Mist…

Und jetzt mache ich mein Versprechen wahr, verbanne den Privatkram und lasse euch mal herzlich auflachen. Oder auch nicht.

Wie dem auch sei: Erinnert ihr euch an die KOPIENANZAHL-Liste? Mit deren Hilfe ich letzte Woche mein Ego aufpolieren konnte, weil ich so unermesslich viel weniger Kopien als manche Kollegin gezogen habe? Die ominöse Liste, die eine ganze Pause lang für Missstimmung im Lehrerzimmer gesorgt hat? (Nebst einer aufkeimenden Meuterei „lasst uns doch alle unsere Pin-Nummern aushängen. Wer will, bedient sich einfach!“). Leider sehe ich mich genötigt heute etwas aufzuklären:

Wir haben zwei Kopierer. Einen sehr modernen in schickem Grau, der schnell arbeitet, ans Netzwerk angeschlossen ist und wahrscheinlich eine ganze Menge Dinge kann, von denen wir nie etwas erfahren werden. Sein großes Manko ist die unverständliche Bedienung. Wenn man nicht genau hinsieht, kann es durchaus passieren, dass das Gerät statt der gewünschten 10 Kopien plötzlich 1000 in Auftrag gibt. Der wichtigste Befehl ist daher NEIN. Da muss man wirklich ständig draufdrücken, sonst macht der Kopierer, was er will. Im Falle eines seltenen Papierstaus muss ein Techniker gerufen werden, der dann den Rest des Tages auf dem Gang kniet und uns eine gewisse Region seines Körpers präsentiert, die wirklich niemand sehen möchte. Nein, auch keine der älteren Kolleginnen.

Der andere Kopierer ist schon etwas angegrabbelt. Eierschalenfarben. Kann A3, macht aber leider oft Streifen. Er ist langsam und Folien? Nein, die lehnt er kategorisch ab. Wenn er einen Papierstau hat, hilft Fluchen und ein kräftiger Tritt gegen das untere Papierfach. Ansonsten arbeitet er behäbig, aber zuverlässig. Diesen Kopierer benutze ich nur im äußersten Notfall.

(Bei den Kolleginnen verhält es sich genau andersherum. Möglicherweise spielt da die beginnende Altersweisheit eine Rolle, vielleicht hat man im Alter einfach mehr Zeit zur Verfügung. Oder man nimmt sie sich einfach. Jedenfalls wählt der Großteil des Kollegiums das rechte Gerät. Dieser Umstand wird noch eine Rolle spielen.)

Wie sich jetzt allerdings herausgestellt hat, zählt der moderne Kopierer einfach nicht mit. Er macht also keine Einzelabrechnung sondern spuckt nur eine immens große Zahl mit vielen Nullen aus. Um diesen Missstand auszumerzen, hat Chefin jetzt kurzerhand die Gesamtzahl der Kopien auf alle umgelegt.

Ähem.

Es stellen sich nun ein paar Fragen:

  1. Habe ich tatsächlich doch so viel auf dem rechten Gerät kopiert, dass rund 8000 Blatt zusammenkamen? WAS habe ich denn alles kopiert?
  2. Verdammt, wie hoch muss mein tatsächlicher Anteil gewesen sein, wenn die Kolleginnen zu solch horrenden Zahlen kommen?

Mist. Nix mit Nachhaltigkeit. Aber ich bleibe dran!

Strike!

Werden bei euch in den Schulen auch die Kopien gezählt? Bei uns ist das jedenfalls so. Einmal im Jahr hat man dann die Chance ganz oben zu stehen. Oben auf der KOPIENANZAHL-Liste. Böse, böse, wer dort on top ist! Ich habe es schon einmal geschafft. Zu meiner Rechtfertigung konnte ich damals anbringen, dass ich eine 29er Klasse und 10 weitere Klassen in Musik und Religion (damals noch beides ohne Schulbücher) unterrichtet habe. Der Makel blieb trotzdem. Seit dieser Zeit ist es mir ein stetiges Anliegen Kopien einzusparen und weniger Arbeitsblätter rauszuhauen. Zumal ich auch davon überzeugt bin, dass die Kosten-Nutzen-Relation beim Arbeitsblatt schlecht ausfällt und die Wertigkeit eines gut gestalteten, inhaltsvollen Heftes niemals erreicht wird.

