1-2-3 eyes on ME!

„Also die waren ja sooo ruhig und diszipliniert. Und sie haben sich so viel Mühe gegeben!“

Frau Schmitz-Hahnenkamp überschüttet mich in der Pause mit Erfolgsnachrichten aus meiner alten Klasse. Leise waren sie, nett untereinander und fast alle hatten ihr Material dabei. Toll, wirklich und so unerwartet! Nur mit Mia-Sophie, also da habe sie etwas Bedenken. Die Mutter habe sie ja bereits mehrfach in den Ferien kontaktiert und ihr mitgeteilt, dass außer dem Gymnasium nichts, aber auch gar nichts anderes in Frage käme und dass ich offensichtlich die Leistungen ihrer Tochter falsch beurteile. Ja, schlichtweg nicht die richtige Lehrerin für das Kind sei. Aber jetzt, wo Frau Schmitz-Hahnenkamp Zucht und Ordnung in den Haufen, pardon, die Klasse bringe, werde sicher alles gut und Mia-Sophies Stern werde endlich glänzen.

Die Kollegin erzählt und erzählt, mittendrin lässt sie geschickt einfließen, dass sie morgen aber noch nicht bereit wäre, Mathematik in meiner neuen Dritten zu unterrichten, sie erstmal Zeit für die eigene Klasse bräuchte und überhaupt. Ich höre nur mit einem halben Ohr zu, habe ich doch gerade vier Stunden mit den neuen Drittklässlern hinter mir. Vier Stunden, in denen mir schmerzlich bewusst wurde, dass ich offenbar im letzten Schuljahr wirklich gute Arbeit in der Parallelklasse geleistet habe. Viele der neuen Dritten sind laut, pöbelig und wenig interessiert an dem, was da vorne so passiert. Der Erzählkreis entgleist, eine Meldekette kennen sie nicht, in der Pause kommt es zur ersten Prügelei. „Achtsamkeit und Anerkennung!“, schießt mir durch den Kopf als ich überlege, wie ich hier am besten beginne. „Und Aufmerksamkeitstraining“ füge ich noch in Gedanken hinzu, als mir Kai zum wiederholten Male ins Wort fällt.

Ich führe einen Aufmerksamkeitscatcher ein und rufe „1-2-3 eyes on ME!“, woraufhin mich alle (fast alle, Giuliano erklärt seinem Nachbarn gerade augenrollend, dass er gar nicht wüsste, warum seine Mutter ihm sechs Schreibhefte eingepackt hätte. Sechs!) neugierig anblicken. Ich erkläre den Drittklässlern, dass sie diesen Satz mit einem lauten „1-2 eyes on YOU!“ zu beantworten hätten,  wobei sie bei YOU auf mich zeigen und danach den Mund zu halten haben. Es wird gekichert, Englisch ist immer gut. Wir üben.

Und üben noch einmal.

Und wieder.

Am Ende des Schultages klappt es eigentlich schon ganz gut. Und morgen sehen wir weiter.

Can you feel the love tonight?

Es liegt Liebe in der Luft bei dieser ersten Konferenz im neuen Schuljahr.

Alle sind entspannt, Kolleginnen schließen sich in die Arme und tauschen Nettigkeiten aus. Chefin drückt sich einmal um den Lehrerzimmertisch herum, meinen Einwand, man habe sich doch schon letzte Woche begrüßt, beiseite winkend. Schließlich sei ich im Alter ihrer Kinder, das wäre doch ein bisschen als würde man das eigen Fleisch und Blut umarmen. Sie tut es ausgiebig. Versinkend in ihrer Körperfülle denke ich, dass dieses Maß an Zuwendung einer guten Zusammenarbeit nicht unbedingt förderlich ist. Bei der Hitze, die im Lehrerzimmer herrscht, steht Körperkontakt auf meiner persönlichen Wunschliste sehr weit unten. Aber auch Frau Schmitz-Hahnenkamp nutzt die Gelegenheit und setzt sich an meine Seite. Mit Muffelmiene. Der Schulanfang stürzt sie jährlich in eine tiefe Phase der schlechten Laune. Auf Konferenzen könne sie gut verzichten. Auf jeglichen Einsatz außerhalb ihres Klassenzimmers ebenfalls. Dennoch zeigt sie sich – man könnte meinen – teamorientiert als wir nach unserer Ansicht zu verschiedenen organisatorischen Dingen gefragt werden. „Entscheide du mal ruhig“, sagt sie mit herabhängenden Mundwinkeln und deutlich zur Schau getragenen Unlust.

Als wir bei Punkt 5 von 10 auf der Tagesordnung angekommen sind (Verteilung der Ämter), ist die Stimmung bereits deutlich gesunken.

Bei den Raumverteilungsplänen fallen bereits ein paar hitzige Bemerkungen.

Am Ende der Konferenz wird eine Kollegin mit der Faust auf den Tisch gehauen und mehrere andere mit spitzen Lippen vehement die Köpfe geschüttelt haben. Der Stundenplan wird neu zusammengewürfelt werden müssen, der Aufsichtsplan sowieso. Ich fühle mich sofort wieder zu Hause.

Wie schön, dass sich manche Dinge einfach nie ändern! 🙂

 

I say tomato, you say tomahto

Erstes Arbeitstreffen mit Frau Schmitz-Hahnenkamp.

Es ist heiß in der Klasse und ein bisschen ist es wie beim Paso Doble, um jeden Zentimeter wird gekämpft. Noch ist nicht ganz klar, wer hier Torero und wer der Stier ist, an roten Tüchern herrscht jedoch kein Mangel: Lernstandskontrollen, Arbeitspläne, Hausaufgabengestaltung. Keine Einigung in Sicht. Tomato, tomahto, potato, potahto. Wir feilschen. Wir wissen beide, dass unser Konfliktpotential das höchste unter allen Paarungen im Kollegium ist. Können Lehrerpersönlichkeiten noch weiter auseinander sein als wir? Wohl kaum.

