beim nächsten Mal gestalte ich die Arbeitsblätter anders. Der Unterschied zwischen den Spalten Das vermute ich und Das habe ich herausgefunden muss optisch deutlicher sein. Einige Kinder finden sich nicht zurecht und kreuzen wild durcheinander an. Ansonsten war es ok. Vor und nach den Versuchen jeweils eine Kreisphase, die sehr strukturiert und diszipliniert abläuft. Man merkt, dass es den Zweitklässlern Spaß macht. Außerdem zahlt sich nun aus, dass wir regelmäßig im Kreis arbeiten. Den können sie jetzt richtig gut. Ich kann mich komplett aus dem Unterrichtsgespräch ausklinken, die Meldekette funktioniert, die Gesprächsregeln sitzen. Schön.

In der zweiten Runde geht es dann darum herauszufinden, wie sich der Schatten verändert, wenn die Entfernung zur Lichtquelle variiert. Hier kommen dann auch die Schattenfiguren erstmalig zum Einsatz. (Der Drache bekommt kurzen Szenenapplaus. Besonders als er mit Scheinwerfer an die Wand geworfen wird. Und die Zweitklässler kennen die Dinosaurierfiguren noch gar nicht…)

So viel zum Licht. Schatten gab es allerdings auch. Hausbesuch bei Lennox. Da will ich auch gar nichts zu schreiben, war heftig.

 

