„Frau Weeeh, Hilfe!“
Die Musikstunde der 4a ist gerade beendet, wir frühstücken. Ich bin geduldig damit beschäftigt mir den vorpubertären Kleinkrieg zweier Zimtzicken anzuhören als mich ein schriller Schrei erreicht. Völlig unerwartet sehe ich mich einer Szenerie gegenüber, die ich so auch noch nicht erlebt habe:
Celina sitzt auf einer Pobacke und kämpft verzweifelt um ihr Gleichgewicht. Die andere Pobacke befindet sich in der Luft. Wie auch das gesamte rechte Bein, dass Celina – vermutlich um ihre Gelenkigkeit unter Beweis zu stellen – hinter den Kopf geklemmt hat. Dort steckt es jetzt offensichtlich fest. Auf jeden Fall bekommt sie es nicht mehr alleine wieder runter. Dies entnehme ich ihren von lautem Wehgeschrei untermalten Äußerungen. In dieser ebenso unangenehmen wie unbequemen Haltung bleibt ihr nichts anderes übrig als um Hilfe zu rufen. Wohlwissend, dass sie sich mit dieser kompromittierenden Lage der geballten Gefühlsmacht eines vierten Schuljahres auslieferern wird. Spott, Hohn, ungläubiges Kichern, entsetzte Quieker (Mädchen in diesem Alter haben einen Hang zu hochfrequentem Gequieke. Das macht ihnen offensichtlich Spaß.) entladen sich über dem armen Kind. Ich weiß nicht so recht, was ich tun soll. Wo setzt man hier denn nun den Hebel an? Also scheuche ich zunächst die Gaffer an ihre Plätze zurück, was die Meute mit lautem Maulen quittiert. Mit beruhigenden Worten versuche ich Celina, die – wer will es ihr verdenken? – mittlerweile panisch schluchzt, dazu zu bewegen, ihren Kopf zu neigen.
„Geeee-hhhheee-t ni-hicht!“
Verdammt, denke ich, ich muss jetzt schnell handeln, sonst kriegt das arme Kind noch einen Krampf und dann aber Halleluja! In meiner und Celinas Not beginne ich den diesjährigen Ohrwurm des Herbstssingens anzustimmen.
„It rinns from Kopf and shoulder, my feece were cold and colder, colder…“
Wie erwartet fallen die meisten Kinder sofort mit begeistertem Gegröle ein und übertönen den zu erwartenden Schrei, den die bemitleidenswerte Celina natürlich ausstößt, als ich mit links das Bein greife,
„oh yes, I am so ness!“
mit rechts ihren Kopf ein Stück ducke
„and I believe I get a Snief“
und gleichzeitig das Bein runterziehe
„I have a Gänsehaut roundabout“.
Geschafft.
Kurze Zeit später – wir haben uns alle wieder beruhigt, es kann weiter gefrühstückt werden – kommt Celina zu mir:
„Ich kann das auch mit dem anderen Bein, soll ich Ihnen das mal zeigen?“