Brainfreeze

Diese Woche spottet wahrlich jeder Beschreibung. Ein Drittel des Kollegiums erkrankt, kein Hausmeister, erneut keine Heizung, keine Putzfrau. Ständig zwei Klassen parallel unterrichtet. Die Anspannung im Lehrerzimmer… unsagbar. Dazu Ärger über fehlende elterliche Sorge, seelische Grausamkeiten und die ewig mahnende innere Stimme, Abstand zu wahren. Heute dann die explosionsartige Entladung  – Inobhutnahme eines meiner Schüler durch das Jugendamt.

Es gibt Dinge, die müssen schnell gehen. Manchmal so schnell, dass Körper, Seele und Gehirn mit der Kaskade verschiedener Emotionen, die einen durchlaufen, gar nicht mehr klarkommen. Ein einziges Wechselbad aus unfassbar großem (Er-)Schrecken, Wut, Angst, (Mit-)Leid und der stetigen Frage, ob die Entscheidung, die man innerhalb kürzester Zeit zu treffen gezwungen wurde, die richtige ist. Details wären hier nun fehl am Platz. Unfassbar aber die Tatsache, dass es so viele Kinder gibt, denen Leid geschieht. So großes Leid, dass im schlimmsten Falle ein Leben zu so einem frühen Zeitpunkt bereits völlig verkorkst scheint.

Gut tut dann, wenn sich ein solcher Tag, eine solche Woche nach gefühlter Unendlichkeit neigt.

Gut tut eine Nachricht des Dankes, dort gehandelt zu haben, wo Wegschauen der einfachere Weg gewesen wäre.

Gut tut auch die Fahrt nach Hause, das Umarmtwerden der Familie, ja sogar eine kotzende Katze hat erleichternde Wirkung. (In jeder Hinsicht.)

Und die Aussicht auf einen gigantischen Erdbeerdaiquiri!

0 Kommentare zu „Brainfreeze

  1. ach mann.. hoffen wir, dass das Kind zumindest heut und die nächsten Tage zur Ruhe kommt. genieß dein Familienleben, und ich drücke die Daumen, dass du Abschalten kannst (kotzende Katzen versprechen zumindest Ablenkung…)

  2. Grauenvoll, wenn ich mir vorstelle, dass es überhaupt (und dann auch noch mehr als man glauben möchte) Kinder gibt, die in die Obhut des Jugendamtes müssen, dann läuft mir ein kalter Schauder den Rücken herunter, vor allem, wenn ich an die beiden sorglosen, unschuldigen Kinder denke, die ich selber habe….ich würde sagen, sogar 3 – 4 gigantische Erdbeerdaiquiris sind angebracht für die Heldentat!

  3. Oh weih… Ich schicke auch mal eine virtuelle Umarmung aus dem Cyberspace und finde es super, dass du nicht weggeschaut hast. Lese deinen blog immer sehr gerne und freue mich an deinen humorvollen und wertschätzenden Beobachtungen!

  4. Ja manchmal ist keine Alkohol eben doch keine Lösung!

    Liebe Grüße von Frau Reiter

    Als Anhang schicke ich die Energie einer guten Schulwoche – auf das es nächste Woche auch bei dir besser wird.

  5. Oh Frau Weh! Ich denk an dich und glaube ganz, ganz fest, dass du die richtige Entscheidung getroffen hast! Genieß dein Wochenende!

  6. Ach Du Sch***e!
    Liebe Frau Weh, ich wäre erstaunt, wenn Du nach solch einer Woche nicht zu Hause direkt auf die Couch geplumpst bist. (Bist Du? 😉 ) Ich hoffe, Du hast (auch für Dich) die richtige Entscheidung getroffen und dem kleinen Kerlchen geht’s recht schnell besser.
    Ich habe großen Respekt davor, dass Du eingegriffen hast, statt wegzusehen! Und ich glaube: nach so einer Woche kann eigentlich nur eine bessere kommen… Dafür drück ich Dir die Daumen. Und dafür, dass Du Abgrenzung lernst und gleichzeitig nicht den Blick für solche Kinder verlierst. (Du magst doch Herausforderungen, oder? 😉 )
    Ganz liebe Grüße!
    gaelic lupin

    1. Danke auch dir für deine lieben Worte. Ja, ich bin geplumpst. Allerdings auf den Wohnzimmerboden, da puzzelt das Miniweh am liebsten.
      Ich finde diese Balance zwischen Aufmerksamkeit und Abgrenzung wirklich, wirklich schwierig. Manchesmal würde ich mir wünschen, alles auf dem Nachhauseweg abschütteln zu können.