Und jetzt ist es offiziell: Ich liege dieses Jahr trotz voller Stelle im guten Mittelfeld! Hah!

Ich bin ja so stolz auf mich* 😀

 

*nichtsdestotrotz will ich noch weiter runter. Nachhaltigkeit und so…

Mein Wunschzettel

Liebes Christkind,

ich bin es, die Frau Weh. Wir kennen uns ja schon. Letztes Jahr habe ich mir einen neuen CD-Player für den Musikraum gewünscht und ein paar Trommeln. Vielen Dank noch einmal dafür, das hat ja gut geklappt.

Hier ist mein Wunschzettel für dieses Jahr:

  1. Mehr Zeit. Ich würde mich freuen, wenn ich etwas mehr zu dem käme, was ich richtig gut kann. Das ist übrigens UNTERRICHTEN. Das mache ich gut und in der Regel auch sehr gerne. Dieses Jahr musste ich viel nebenbei machen. Ich sitze in Arbeitskreisen, bei denen über Förderkonzepte oder das Schulprogramm geredet wird. Ich informiere mich regelmäßig bei Therapeuten jeglicher Fachrichtungen oder sitze in Büros des Jugendamtes. Im Kindergarten überprüfe ich den Sprachstand von vier- und jetzt auch fünfjährigen Kindern. Das mache ich während meiner Unterrichtszeit. Meine Klasse ist dann leider aufgeteilt oder hat Vertretungsunterricht. Ich schreibe lauter Pläne und brüte in Konferenzen über noch mehr Plänen. Das ist schade, ich würde viel lieber neue Ideen entwickeln oder mich fortbilden. Manchmal würde ich mich auch einfach gerne regenerieren, damit ich bei Kräften bleibe. Denn anstrengend ist es schon.
  2. Mehr Ruhe. Es wäre schön, wenn man mich eine Weile mit neuen Konzepten in Frieden lassen würde. Dann könnte ich mir meine Schüler anschauen, um so selber zu sehen, welche Fortschritte schon erzielt wurden und welche Hilfen nötig sind. Ich könnte überzeugend sagen „hey, das hast du richtig gut gemacht!“ oder „na komm, das üben wir noch einmal zusammen!“ statt individuelle Förderpläne auszufüllen und Missstand an Missstand zu reihen.
  3. Eine Schulleitung, die mir – wo nötig – auch mal den Rücken freihält. Die sich auch mal traut „Nein!“ zu sagen, wenn lauter neue, lustige Vorschläge vom Schulamt oder vom Bildungsministerium kommen, was man noch so alles in der Schule ausprobieren könnte.
  4. Mehr Personal. Es wäre wirklich schön, wenn jemand anderes meine Klasse und die 70qm im Musikraum kehren könnte. Auch die Bestellung von Ersatzteilen oder Neuanschaffungen würde ich gerne an jemand abgeben. Ein an jedem Tag besetztes Sekretariat wäre ein Traum. Oh und eine Schulkrankenschwester wäre auch klasse! Und, bitte, bitte, liebes Christkind, mach, dass wir nächstes Jahr, wenn unser Hausmeister in Rente geht, einen neuen bekommen. Es ist ganz schrecklich ohne!
  5. Mehr Unterricht. Es wäre toll, wenn alle zusätzlichen Angebote wie Zahnarztkontrolle, Büchereibesuch, Schulfotograf und so weiter am Nachmittag stattfinden könnten und nicht in meiner Kernunterrichtszeit. Es wäre auch schön, wenn ich nicht andauernd irgendwelche Zettel austeilen und Abschnitte wieder einsammeln müsste. Das frisst so viel Zeit, die ich gar nicht habe. Zwei Stunden Deutsch mehr pro Woche wären sinnvoll.
  6. Eigene Arbeitsplätze für jede Kollegin. Ich würde viel lieber länger in der Schule bleiben, wenn ich wüsste, wohin mit mir und meinem Material. Das Fach, das uns zugewiesen wurde, ist leider sehr klein.
  7. Eine Papiertüte.

Liebes Christkind, ich weiß, es ist viel. Bitte halte mich nicht für unmäßig! Ich würde mich schon sehr darüber freuen, wenn du nur einen oder zwei Wünsche erfüllen könntest. Ich bin auch noch eine ganze Weile hier. Du könntest die Wünsche vielleicht über ein paar Jahre abschreiben. Oder in Raten erfüllen. Ich habe ja noch 30 Jahre und ein paar zerquetschte. Da lässt sich doch sicher etwas machen, oder?