Ein ganz normaler Morgen

  • 6.50 Uhr: mit einer großen Schüssel Waffelteig, einem Doppelwaffeleisen, Auskühlgitter, Küchenrolle, Puderzucker, Suppenkelle, Gabel, einem Packen Servietten, sowie diversem anderen Material ausgestattet, verlasse ich das Haus.
  • 7.16 Uhr Ankunft an der Schule. Ich freue mich über den wiederauferstandenen Hausmeister, schmeiße beide Kopierer und die Kaffeemaschine an und stelle den Teig kalt. In der Klasse bringe ich den Tagesplan an der Tafel an, notiere die Hausaufgaben und lüfte einmal durch. Ich gehe in den Keller und bereite die Materialien für die Gruppenarbeit vor.
  • 8.00 Uhr: Religion, 4.Schuljahr. Die Gruppenarbeit läuft gut, die Ergebnisse sind repräsentativ, die anschließende Kritikrunde findet in angenehmer Atmosphäre und mit sachlichen Kommentaren statt. Schön. Nach dem Klingeln räume ich die 9 verschiedenen Bibeln, die Arbeitsaufträge, die Kiste mit den Heften und drei Schnipsel weg.
  • 8.52 Uhr. Der Bus hat Verspätung. Gemächlich trudeln die Drittklässler zum Musikunterricht ein. Zwei Zweitklässler stoßen dazu, die aufgrund der Erkrankung einer Kollegin aufgeteilt wurden. Wir sitzen im Kreis am Klavier als es pünktlich um
  • 9.00 Uhr schrill klingelt: Probe-Feueralarm. Alle Kinder stieben wie kopflose Hühner auseinander und rasen auf die senkrecht aus dem Kellerraum führende Feuerleiter zu. Erst mein lauter Pfiff erinnert sie daran, dass wir eine gewisse Ordnung beibehalten. Sogar bei Probealarm. Alle schaffen es irgendwie aus dem Raum und ein paar Minuten später auch wieder zurück. Die Drittklässler sind wie mit dem Bömmel geflitscht und völlig aus dem Häuschen. Dann ist aber eigentlich schon Frühstückspause und aufteilen muss ich die Kinder auch noch. Es macht die Situation gleich viel erträglicher, dass kein Arbeitsmaterial für die kommenden zwei Stunden vorhanden ist. Ich sauge mir schnell fünf Begriffe für eine Reizwortgeschichte (Schuh, Stiefmutter, Taube, Erbsen, Feueralarm) aus den Fingern und eile um
  • 9.35 Uhr in die Lehrerküche, um den Waffelteig zu holen. Dabei sammle ich ein paar verschollene Zweitklässler ein, die in der Pause mit mir verabredet sind, um ihre Laterne zu beenden. Ich begrüße die gutgelaunte Mutter, die sich netterweise zum Waffelbacken angeboten hat und besorge ihr einen Kaffee. Zeitgleich übergebe ich Tom1, Nathalie, Nick und Jens die halbfertigen Laternen, fülle Marvin-Superkleber ab und schicke Laura, Mia-Sophie, Lennox und Benjamin zum Händewaschen. Dann dürfen sie zu Mutter und Teig. Bei einem späteren Kontrollblick stelle ich fest, dass die Kinder jeden einzelnen ihrer 10 Finger nacheinander in den Teig stecken und genüsslich ablecken. Hmm, lecker.
  • 9.55 Uhr, es klingelt. Die Laternen sind fertig, der Waffelberg steigt an. Ich hole den Rest meiner Zweitklässler, wir begrüßen uns, ich kontrolliere im Schnelldurchlauf die Hausaufgaben, gebe neue auf, die Kinder stellen sich Quizfragen zum Eichhorn, wir begrüßen 5 aufgeteilte Drittklässler, die sich sichtlich freuen beim Waffelessen dabei zu sein und dann – endlich! – sitzt jedes Kind vor einer ordentlich gepuderzuckerten Waffel, alle schweigen andächtig und warten bis sie gemeinsam anfangen können. Ich lese ein Eichhörnchenbuch vor, alle hören zu, mümmeln ihre Waffeln und außer einem gelegentlichen „hmmm“ hört man – nichts. Zuckersüß, die Kinder. Die vormals waffelbackende Mutter ist so beglückt über diesen Anblick (und ich erst!), dass sie sich am Ende dafür bedanken wird, dabeigewesen zu sein.
  • 11.30 Uhr, Pausenaufsicht. Ich müsste mal aufs Klo. Allein, was nützt es? Ich halte Smalltalk mit ein paar Erstklässlereltern, finde einen verschollen geglaubten Turnbeutel wieder, genieße die Sonne und die Tatsache, dass ein bestimmtes drittes Schuljahr einen Ausflug in den Wald macht (daher die ruhige Pause) und warte auf das Klingeln um
  • 11.45 Uhr. Förderstunde Feinmotorik, 1.Schuljahr. Ich sammle die Jungs vom Klettergerüst und aus den Toilettenräumen („hat es schon geklingelt?“) und übergebe ihnen mit großer Theatralik und weitaufgerissenen Augen die schärfsten und gefährlichsten Pricknadeln der Welt. Andächtiges Schweigen. Mit größter Konzentration machen sich die Kandidaten daran, die Dinosaurierskelette freizulegen.
  • 12.30 wieder Religion, wieder ein 4.Schuljahr, wieder Gruppenarbeit. Es läuft besch…eiden. Die Arbeitslaustärke unerträglich, die Ergebnisse nicht der Rede wert, Kritik… ach lassen wir das. Alle sind froh, als es um
  • 13.15 Uhr klingelt. Ich hetze zur Busaufsicht („tschööööö, Frau Weh!“ „Bis morgen, Frau Weh!“, „schönen Nachmittag, Frau Weh!“), um mich anschließend ENDLICH Richtung Lehrertoilette zu begeben.
  • 13.25 Uhr: die Toilette ist besetzt.
  • 13.30 Uhr Elterngespräch mit MamaJustin. Es läuft ganz gut, Justin hat Fortschritte gemacht, die Logopädie schlägt an, er bleibt bis auf Weiteres bei uns. Alle sind glücklich. Nur ich müsste jetzt wirklich mal langsam… also, egal.
  • 14.30 Uhr kurble ich die Jalousien hoch (drei Stück, das macht Arme!), kehre die Klasse durch, räume den Waffelkram zusammen und fahre um
  • 14.45 Uhr nach Hause. Dort erwarten mich ein paar quietschfidele Wehwehchen und drei E-Mails von Supermom. Juchuu.

 

Ende der Kreidezeit?

Vielen Dank für die ausführlichen Ideen und Meinungen zum Smart Board. Ich bin ja mal gespannt. Besonders auf den – auch vom Referenten gestern hochgelobten – Einsatz im MU. Leider konnte auch er kein Liniensystem finden. Dafür ein paar Noten in den „Bildern einer Ausstellung“ von Mussorgsky verändern und abspielen. Welche Überraschung, es klang scheußlich.

