Lehrergeschenke

Mittwoch:

„Und was hast du zu Weihnachten bekommen?“

Die Erstklässler haben im Kreis ausführlich über ihre Weihnachtsgeschenke berichtet und ich bin erstaunt darüber, dass sich die Zuhörer auch bei der x-ten Erzählung nicht nur konzentrieren, sondern auch interessieren. Da wird nachgefragt und um Ergänzung gebeten („Den weißen Controller oder den schwarzen?“). Um etwas Abwechslung in die Runde zu bringen, habe ich von der Schilderung der eigenen Weihnachtsgaben abgesehen und lieber vom Schneeausflug in die Vulkaneifel erzählt. Doch damit komme ich nicht weit.

„Ja, erzähl mal, was hast du gekriegt?“

Also erzähle ich, dass für mich eine langersehnte Glasschüssel unterm Tannenbaum lag. Aber die Erstklässler reagieren nicht nur verständnislos, sie sind nahezu empört.

„Du hast WAS bekommen?“

„Eine Schüssel!?“

„Warum das denn?“

„Wie doof!“

„Hast du dir die etwa gewü-hünscht!?“

Ich versuche den Kindern meine Begeisterung über das Geschenk zu vermitteln, was zugegeben schwer ist, da sie weder meine Backleidenschaft noch die heiße Liebe zu meiner Küchenmaschine nachvollziehen können.

„Ich finde das nicht gut. Das macht doch gar keinen Spaß.“

„Pfff, eine Schüssel. Voll gemein!“

Es will mir nicht gelingen, den Erstklässlern den Unterschied zwischen Kinderwünschen und Erwachsenengeschenken zu erläutern, also gebe ich schulterzuckend auf und leite das weitere Unterrichtsgeschehen ein. Im Laufe des Tages gerät das unerkannte Geschenk in Vergessenheit.

Denke ich.

Donnerstag:

„Hier, Frau Weh, das ist für dich!“

Strahlend stehen die Erstklässler im morgendlichen Kreis und strecken mir zahllose Hände entgegen.

„Was ist denn das?“, frage ich etwas ratlos und schaue genauer hin.

„Eins, zwei … DREI!“

Auf Kommando öffnen sich die Hände und geben den Blick frei auf klitzekleine Kleinigkeiten. Ein Konglomerat aus vom Baum gefallen, übriggeblieben und gerade so entbehrlich. Ich sehe leicht abgegrabbelte Seifenstückchen in Tierformen, Teebeutel, Supermarktsammelfigürchen und Happy Meal-Überbleibsel. Etwas Lametta ist auch noch dabei. Früher war mehr Lametta, schießt mir durch den Kopf und ich muss grinsen. Verrückte Bande.

„Wir fanden das nicht gut, dass du gar nichts richtiges bekommen hast.“, erhebt Dilara das Wort und hält mir eine Rolle entgegen, auf der sich sicherlich noch rund 12 cm Papierklebeband mit der Aufschrift ppy Birthday!!! befinden.

„Und dann haben wir in Englisch bei Frau Smetana gesagt, dass wir noch eine wichtige Sache besprechen müssen.“, ergänzt Nick.

„Dann musst du nicht mehr traurig sein!“

Ich unterdrücke mein Lachen nicht länger und versichere den Erstklässlern, dass ich jetzt wirklich, wirklich kein bisschen traurig wäre und bedanke mich herzlich für ihre Gaben, die sie nun pflichtbewusst in einer extra zu dem Zweck organisierten Plastiktüte eines großen Discounters sammeln und mir mit großer Geste überreichen.

„Wir haben sogar an eine Verpackung für dich gedacht!“

Mir fehlen in der Tat die Worte bei solch liebevoller Umsicht und ich nehme die Tüte wie einen großen Schatz an mich.

„Ihr seid schon toll, wisst ihr das?“

Sie nicken. Natürlich wissen sie es, ich sage es oft. Während wir in den nächsten Stunden singen und rechnen, schreiben und lesen, wandert mein Blick gelegentlich auf die grellbunte Tüte, die erhaben und wichtig auf meinem Pult thront. Und ich bin kein bisschen traurig.

 

Sprechen wir doch mal über…

Lehrergeschenke!