  7. Wenn man sich solche Gedanken um so etwas macht und diesen riesigen Schritt trotzdem wagt, dann war es auch die richtige Entscheidung. Auf das Kind wartet jetzt sicherlich eine schönere Zukunft! Es ist wichtig und sehr mutig nicht weg zu schauen!
    Ich wünsche Ihnen ein schönes und entspanntes Wochenende!
    Ganz liebe Grüße
    Kristina

  8. Hab beim Lesen Tränen in den Augen. Ich bin im Moment nicht im Unterricht. Meine eigenen Kinder sind der Grund.
    Das Leid anderer Kinder nicht an sich heran lassen? Das geht manchmal einfach nicht. Und manchmal ist das auch gut.
    Drücke deine Lieben zuhause an dich. Das ist dein Leben. (Meins auch!)

  9. Ganz richtig und wichtig finde ich, in solchen Situationen auf das Bauchgefühl zu hören. Das funktioniert bei solchen Zuständen besser als der Verstand. Also ich denke auch, das war die richtige Entscheidung.

    1. Danke. Leider ist das mit dem Mut so eine Sache. Tatsächlich spielt Angst gerade eine nicht unbeträchtliche Rolle. Schließlich bin ich für die Eltern gerade die Böse. Und wer garantiert mir, dass ein Mann, der gewaltätig ist, nicht auch mal eben in der Schule vorbeikommt. um mir seinen Standpunkt zu erläutern?

  10. Überall das gleiche Bild. Schlimm.
    Heute in Mathe, 2. Klasse:
    Ein Mädchen meldet sich, ich gehe zu ihr um zu helfen, dann sagt sie mit einem resignierend-hilferufendem Blick:
    „Frau A., wir sind fast pleite. In unserem Kühlschrank ist kein Essen mehr.“
    …was soll man dazu noch sagen?! :-/
    Schlimm.

  11. Ach Mensch tut mir leid für dich, dass du schon so runter bist, dass du dich über ne kotzende Katze und Alkohol freust
    Ich wünsche mindestens Heizung und Hausmeister… jede Menge Selbstfürsorge und die Möglichkeiten ideses Wochenende die Akkus aufzuladen!

    1. Haha, glücklicherweise habe ich mir da ein sehr kindliches Gemüt bewahrt. Außerdem, wenn du unsere Katze mal dabei hören würdest… das Miniweh kann dieses Würgegeräusch bereits annähernd so perfekt kopieren, dass Herr Weh und ich regelmäßig zusammenzucken und nach Lappen und Sprühflasche greifen :mrgreen:

  12. All das habe ich eines Tages nicht mehr gepackt- und befinde mich nun im- wie sagten sie so schön- wohlverdienten Ruhestand, bzw. Frühpension.
    Bei Dir spürt man noch eine gewisse Liebe zum Beruf, vor allen Dingen zu den Kindern, heraus….
    Gruß von Sonja

    1. Ja, ich liebe meinen Beruf, aber ich blicke bereits häufiger als mir lieb ist in den Abgrund. Wenn ich mir überlege, dass ich noch über 30 Berufsjahre vor mir habe, weiß ich manchmal nicht, wie das auf diesem Level funktionieren soll und kann.

      Vermisst du die Schule?

      1. Diese letzte Schule vermisse ich nicht; es gab traumatisierende Erfahrungen, nicht nur für mich. Wohl aber vermisse ich es, meine Viertklässer vorzubereiten auf das Kommende in Form von Referatstechniken, Projekten, Klassenfahrten….das wunderbare Leben mit den Kindern, das vermisse ich!
        Vielleicht hätte ich können an einer anderen Schule noch mal so richtig aufleben, wer weiß. Aber ein paar schlimme Dinge brachten das Fass zum Überlaufen und mein Entschluss stand fest.
        So muss es bei Dir keineswegs kommen…
        Beim Jugendamt habe ich übrigens auch mal Eltern, Adoptiveltern, anonym „gemeldet“- und siehe da, es hat SEHR geholfen; wahrscheinlich aber nur, weil sie Angst bekamen, das Kind wieder weggenommen zu kriegen…
        Gruß von Sonja

  13. Was ist denn da an der Schule los? Meiner Meinung nach sollte das System des Einsatzes von Aushilfslehrern mal gründlich überholt werden. Die Plattform VERENA kann man sich schenken, die die Stellenanzeigen nicht immer aktuell sind und teilweise nur Jobs anbieten, die für 4 Wochen gelten…Wo ist das Problem mind. eine Lehrkraft mehr an einer Schule einzusetzen als zwingend erforderlich ist? Warum muss es immer die Minimalanzahl an Personal sein. Anscheinend hat Deutschland bis heute nichts aus der PISA-Studie gelernt. ABER Milliarden ins Ausland pumpen. Nur ein Bruchteil von diesem Betrag auf die Länder für Bildungszwecke verteilt und es wäre einiges besser.

    das musste mal raus. Mal schauen, was alles auf mich im Ref. nächstes Jahr zukommt.

    @Frau Weh: härter durchgreifen und Kopf hoch.

    1. „Wo ist das Problem mind. eine Lehrkraft mehr an einer Schule einzusetzen als zwingend erforderlich ist?“

      Hmm… Geld?

