Ich übe mich in Ferien und nehme mit Erstaunen wahr, dass die erste Woche schon vorbeigeweht ist wie das laue Lüftchen, das Abkühlung verspricht, und doch nur minimale Erleichterung bringt. Dabei ist meine Planung gut, die ersten drei Wochen verbringe ich mit Nach- und Vorbereitung und dann lege ich – zack – den Schalter um und mache mich ganz frei von schulischen Belangen. (Ahahahahahahahahaha! Ha! HA!!!) Noch spielen auch alle mit. Herr Weh geht arbeiten und die Wehwehchen verbringen ihre Zeit in Kindergarten und Zeltlager. Auch die Schulleitung ist an effektiven Arbeitstreffen interessiert und versorgt die in ihrer unterrichtsfreien Zeit (so übrigens die offizielle Bezeichnung für unsere vielen, vielen Ferienwochen) anwesenden Kolleginnen wahlweise mit Kuchen, Brötchen und lobenden Worten, während Stundenplanentwürfe entworfen und Vertretungskonzepte konzipiert werden.
Jetzt ist es wirklich rum, das erste Jahr an der (gar nicht mehr) neuen Schule. Schnell ging es! Ich habe viel gearbeitet und mich an der Quadratur des Kreises versucht, immer wieder den Blick offen und die Lernbedürfnisse aller im Blick zu halten. Eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit bei so vielen Kindern. Dabei noch aufmerksam zu bleiben für die Dinge, die ihre Ursache außerhalb des Klassenzimmers haben, und zudem noch aus 31 Individuen eine Gruppe zu formen. Wellness!
„Ach, Sie haben es gut, Sie haben jetzt Ferien!“, seufzt mir eine Mutter am letzten Schultag entgegen. Ich lache laut und nicke. Recht hat sie, ich habe es wirklich gut. Ich habe eine feste, unbefristete Arbeit. Zwar keine mit andauernder Erfolgsgarantie, aber eine mit ständigen Chancen und voller Möglichkeiten. Eine, die mir zwar in regelmäßigen Abständen Ärger und gelegentlich auch Herzrasen und unschöne rote Flecken im Dekolleté beschert, aber auch ein schier unerschöpfliches Reservoir an Wohlwollen und Erfolgserlebnissen. Ich fühle mich als Gärtner und manches, was ich anlege, wird, wenn es aufgeht, noch Bestand haben lange nach meiner Zeit. Hey, wie schön ist das denn!?
„Ich vermisse dich vielleicht bestimmt!“, murmelt Ramon, als das letzte Lied gesungen und der letzte Schnipsel vom Boden geräumt ist. Ich tue das, was ich so häufig mache, ich öffne die Arme und er stiehlt sich hinein in eine Umarmung, die frei ist von all den Störungen, Ärgernissen und Enttäuschungen der letzten Wochen. Frei von Versagensängsten und Überforderung, die mir zuverlässige Begleiter sind. Wenn ich mich und mein Lehrersein betrachte, dann ist es diese Fähigkeit, auf die ich vertraue, und die mich neben allen Schwächen, die ich habe, und Fehlern, die ich begehe, befähigt eine gute Lehrerpersönlichkeit zu sein: Ich kann Kinder annehmen. Egal, was sie mitbringen. Irgendwo findet sich schon ein Plätzchen für sie.
(Und gelegentlich auch ein Keks.)
„Geht’s vielleicht auch eine Nummer bescheidener?“, zieht Marten mich auf, als ich von dieser Erkenntnis berichte.
„Nein“, antworte ich entschieden, „das ist meine persönliche Kernkompetenz, da stehe ich zu! Es ist wichtig, dass auch und gerade Lehrer ein positives Selbstbewusstsein ausstrahlen.“ Ich nippe an meinem Glas und grinse. „Und was kannst du überhaupt?“
Marten, der sich geduldig meine schulischen Schilderungen angehört hat und die nächsten Wochen durchs Périgord wandern wird, setzt eine gewichtige Miene auf und antwortet mit salbungsvoller Stimme:
„Ich kann Ferien!“
Touché.