Zu Beginn des letzten Halbjahres (Herr Wulff steckte uns tief in den Knochen) verkündete Chefin laut und vernehmlich auf der Schulpflegschaftssitzung, dass Geschenke über 5,- Euro nicht statthaft und somit absolut unerwünscht wären.

Schade eigentlich. Oder?

Ja, Lehrer bekommen Geld für das, was sie tun. Und zwar unabhängig davon, wie sie es tun. Sprich, es gibt nicht mehr Geld für die Engagierten und nicht weniger für, naja, die anderen. Eigentlich bräuchten Lehrer keine Abschieds- oder sonstigen Geschenke, sie tun ihre Pflicht. Dennoch finden sich auf meinem Schreibtisch in den letzten Tagen immer wieder verschiedene Dinge: Schokolade, Dankeskarten, ein paar Blümchen.

Warum eigentlich?

Vermutlich aus dem gleichen Grund, aus dem auch ich der Lehrerin des mittelgroßen Wehwehchens jedes Jahr ein kleines Dankeschön zum Ende des Schuljahres mitgebe. Als Dank dafür, dass sie in meinem Kind mehr sieht als nur einen – manchmal ganz schön anstrengenden –  Teil ihrer täglichen Aufgabe. Dafür, dass sie mein Kind fair, gerecht, aber auch ermutigend und grundsätzlich wohlwollend unterrichtet. Dass sie sowohl Fähigkeiten wahrnimmt und fördert, wie auch Schwächen aufspürt und Hilfestellung gibt, wo es nötig ist. Dass sie lobt. Und tadelt. Dafür, dass sie glücklicherweise ganz ohne Schubladen in ihrem Denken auskommt. Und nicht zuletzt auch dafür, dass das mittelgroße Wehwehchen sie gern hat. Denn dafür wird sie nicht bezahlt. Kein Gehalt wäre hoch genug.

Die Lehrerseite:

Natürlich erwarte ich es nicht. Aber es ist schön ein Danke zu bekommen. Ob dieses Danke viel gekostet hat oder gar nichts, ist nicht wesentlich. Teure Geschenke sind irgendwie… unangenehm. (Preiswerte Geschenke können das aber auch sein, s.u.) Ich freue mich, wenn ich eine kleine Karte mit ein paar treffenden Zeilen bekomme. Signalisiert es doch, dass sich da jemand Gedanken gemacht hat. Sollte diese Karte dann noch an einem Glas Marmelade baumeln – na also!

In den letzten Jahren habe ich einige Geschenke bekommen. Einiges hätte ich nicht annehmen dürfen, anderes hätte ich gerne abgelehnt. Wir hätten da beispielsweise:

  • Die Teekanne in Form eines Golfballs. Keine Ahnung, was das sollte. Ist dann auch irgendwann hingefallen. Schwerkraft und so.
  • Der riesige tönerne Übertopf, der – schließlich bin ich Musiklehrerin – in Serviettentechnik mit dem Antlitz von Beethoven verziert wurde. Für eine Pflanze hat es damals übrigens nicht gereicht. Es gab nur den Topf. Der war lila. Hmm.
  • Eine Fototasse mit Klassenfoto. Randvoll  mit angeschmolzenen Schnapspralinen. Brrr. Fand ich beides doof. Ich stehe überhaupt gar nicht auf Fototassen. Auch nicht auf niedliche Kätzchen, Hunde mit Glubschaugen oder Anne Geddes.

Jetzt höre ich schon die verzweifelten Fragen der mitlesenden Klassenpflegschaftsvorsitzenden: Was kann man denn überhaupt schenken?

Auch da kann geholfen werden! Geschenke, über die ich mich gefreut habe:

  • ein großes Bild auf Leinwand, auf dem jedes Kind der Klasse ein Feld mit Acrylfarben ausgemalt hat. Das ist wunderschön und hängt seitdem in meinem Klassenraum,
  • immer wieder: Ein schöner Blumenstrauß, gerne von den Kindern einzeln zusammengetragen,
  • selbstgemachte Marmelade,
  • eine Karte oder ein kleiner Brief mit einem Danke,
  • kitschig, aber wahr: Eine große Packung Merci. Aber auch nur, weil ich bei der Werbung immer heulen muss,
  • nudefarbene Pumps in 38.

Das ist doch wirklich nicht schwierig! 😉