Herzlichst, deine Frau Weh

Bitte nicht stören

Gestern bin ich im Baumarkt unterwegs gewesen. Energiesparlampen, ein neuer Klodeckel (die Wehwehchen kriegen Klodeckel klein wie Termiten ein Gartenhäuschen, unvorstellbar), dies und das. Im Mittelgang zwischen Schwingschleifern und dem Schöner-Wohnen-Farbwelt-Mischer stand eine kleine Holzbank. Ein hässliches flaches Kissen lag auch darauf. Darüber ein Schild mit der Aufschrift

RUHEZONE

FÜR UNSERE KUNDEN

BITTE NEHMEN SIE PLATZ!

Im Radius von 3 Metern standen verschiedene Monitore, auf denen lautstark  Do it yourself-Videos liefen („Führen Sie den Exzenterschleifer mit leichtem Andruck über die Arbeitsfläche“, „…fragt man sich häufig, welcher Mörtel füllt Fugen zuverlässig…“, „Um den Zylinder zu fixieren, werden nun Zylinder und Schloss miteinander verschraubt“). Die plärrende Durchsage („Frau Wink-Lammel 208, Frau Wink-Lammel bitte!“) komplettierte das akustische Fiasko. Außerdem zog es wie Hechtsuppe. Fürwahr, ein schöner Platz zum Verweilen. Wie verzweifelt oder fertig muss man sein, um gerade hier auszuruhen?

Nun, ich weiß es.

Unser Lehrerzimmer ist auch so ein theoretischer Ort der Ruhe. Praktisch will immer irgendjemand irgendwas von einem. Mal ein paar Minuten Ruhe tanken? Für einen kurzen Moment die Gedanken oder das Material für die nächsten Stunden sammeln? Fehlanzeige. Die größte Hürde liegt in der offenen Tür des Chefinbüros. Da kommt man in der Regel nicht vorbei, ohne einen Auftrag oder einen Kommentar mitzunehmen, den man bis dato gar nicht vermisst hatte. Ich wollte heute nach sechs wahrlich zermürbenden Stunden einfach nur kurz meine Sachen holen und der Referendarin Mut zusprechen. Unglücklicherweise hatte ich die Rechnung ohne Chefin gemacht.

„Aaaah, Frau Weh!“

„Hmmja?“

„Weißt du, ob die schulinternen Curricula für Musik und Religion bereits existieren?“ Blöde Frage. Denn erstens gibt es außer mir niemanden, der das machen würde und zweitens habe ich das noch nicht gemacht. Sonst wären sie ja da. Ich weiß das. Chefin weiß das. Aber irgendwie muss man das Gespräch ja beginnen.

„Ich weiß nicht, hat die schon jemand geschrieben?“ Manchmal hilft es ja, sich blöd zu stellen.

„Das ist wohl deine Aufgabe.“ Ach nee. Überraschung.

„Ja dann… bis wann?“

„Also Montag…“

„BITTE!?“

„Also Montag sprechen wir in der Konferenz darüber. Es fehlen ja noch andere Arbeitspläne. Kunst zum Beispiel. Du bist doch so engagiert im Kunstbereich…?“

Ich nehme die Beine in die Hand und renne ins Lehrerzimmer. Dort lasse ich mich auf einen Stuhl und meinen Kopf mit einem lauten POING auf die Tischplatte fallen. Die Referendarin schaut mitleidsvoll von ihrem Unterrichtsentwurf auf. Ich entwickle mehr und mehr Verständnis für Kollegen, die sich Sofas, Aquarien und Kaffeemaschinen in ihre Klassen stellen. Der Weg ins Lehrerzimmer ist immer so anstrengend. Ich nehme mir vor, morgen die Senseo einzupacken und mitzunehmen. Außerdem Hammer und Nagel, damit ich meinen Mantel nicht mehr an der Lehrergarderobe aufhängen muss. Vielleicht noch ein hübsches Kissen für meinen Schreibtischstuhl. Oh, und unbedingt so ein Schild BITTE NICHT STÖREN. Nach dem Auspacken und Einrichten kann ich mir die leere Tüte dann prima über den Kopf stülpen.

Falls ich doch noch einmal am Büro vorbei muss.