    2. Das Problem liegt am Geld. Und am Schulamt. Wir haben hier eine Grundschule mit 16 Klassen. Aber „nur“ 15 Lehrerstellen zugeteilt bekommen. Mit dem Effekt, dass eine Lehrerin zwei Klassenleitungen (eine 2. und eine 3.) übernehmen musste: doppelt Elternsprechtage, Elternabende, doppelte Grenzwanderung zwischen Fürsorge, Anteilnahme und Abgrenzung etc. pp.

      Macht die eine Jahrgangsstufe einen Ausflug, fällt bei der anderen der Unterricht aus bzw. eine Vertretung muss her, die von der Schule aus dem ohnehin schon knapp bemessenen Budget für Vertretungslehrer bezahlt werden muss. Für die Drittklässler bedeutet ein Ausflug der 2. Jahrgangsstufe Komplettvertretung nach UnterrichtsgarantiePlus, da nicht nur die Klassenlehrerin weg ist (Mathe, Sachunterricht, Kunst, Englisch), sondern zusätzlich die Deutschlehrerin, da diese ebenfalls Klassenlehrerin einer 2. Klasse ist.

      UnterrichtsgarantiePlus heisst hier, dass auch der klavierspielende Taxifahrer Unterrichtsvertretung machen könnte, indem er mit den Kindern im Musiksaal Lieder singt. Häufig werden die Kinder von Vertretungen „nur“ beim Spielen auf dem Pausenhof beaufsichtigt.

      Sozialpädagogen? Seit Abschaffung der flexiblen Eingangsstufe Fehlanzeige.

      Dabei leben wir hier schon auf der Insel der Glückseligen, von der Stundentafel her ist die Schule so gut gestellt, dass sie sogar Förderunterricht anbieten kann (relativ viele Vollzeitstellen). 2,5 km Luftlinie weiter wird’s schon in Bezug auf den regulären Unterricht knapp.

  14. Danke für die Arbeit, die du leistest und eine große virtuelle Umarmung für den Mut, die Besonnenheit und Courage, die du aufbringst. Ich wünsche dir gutes Auftanken am Wochenende. Und Abstand.

    1. Danke. Glücklicherweise lässt Familie ja wenig Zeit zum Grübeln. Und wie ich erfreut feststellen konnte ist Daiquiri tatsächlich komplett vegan 😉

  15. Als Trainerin im Breitensport werde ich auch ab und zu mit solchen Konflikten konfrontiert. Ich bin dann ratlos, weil ich Befürchtungen habe…das es im Elternhaus bei einigen Kindern nicht ganz rund läuft. Mit Fragezeichen im Kopf gehe ich nach Haus und frage mich..soll ich dem Jungendamt einen Tip gehen – oder gehe ich da zu weit oder miische ich mich in etwas ein, was mich nichts angeht?

    Ich habe gelernt..das Kindern, die sich in ihrerer Umwelt aggressiv verhalten, signalisieren..das in ihrem Elternhaus etwas nicht ganz im Lot ist. so..wie in einem meines letzten Beiträge geschildert – http://ostseemaus.wordpress.com/2012/11/09/logische-folgen/

    Vorgestern wurde nach einem Gespräch mit dem schwierigen Jungen mir zum esten mal klar…das der Vater in der Familie möglicherweise keinen Fuß auf die Ede bekommt und sein Sohn so mit ihm verbunden ist, dass er die Aggression in sich aufnimmt. Für mich ist guter Rat teuer….

    1. Da haben wir es als Lehrer natürlich einfacher. Wir sind verpflichtet bei begründetem Verdacht das Jugendamt zu informieren oder wie in diesem Fall konkret um Hilfe zu bitten.

  16. Toll, dass du nicht weggesehen hast.
    Ich wurde vor fast genau 40 Jahren meiner leiblichen Mutter weggenommen … ein Sorgerechtsentzug. Die Schwangerenbetreuung hat nicht weggesehen.
    Von da an „lief“ mein Leben nur noch auf der Sonnenseite. 🙂
    Ich habe eine ganz tolle Adoptivmama bekommen.
    Wer weiß, was aus mir geworden wäre, wenn man damals nicht gehandelt hätte … vll. auch Schädelbasisbruch wie mein kleiner Bruder???
    Danke für’s Kümmern.

  17. Toll, dass es so viele gibt, die nicht wegsehen und handeln 🙂
    Ich muss grad an meine eigene Schule denken, da wird man als engagierte Kollegin gemoppt – ist schon blöd wenn man als „ruhende Kollegin“ den Spiegel vorgehalten bekommt …….
    Aber, den Kindern hilfts….

    1. Du wirst gemoppt? So richtig mit Seifenlauge? :mrgreen:
      Entschuldige, das war mit Sicherheit gerade gar nicht angemessen, aber da kann man mal sehen, worüber ich schon zu lachen bereit bin 😉
      Bitte nichts für ungut, das klingt ja nicht gerade nach einem angenehmen Arbeitsklima.

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