Ich bin zugegebenermaßen nach wie vor skeptisch, was den sinnvollen Einsatz anbelangt. Notenlehre, ja, klar. Aber einen Großteil meines Musikunterrichts nimmt das Selber-Tun ein: Warm Ups, Bodypercussions, Singen, Klassenmusizieren, Klänge erkunden. Und – möglicherweise bin ich da fossil veranlagt – ich finde, es geht einfach nichts über ein Klavier. Stellt man einen Erstklässler daneben, ist es beeindruckend groß, es kann laut (und so leise!) sein, man kann es öffnen und gucken, was sich da drin versteckt, man kann an den Saiten zupfen und die Hämmerchen beobachten. Was passiert da eigentlich mit, wenn man auf eins der Pedale tritt? Wie lange klingt so ein Ton nach, wenn man das Fortepedal betätigt? Warum schwingen auf einmal auch die anderen Saiten mit? Kann man Klangfarben sehen? Und wo zum… hat sich eigentlich Frau Weh versteckt?

Ok, ich schwelge. Nichtsdestotrotz werde ich den Kampf mit dem Whiteboard aufnehmen. Denn wie gesagt, ich war durchaus beeindruckt von den gestern gezeigten Möglichkeiten. Aber ich werde für meine ersten Versuche (also die richtigen; Filme zeige ich schon eine ganze Weile über das Board, weils so schön groß ist) einen Ferientag einplanen. Denn eine technische Neuheit auszuprobieren, während im Rücken eine ganze Klasse – zunächst erwartungsvoll, dann zunehmend ungeduldiger – marodiert wartet, darauf kann ich wahrhaftig verzichten.

Die erste Runde Whiteboard gegen Weh geht übrigens knapp an mich. Es entpuppte sich als gar nicht so leicht, die Software auf mein kleines Laptop zu packen. Aber ich stecke mitten im Setup, das wird schon noch. Geübt wird dann am Grafiktablett. So leicht finde ich das akkurate Schreiben der Vereinfachten Ausgangsschrift mittels interaktivem Stift nämlich nicht. Aber musste man nicht auch das Schreiben an der Tafel im Referendariat erstmal lernen? Na also. Soll mal einer sagen, ich gäbe mir keine Mühe.

Darf nur kein Stromausfall passieren…

 

Montag mittendrin. Von Blut, Pinöppeln und dem Fortschritt.

Was ich ja an unserem Beruf neben vielen anderen Vorteilen besonders schätze, ist die Tatsache, dass wir keine langweiligen Warmlaufphasen benötigen. Egal ob Montagmorgen oder erster Schultag nach den Ferien, zack, bumm: hallo Leben!

Mein persönlicher Montagskick ist die Frühaufsicht. (Ich gestehe, als ich mich für diese Aufsicht meldete, war ich der festen Überzeugung, dass es sich dabei um die Schluffiaufsicht schlechthin handele. Leider war diese Einschätzung falsch. Dienstag wäre die bessere Wahl gewesen.) Die heutige Aufsicht begann mit einer zu versorgenden Platzwunde. Schön klassisch, glatte Wundränder, sauber und gut durchblutet. Der Traum jeder Erste-Hilfe-Kursleitung. Entgegen der Meinung mancher Kinder, ist das Klettern im fahrenden Schulbus übrigens nicht ohne Grund verboten. Trial and error. Ich persönlich bevorzuge Lernen durch Einsicht, aber manche Lerninhalte benötigen offensichtlich die Anwendung im situativen Kontext.

Dann die zweite Hiobsbotschaft, Lennox komme heute nicht, weil

„Der hat überall so rote Pinöppel, Frau Weh!“, Benjamin ist erschüttert. René kratzt sich demonstrativ den Bauch. Victoria lässt das kalt, sie hatte das schon und das waren nur so kleine Tiere, die unter der Haut waren.

Das und die Tatsache, dass die Stunden mit den Zweitklässlern überraschenderwe wunderbarerw wie von selbst in allerbester Lernatmosphäre und ohne weitere Zwischenfälle verliefen, verkürzte mir dann die Wartezeit auf die vierstündige Whiteboard Fortbildung, die sich dem Unterricht anschloss. Und die – lustigerweise – von Herrn Weh gehalten wurde. Nicht mein Herr Weh, aber interessant war es trotzdem. Ich muss zugeben, dass ich ziemlich beeindruckt war. Es gibt ja so mannigfaltig viele verschiedene Möglichkeiten, sich dem Eichhörnchen mit technischem Turbo zu nähern. Wahnsinn!