Aber ich WILL das hinkriegen. Was Frau Schmitz-Hahnenkamp will, ist nicht so leicht ersichtlich. Eigentlich möchte sie ihr Ding durchziehen. So wie immer. Also vergleichen wir Ideen, wägen Stoffverteilungspläne ab und stellen uns unausgesprochen die Frage nach der (Un-)Möglichkeit einer gemeinsamen Zusammenarbeit. In Gedanken trauere ich meinem alten Team hinterher und bemerke wieder, wie sehr ich das Arbeitsklima geschätzt habe; wie sehr wir Kolleginnen, aber auch unsere Klassen davon profitiert haben, dass wir ein gemeinsames Ziel vor Augen hatten. Stattdessen prallen nun zwei gegensätzliche pädagogische Ideologien aufeinander. PAMM.

Es ist anstrengend. Und es dauert. Am Ende haben wir uns auf einen Weg geeinigt, der irgendwie gangbar scheint. Mal sehen, ob wir draufbleiben oder die ganze Teamsache wieder abblasen.

Man darf gespannt bleiben.

Sprechen wir doch mal über…

Lehrergeschenke!

Zu Beginn des letzten Halbjahres (Herr Wulff steckte uns tief in den Knochen) verkündete Chefin laut und vernehmlich auf der Schulpflegschaftssitzung, dass Geschenke über 5,- Euro nicht statthaft und somit absolut unerwünscht wären.

Schade eigentlich. Oder?

Ja, Lehrer bekommen Geld für das, was sie tun. Und zwar unabhängig davon, wie sie es tun. Sprich, es gibt nicht mehr Geld für die Engagierten und nicht weniger für, naja, die anderen. Eigentlich bräuchten Lehrer keine Abschieds- oder sonstigen Geschenke, sie tun ihre Pflicht. Dennoch finden sich auf meinem Schreibtisch in den letzten Tagen immer wieder verschiedene Dinge: Schokolade, Dankeskarten, ein paar Blümchen.

Warum eigentlich?

Vermutlich aus dem gleichen Grund, aus dem auch ich der Lehrerin des mittelgroßen Wehwehchens jedes Jahr ein kleines Dankeschön zum Ende des Schuljahres mitgebe. Als Dank dafür, dass sie in meinem Kind mehr sieht als nur einen – manchmal ganz schön anstrengenden –  Teil ihrer täglichen Aufgabe. Dafür, dass sie mein Kind fair, gerecht, aber auch ermutigend und grundsätzlich wohlwollend unterrichtet. Dass sie sowohl Fähigkeiten wahrnimmt und fördert, wie auch Schwächen aufspürt und Hilfestellung gibt, wo es nötig ist. Dass sie lobt. Und tadelt. Dafür, dass sie glücklicherweise ganz ohne Schubladen in ihrem Denken auskommt. Und nicht zuletzt auch dafür, dass das mittelgroße Wehwehchen sie gern hat. Denn dafür wird sie nicht bezahlt. Kein Gehalt wäre hoch genug.

Die Lehrerseite:

Natürlich erwarte ich es nicht. Aber es ist schön ein Danke zu bekommen. Ob dieses Danke viel gekostet hat oder gar nichts, ist nicht wesentlich. Teure Geschenke sind irgendwie… unangenehm. (Preiswerte Geschenke können das aber auch sein, s.u.) Ich freue mich, wenn ich eine kleine Karte mit ein paar treffenden Zeilen bekomme. Signalisiert es doch, dass sich da jemand Gedanken gemacht hat. Sollte diese Karte dann noch an einem Glas Marmelade baumeln – na also!

In den letzten Jahren habe ich einige Geschenke bekommen. Einiges hätte ich nicht annehmen dürfen, anderes hätte ich gerne abgelehnt. Wir hätten da beispielsweise:

  • Die Teekanne in Form eines Golfballs. Keine Ahnung, was das sollte. Ist dann auch irgendwann hingefallen. Schwerkraft und so.
  • Der riesige tönerne Übertopf, der – schließlich bin ich Musiklehrerin – in Serviettentechnik mit dem Antlitz von Beethoven verziert wurde. Für eine Pflanze hat es damals übrigens nicht gereicht. Es gab nur den Topf. Der war lila. Hmm.
  • Eine Fototasse mit Klassenfoto. Randvoll  mit angeschmolzenen Schnapspralinen. Brrr. Fand ich beides doof. Ich stehe überhaupt gar nicht auf Fototassen. Auch nicht auf niedliche Kätzchen, Hunde mit Glubschaugen oder Anne Geddes.

Jetzt höre ich schon die verzweifelten Fragen der mitlesenden Klassenpflegschaftsvorsitzenden: Was kann man denn überhaupt schenken?

Auch da kann geholfen werden! Geschenke, über die ich mich gefreut habe:

  • ein großes Bild auf Leinwand, auf dem jedes Kind der Klasse ein Feld mit Acrylfarben ausgemalt hat. Das ist wunderschön und hängt seitdem in meinem Klassenraum,
  • immer wieder: Ein schöner Blumenstrauß, gerne von den Kindern einzeln zusammengetragen,
  • selbstgemachte Marmelade,
  • eine Karte oder ein kleiner Brief mit einem Danke,
  • kitschig, aber wahr: Eine große Packung Merci. Aber auch nur, weil ich bei der Werbung immer heulen muss,
  • nudefarbene Pumps in 38.

Das ist doch wirklich nicht schwierig! 😉