Warum nur kommt das alles so frontal rüber?

Da methodisieren wir in der Grundschule seit Jahren, ach was, Jahrzehnten rum, bilden Kreise, Halbkreise, Kleingruppen, Großgruppen, Paare, Trios, konzipieren Plan- und Rollenspiele, Lernausstellungen, Lerntheken (dämlicher Begriff!), lesen von Freinet bis Freiarbeit, bilden uns außerschulisch, innerschulisch und – sic! – immer differenzierter fort, nur um dann – staunend wie der homo erectus vor dem Feuer – offenen Mundes vor dem Whiteboard zu landen?

Fasziniert-ungläubiges Kopfschütteln bei den erfahrenen Kolleginnen. Einhellig die Meinung, dass man dieses Feld gerne den Jüngeren überließe. Und wir? Ich will ja, aber ich weiß ehrlich gesagt noch nicht genau, wie und wo. Und was nun wirklich Sinn gibt.

Sag mir quando, sag mir wann,

sag mir quando, quando, quaaaaaandooooo,

ich das Whiteboard nutzen kann.

Sag mir quando, sag mi-hir wann!?

Lass die Sonne rein

Der von mir bevorzugte Bastelkleber heißt Marvin.

Er verfügt über eine ganze Reihe Eigenschaften, die ich schätze. Er arbeitet zuverlässig, hinterlässt keine Spuren, ist geruchslos, flexibel bei der Materialwahl und jederzeit einsatzbereit. Von einem Drittklässler gleichen Namens kann man dies nicht gerade behaupten. Dessen Heldentag des Tages war es, Tom1 in der Pause einen Sandeimer auf den Kopf zu hauen. Zwar handelte es natürlich sich nur um einen Zufall und – zufälligerweise – auch nur um ein kleinkinddimensioniertes Sandspielzeug, die Empörung war dennoch (und berechtigterweise) groß und kostete uns nach der Pause Zeit. Diese Zeit hatte ich ursprünglich zur Fertigstellung der Laternen (ich streiche so etwas gerne zügig von der Liste) gedacht. Aber Konfliktmanagement ist nunmal wichtig. Besonders bei Wetterwechsel.

Es lässt sich nicht verhehlen, der Herbst ist da. Und mit ihm Regen, Wind und schlechte Laune. Hielt ich früher Naturphänomene wie Wetterwechsel, Vollmond, Gezeiten oder Sperrmüllabholtermine für nebensächlich und unmaßgeblich, weiß ich es mittlerweile besser. All diese Dinge beeinflussen Grundschüler kolossal in ihren Stimmungen. Nein, das ist keine Entschuldigung, das ist unverrückbare Tatsache. Genauso unverrückbar wie der Umstand, dass ich offenbar nicht mehr als ein Schweineöhrchen vertrage. Jedenfalls ist es mir gerade etwas flaumig im Bauch und ich halte es für sinnvoll, diesen Blogeintrag nun zügig zu beenden.

Laterne, Laterne

Teil 1 geschafft, die Ballons sind gekleistert.

Der Tipp einer Kollegin, die ganze Kleisterei mit bereits hängenden Ballons durchzuführen, hat sich als hervorragend herausgestellt. Meine Zweitklässler waren so sehr mit Kugel balancieren, kleistern und Schnipsel kleben beschäftigt, dass sie keinerlei Ressourcen mehr frei hatten, um Dinge zu tun. Es musste also niemand den gefürchteten Schrumpelballon übernehmen. Optisch machen die gelben Bollen, die nun von der Decke baumeln, auch einiges her. Allerdings musste ich später von einigen Ballons ein paar Haare entfernen (und auch ein wenig Kleister aus manchem Schopf), aber das gehört dazu. Genau wie das anfängliche wonnig-schaurige Gekreische, wenn sich die ersten Hände voller gespieltem Ekel in den Kleister schieben, um kurz darauf lustvoll und mit lautem „Quuuammmpsch“ wieder herausgezogen zu werden.

Kurz, die Stimmung war gut und alle Kleisterlinge mit vollem Eifer bei der Sache. Jetzt können die Dinger erstmal vor sich hin trocknen.